Die griechische Insel Leros, auf der während der Militärdiktatur [1967-1974] Regimegegner interniert waren.

Wie der Spiegel in seiner Juli-Ausgabe 1972 berichtet, befindet sich Griechenland schon damals im Fokus der Öffentlichkeit: »Griechenland erlebt den größten Touristen-Boom seiner Geschichte«. Die Schatten der Militärdiktatur scheinen viele UrlauberInnen nicht zu stören.

Weniger entspannt ist die Lage für die Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt: Am 2. Juli tritt Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller zurück. In seinem Rücktrittsbrief wirft er dem Kanzler und seinen Kabinettskollegen mangelnde Unterstützung vor – der hohen Staatsverschuldung (»Bonner Finanzkrise«) und drohenden Inflation hatte der »Superminister« mit einem schon damals umstrittenen strikten Sparkurs entgegenwirken wollen. Sein Nachfolger wird der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt.

In der Bundesrepublik werden weitere RAF-Mitglieder verhaftet: Am 7. Juli spüren Beamte das RAF-Mitglied Hans-Peter Konieczny auf und überzeugen ihn davon, der Polizei bei der Festnahme weiterer Terroristen zu helfen. Noch am selben Tag tappen Klaus Jünschke und Irmgard Möller in die Falle.

Im »Spiegel« vom 17. Juli beschwört Bildungsforscher Georg Picht einmal mehr den drohenden »Kollaps an den Universitäten«. Bemerkenswert sein Befund: »Es ist einfach grotesk, dass man in einer Zeit, da der größte Teil der Welt marxistisch orientiert ist, an den westdeutschen Universitäten kaum Gelegenheit hat, Marxismus qualifiziert und auf entsprechendem theoretischem Niveau zu lernen.«
Auch um das zu ändern, bringt das VSA: Team den ersten Band der »archiv-drucke« (siehe auch Monat Mai) mit Originaltexten von Marx und Engels endlich zu Ende. Nachdem unentwegt getippt und das Layout mit Fixogum zusammengeklebt wurde, ist der Rest nicht minder aufregend: Team-Kollegen drucken auf mehreren Kleinoffset-Maschinen selbst – Makulatur zahlreicher Druckbögen und Verschleiß von Druckplatten inklusive. Gebunden wird das Büchlein schließlich von einer professionellen Buchbinderei, die ersten Exemplare liegen am 28. Juli 1972 in den Westberliner linken Buchläden.

Am 21. Juli eskaliert erneut der Nordirland-Konflikt: Am »Bloody Friday« werden in Belfast bei einer Serie von circa 20 Bombenanschlägen der IRA neun Menschen getötet und 130 verletzt.

Ebenfalls am 21. Juli eröffnen in Bayreuth die 22. deutschen Richard-Wagner-Festspiele: Die versammelte Gästeschar (u.a. die Bundesminister Genscher, Ertl und Dohnanyi sowie der DDR-Ministerialbeamte Schrader) erleben eine Aufführung, die zum Skandal wird. DDR-Regisseur Götz Friedrich, der im November 1972 über Schweden in die Bundesrepublik flüchten wird, inszeniert einen sozialkritischen »Tannhäuser« mit dem Ziel, »die Veränderbarkeit und Veränderungswürdigkeit von Verhältnissen aufzudecken«.

In Brüssel unterzeichnen am 22. Juli Vertreter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie die Mitglieder der Europäischen Freihandelszone Österreich, Schweden, Schweiz, Finnland, Island und Portugal, ein Freihandelsabkommen und schaffen damit quasi die größte Handelsmacht der Welt.

Der Vietnamkrieg spitzt sich weiter zu: Vertreter von 27 europäischen kommunistischen Parteien treffen am 27. Juli in Paris zu einer »Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien in Europa gegen die amerikanische Aggression in Vietnam« zusammen und verabschieden eine »Deklaration für die Solidarität mit den Völkern Indochinas«.

Liebe Leserinnen und Leser,

ein Gespenst geht um in der Buchbranche: der eBook-Hype. Werden sie die traditionellen Bücher verdrängen? Und werden mit ihnen die LeserInnen der Zukunft angesprochen? Diese Fragen sind nicht befriedigend beantwortet.
Gleichwohl sind eBooks inzwischen ein Faktor, den man nicht mehr einfach ignorieren kann. Deshalb wollen wir prüfen, ob auch unsere LeserInnen eBooks haben wollen und ab Mitte Juli mit zunächst drei Titeln ausprobieren, ob ein Bedarf an elektronischen Fassungen von VSA: Büchern existiert.

Viel Vergnügen damit und einen schönen Sommer wünscht
das VSA: Team

Vor 40 Jahren: Juli 1972

Events

Kampf in den Städten – auch um Bücher in St. Georg

Mit dem zweiten Band der VSA: Reprints wird der »Recht-auf-Stadt-Bewegung« ein zu Unrecht fast vergessener Text wieder zugänglich gemacht. Entsprechend enthält das neue Vorwort des Stadtforschers und Aktivisten Andrej Holm Antworten auf die Frage, wie man »mit Castells in die städtischen Kämpfe des 21. Jahrhunderts gehen« kann.
Das Erscheinen von Kampf in den Städten fällt buchstäblich mit aktuellen Ereignissen vor der Hamburger Verlagstür zusammen. Seit Anfang Juni wird im Stadtteil St. Georg mit Lese-Kundgebungen u.a. Aktionen unter dem Motto »Bücher öffnen Welten – Spekulanten zerstören sie!« die existenzbedrohende Verdreifachung (!) der Ladenmiete für die traditionsreiche Buchhandlung Dr. Wohlers & Co. angeprangert. Seit Jahren richtet sich der im Stadtteil gewachsene Protest »gegen Spekulation und Mietenwahnsinn, gegen Gentrifizierung und Verdrängung« (aus einem Aufruf des Einwohnervereins).
»Man erlebt also, wie soziale Bewegungen in den Städten auftauchen und in fortschrittlicher Weise verallgemeinert werden ... und die etablierte Ordnung infrage stellen.« Manuel Castells 1973, aktualisiert in Hamburg-St. Georg 2012 und in vielen anderen Recht-auf-Stadt-Auseinandersetzungen ...

Financial Crimes?!

Spanien hat die Euro-Partner jetzt offiziell um finanzielle Nothilfe für seine maroden Banken gebeten. Zypern folgt dem spanischen Beispiel und wird ebenfalls unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Welchen Anteil haben die Banken und die Politik der Deregulierung der Finanzmärkte an der gegenwärtigen Krise, und welche Alternativen gibt es?
Antworten darauf geben die Autoren Christian Felber, Markus Henn und Stephan Lindner in dem AttacBasisText Financial Crimes. Wie Banken funktionieren, spekulieren und welche Alternativen nötig sind! Wer über diese u.a. Themen diskutieren möchte, kommt zur Attac-Sommerakademie. Unter dem Motto Teilhaben – Teil sein! treffen sich vom 1. bis 5. August Attacies und andere Neu­gierige in der Johannes-Guten­berg-Universität in Mainz. Entlang der The­menblöcke Finanzmärkte entwaff­nen, Reichtum umverteilen, Demo­kratie erstreiten, Klimagerechtigkeit und politisches Handwerkszeug gibt es jede Menge Podien, Foren und Workshops.

griechenland: was tun?

Am 17. Juni 2012 fanden in Griechenland Parlamentswahlen statt, bei denen das Linksbündnis SYRIZA zweitstärkste Kraft werden konnte. In welcher Situation sich Griechenland nach vier Austeritätsprogrammen, Schuldenschnitt und Troika-Diktat befindet, bringt Karl Heinz Roth in der Flugschrift griechenland: was tun? auf den Punkt. In einer Besprechung in der taz vom 27.6.2012 unterstreicht auch Christiane Müller-Lobeck, dass »das Buch eine ausführliche und aktualisierte Einschätzung der fortdauernden Krise inklusive eines gut recherchierten Rückblickes auf die Entwicklung des Landes seit dem Beitritt zum Euroraum« bietet.

Summer Factory

Das Institut Solidarische Moderne will auf der diesjährigen Summer Factory vom 28. bis 30. September gegensätzliche Positionen zum Thema »Solidarisches EUropa« miteinander in einen Dialog bringen. Es sollen – unter Berücksichtigung der Crossover-Methode – für zehn Fragestellungen gegenhegemoniale Antworten entwickelt werden, die Gemeinsamkeiten, Differenzen, Alternativen und den Weg dahin aufzeigen. VSA: wird die Ergebnisse der Factory im Frühjahrsprogramm 2013 in einem weiteren Band des Instituts publizieren.

Vor 40 Jahren: Juli 1972

Wie der Spiegel in seiner Ausgabe vom 3. Juli 1972 berichtet, befindet sich Griechenland schon damals im Fokus der Öffentlichkeit: »Griechenland erlebt den größten Touristen-Boom seiner Geschichte«. Die Schatten der Militärdiktatur scheinen viele UrlauberInnen nicht zu stören.

Im »Spiegel« vom 17. Juli wiederum beschwört Bildungsforscher Georg Picht einmal mehr den drohenden »Kollaps an den Universitäten«. Bemerkenswert sein Befund: »Es ist einfach grotesk, dass man in einer Zeit, da der größte Teil der Welt marxistisch orientiert ist, an den westdeutschen Universitäten kaum Gelegenheit hat, Marxismus qualifiziert und auf entsprechendem theoretischem Niveau zu lernen.« Auch um das zu ändern, bringt das VSA: Team den ersten Band der »archiv-drucke« mit Originaltexten von Marx und Engels endlich zu Ende. Nachdem unentwegt getippt und das Layout mit Fixogum zusammengeklebt wurde, ist der Rest nicht minder aufregend ...

Mehr zum »Rest« und aus dem Juli 1972 gibt es hier.

Soeben erschienen

Gine Elsner / Gerhard Stuby
Wehrmachtsmedizin & Militärjustiz
Sachverständige im Zweiten Weltkrieg: Beratende Ärzte und Gutachter für Kriegsgerichte der Wehrmacht
200 Seiten | EUR 16.80
ISBN 978-3-89965-517-9

Marianne Giesert (Hrsg.)
Sucht im Betrieb
Von der Suchtprävention zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement
224 Seiten | EUR 12.80
ISBN 978-3-89965-497-4 

Theodor Bergmann
Strukturprobleme der kommunistischen Bewegung
Irrwege – Kritik – Erneuerung
280 Seiten | EUR 19.80
ISBN 978-3-89965-492-9 

Anfang Juli erscheinen:

Manuel Castells
Kampf in den Städten
Gesellschaftliche Widersprüche und politische Macht
Mit einem Vorwort von Andrej Holm
128 Seiten | VSA: Reprint | EUR 12.80
ISBN 978-3-89965-509-4

Christian Felber / Markus Henn / Stephan Lindner
Financial Crimes
Wie Banken funktionieren, spekulieren und welche Alternativen nötig sind!
AttacBasisTexte 38
96 Seiten | EUR 7.00 | sFr 10.50
ISBN 978-3-89965-454-7

Außerdem neu:

prager frühling Nr. 13
Schwerpunkte: »Deutsche Euros rollen wieder« und »Am Zaun rütteln«.
Mehr Infos: www.prager-fruehling-magazin.de

LUXEMBURG 2/2012
Schwerpunkte: Europa Links | Neue Streiks | Class & Care.
Mehr Infos: www.zeitschrift-luxemburg.de

Sozialismus 7/8-2012
Themen u.a.: Neue Niederlage für Schwarz-Gelb, Voten in Europa, Neuer Aufbruch für DIE LINKE?, Militär- und Währungsallianzen ...
Mehr Infos: www.sozialismus.de

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