Liebe Leser*innen und Freund*innen des Verlages,

am 1. September ist Antikriegstag. Auch ein halbes Jahr nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine sprechen sich nur Wenige in der Politik (und erst recht in den Leitmedien) für eine diplomatische Lösung des Krieges aus. Zu den Wenigen, die allerdings mehr werden, gehören mehrere SPD-Abgeordnete aus dem Bundestag, aus dem Europaparlament und aus den Bundesländern, außerdem u.a. der frühere Bremer Regierungschef und VSA: Mitherausgeber Carsten Sieling oder der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal.

In dem Aufruf »Die Waffen müssen schweigen!«, der – um es vorsichtig ausdrücken – die sozialdemokratische Parteiführung nicht gerade erfreut, und dessen Initiatoren in den Medien gleich mit dem Verdikt »Putin-Versteher« versehen wurden, heißt es unter anderem: »Dieser Krieg wird keine militärischen Sieger kennen. Eine Fortsetzung des Kriegs wird nur noch mehr Tote und Zerstörung zur Folge haben. Wir brauchen einen schnellstmöglichen Waffenstillstand als Ausgangspunkt für umfassende Friedensverhandlungen.« Und er endet mit den Sätzen »Jetzt muss die Diplomatie die Initiative ergreifen. Die Waffen müssen schweigen! Wir rufen zu zivilgesellschaftlichen Aktivitäten auf, um dem Frieden eine Chance zu geben. Der Antikriegstag am 1. September mit den Kundgebungen des DGBs und der Friedensbewegung ist dazu eine gute Möglichkeit. Willy Brandt hatte Recht: Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.«


Peter Brandt, einer der Mitunterzeichner des Aufrufs, hatte bereits durch die von ihm mitverantwortete Flugschrift »Neubeginn. Aufbegehren gegen Krise und Krieg« signalisiert, dass eine »Zeitenwende« mit Aufrüstung, Bruch der Entspannungspolitik, Eskalation und Verlängerung des Krieges nur in eine Sackgasse führt.

Das VSA: Team sieht das ähnlich, bereitet für das Herbstprogramm mehrere Titel zum Thema vor und grüßt zum Antikriegstag.

Aktuelles

Alphabetisierungen

Am 8. September ist der Weltalphabetisierungstag, an dem jährlich an die Problematik erinnert werden soll, dass weltweit rund 860 Millionen Erwachsene nicht richtig lesen und schreiben können. Für Deutschland werden 6,2 Millionen Menschen gezählt, die allenfalls einfache Sätze lesen und schreiben können. Wir vermuten, dass das weltweit und auch in der Berliner Republik sozial höchst ungleich verteilt ist. Da steht die Bildungspolitik noch immer vor gewaltigen Herausforderungen. Auch in Sachen politischer Alphabetisierung besteht Handlungsbedarf, zumal in Zeiten globaler Unordnung. Dem haben wir uns gestellt mit dem von Claudia von Braunmühl, Heide Gerstenberger, Ralf Ptak und Christa Wichterich herausgegebenen »ABC der globalen (Un)Ordnung«, erschienen in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, der taz und dem Wissenschaftlichem Beirat von Attac. Von »Anthropozän« bis »Zivilgesellschaft« haben insgesamt 113 ausgewiesene Autor*innen in 126 doppelseitigen und mit weiterführenden Lektürehinweisen versehenen Stichworten versucht, die Lage der Welt verständlich darzustellen und kritisch zu bewerten.

Erfolgreiche Krankenhausbewegung

Im Rahmen einer außergewöhnlichen Kampagne erstreikte die Berliner Krankenhausbewegung 2021 bessere Arbeits- und Tarifbedingungen in mehreren Kliniken und damit zugleich eine bessere Versorgung der Patient*innen. Es begann mit einer Petition, die von 8.397 Beschäftigten von Charité, Vivantes und den Vivantes Töchtern unterschrieben und am 12. Mai 2021 an den Berliner Senat und die Geschäftsführungen übergeben wurde. Nach 30 Tagen Streik an der Charité, 35 Tagen Streik bei Vivantes und 43 Tagen Streik bei den Vivantes Töchtern war der Sieg errungen – Resultat einer beispiellosen gewerkschaftlichen Organisierung von Beschäftigten in Pflege, Funktionsdienst, Hebammen, Therapeut*innen, Reinigungskräften, Gärtner*innen, Transport, Gastronomie, Azubis und mehr – Seite an Seite. Wie und was funktioniert hat, welche Konflikte es gab und vieles andere mehr beschreiben in dem von Silvia Habekost, Dana Lützkendorf, Sabine Plischek-Jandke und Marie-Luise Sklenar herausgegebenen WIDERSTÄNDIG-Band Gebraucht, beklatscht – aber bestimmt nicht weiter so! eben jene in Pandemiezeiten gern Beklatschte selbst, denn sie haben Geschichte gemacht.

Kampf um Gleichstellung

Die Frauenbewegung hat maßgeblich zu der Einsicht beigetragen, dass Verbesserungen für Frauen in Richtung Gleichstellung nur mit strukturellen Maßnahmen möglich sind. Dazu ist eine Politik notwendig, die insgesamt auf eine gerechte Verteilung von Arbeit, Macht, Geld und Zeit setzt. Globales Denken und gemeinsames Handeln werden immer wichtiger – nicht nur für Gleichberechtigung in Deutschland und weltweit, sondern auch für soziale Gerechtigkeit, für eine intakte Umwelt und für eine friedliche Welt. Christine Morgenstern hat ein Vierteljahrhundert in diesem Bereich gearbeitet, reichlich Erfahrungen mit Desinteresse und Ignoranz gemacht, mit Missverständnissen und mit den berühmten Mühen der Ebene – aber auch mit großem Engagement, mit innovativen Ideen und spannenden Debatten. Ihr Fazit lautet: Es ist sehr viel erreicht worden, aber es bleibt noch viel zu tun, bis Gleichstellung ganz selbstverständlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen und für Frauen und Männern tatsächlich erreicht sein wird.

Solidarität mit Walden Bello

Der philippinische Globalisierungskritiker und VSA: Autor Walden Bello (sein 2005 erschienenes und vergriffenes Buch »De-Globalisierung« steht komplett als pdf-Datei online), der bei den Wahlen am 9. Mai 2022 für das Amt des Vizepräsidenten kandidierte, war am 8. August in Quenzo City verhaftet worden, was international breite Proteste auslöste. Nach Hinterlegung einer hohen Kaution wurde er bereits am darauffolgenden Tag wieder freigelassen. Seine Verhaftung erfolgte aufgrund einer angeblichen Verleumdung im Internet, gegen die die ehemalige Informationsbeauftragte der Regierung von Davao City, Jefry Tupas, unter der damaligen Bürgermeisterin Sara Duterte Klage eingereicht hat. Das Regionalgericht in Davao hat inzwischen Bellos Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stattgegeben und die Anklageerhebung und die Vorverhandlung vom 8. September auf den 27. Oktober verlegt. Sein Anwalt Luke Espiritu sagte gegenüber Reportern, sein Mandant sei entschlossen, seine Unschuld zu beweisen. Wir werden den weiteren Verlauf verfolgen und stehen solidarisch an der Seite des inzwischen 76-jährigen Aktivisten.

Geburtstagsfeier mit Buchvorstellung

1972 entstand die VDJ aus einem Bedürfnis von Juristinnen und Juristen, die das Recht gegen den Strich bürsten und das Feld nicht dem vorherrschenden Typus von rückwärtsgewandten Kolleg*innen überlassen wollten. 50 Jahre nach ihrer Gründung ist der Zeitgeist ein anderer, aber das Bedürfnis nach Jurist*innen, die sich auf das Demokratische im Recht konzentrieren, besteht weiterhin. Die heutige »Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen« hat sich zu ihrem 50. Geburtstag die Buchveröffentlichung »Streit um Recht« gegönnt und feiert ihn am 25. September im Literaturhaus in Frankfurt a.M. zusammen mit allen Kolleg*innen, die weiter für ein anderes Recht streiten wollen – unter dem Motto »besser als gerührt sein, ist: sich rühren« (Bertolt Brecht). Mit dabei unser Kollege Gerd Siebecke, der Glückwünsche überbringen und in die Buchvorstellung einführen wird. Es folgt eine Podiumsdiskussion mit den an dem Band beteiligten Autor*innen Konstanze Plett, Martin Kutscha, Rolf Gössner, Wolfgang Däubler und Lukas Theune.

Arbeit/Zeit. Umkämpfte Beziehungen und umstrittene Deutungen

Auf der zweiten Konferenz der German Labour History Association (GLHA) wird vom 3. bis 5. November im Hamburger Museum der Arbeit über das Verhältnis von Arbeit und Zeit mittels historischer und sozialwissenschaftlicher Perspektiven seit der Neuzeit in verschiedenen Weltregionen diskutiert. Die Aushandlungen und Konflikte um die Ausgestaltung und Regulierung von Erwerbs- wie Reproduktionsarbeit wie auch um Lohnstandards oder Arbeitsgestaltungsfragen sind dabei keine singulären Konflikte, sondern finden vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und historisch entstandener Zeitregime statt. Die Refernet*innen (u.a. VSA: Mitherausgeberin Anne Lisa Carstensen und andere VSA: Autor*innen) arbeiten sich u.a. an folgenden Fragen ab: Wie gestalteten sich Zeitpraktiken im Spannungsfeld von Lohnarbeit, Reproduktionsarbeit und Freizeit – und wie veränderten sie sich im Zeitverlauf? Wer profitierte von der zunehmenden Regulierung von Arbeit und Zeit? Wer zählte zu den Verlierer*innen, und welche Konflikte um Zeit entzünde(te)n sich in Betrieben, Haushalten und auf gesellschaftlicher Ebene? Das vorläufige Programm gibt es hier.

Gesellschaftliche Verhältnisse psychoanalytisch deuten

Mit dem Untergang der Sowjetunion schien der Konflikt zwischen Kommunismus und Kapitalismus zugunsten des letzteren entschieden. Aber Kommunismus ist kein einmaliges geschichtliches Ereignis, seine Wurzeln reichen über das 19. Jahrhundert weit zurück. Bereits in der Antike gab es bei Platon und Sokrates kommunistische Vorstellungen. So ist auch in Zukunft zu erwarten, dass Gemeinschaften, Gesellschaften, Traditionen und Gesetzgebungen das Gemeinsame – communis – über das Einzelne stellen. Kommunismus ist also zugleich eine zukunftsoffene Konzeption, die immer in Absetzung zu kapitalistischen Strukturen zu betrachten ist. Wolfgang Harsch unternimmt in seinem Buch Kindheit, Kommunismus, Kapitalismus den Versuch, die historische Entwicklung kommunistischer bzw. kapitalistischer Ziele und Gesellschaften in Verbindung mit den individuellen und gesellschaftlichen frühkindlichen Entwicklungsbedingungen zu deuten, und greift dabei auf seine Erfahrung als Psychoanalytiker zurück.

Neue Bücher

Der Krieg und die Pandemie haben immer noch Rückwirkungen auf die Liefertermine – anhaltende Lieferkettenprobleme beim Inhaltspapier und Umschlagmaterial führen weiterhin zu Verzögerungen.

Im Juli/August sind erscheinen:

Andreas Engelmann/Joachim Kerth-Zelter/Ursula Mende/Cara Röhner/
David-S. Schumann/Lea Welsch (Hrsg.): Streit ums Recht
Rechtspolitische Kämpfe in 50 Jahren
»Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen« (VDJ)
256 Seiten | EUR 19.80 | ISBN 978-3-96488-145-8

Malte Müller/Richard Rohnert/Petra Wolfram (Hrsg.): Jetzt erst Recht!
Spurensuche für eine menschliche Gesellschaft trotz Corona
ZWISCHENRUFE 1 | 72 Seiten | EUR 7.00 | ISBN 978-3-96488-128-1

Malte Müller/Richard Rohnert/Petra Wolfram (Hrsg.): Emanzipatorische Bildungsarbeit
Herausforderungen in unsicheren Zeiten
ZWISCHENRUFE 2 | 72 Seiten | EUR 7.00 | ISBN 978-3-96488-129-8


Im September sollen erscheinen:

Silvia Habekost/Dana Lützkendorf/Sabine Plischek-Jandke/Marie-Luise Sklenar (Hrsg.)
Gebraucht, beklatscht – aber bestimmt nicht weiter so!
Geschichte wird gemacht: Die Berliner Krankenhausbewegung
WIDERSTÄNDIG | 96 Seiten | EUR 10.00 | ISBN 978-3-96488-139-7

Christine Morgenstern: Gleichstellung
Impulse aus der Frauenbewegung und Erfahrungen aus einem Vierteljahrhundert Frauenpolitik
256 Seiten | EUR 19.80 | ISBN 978-3-96488-161-8

Mario Keßler: Sozialisten gegen Antisemitismus
Zur Judenfeindschaft und ihrer Bekämpfung (1844-1939)
368 Seiten | EUR 26.80 | ISBN 978-3-96488-144-1

Marianne Giesert/Tobias Reuter/Anja Liebrich (Hrsg.):
Mit psychischer Beeinträchtigung umgehen (anstatt sie zu umgehen)
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
240 Seiten | EUR 19.80 | ISBN 978-3-96488-141-0

Meng Jie/Jan Turowski (Hrsg.): Immer noch tastend den Fluss überqueren
Chinas marktsozialistisches Modell verstehen
Linker ChinaDiskurs 2 | Eine Publikation des Beijing-Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung
224 Seiten | EUR 16.80 | ISBN 978-3-96488-118-2

René Senenko: »Mit revolutionären Grüßen«
Postkarten der Hamburger Arbeiterbewegung 1900–1945 für eine Welt ohne Ausbeutung, Faschismus und Krieg
288 Seiten | Hardcover | Farbe | EUR 24.80 | ISBN 978-3-96488-108-3

Wolfgang Harsch: Kindheit, Kapitalismus, Kommunismus
Die gesellschaftlichen Verhältnisse psychoanalytisch gedeutet
144 Seiten | EUR 14.80 | ISBN 978-3-96488-156-4

Das geplante VSA: Herbstprogramm 2022 ist vollständig online!

Termin-Tipps

Von Verzweiflung und der Sehnsucht nach Freiheit
1. September 2022 | Hannover | 18:00 Uhr | ZeitZentrum Zivilcourage,
Theodor-Lessing-Platz 1a
Vorstellung des gleichnamigen VSA: Buchs von René Baumer, Bericht und Zeichnungen eines Überlebenden der Konzentrationslager Neuengamme, Stöcken und Bergen-Belsen. Für dieses Buch hatte sich unsere im Januar 2022 verstorbene Kollegin Marion Fisch besonders engagiert und es selbst aus dem Französischen übersetzt.

Im Gedenken an den Todesmarsch Hamburg–Kiel 1945
2. September 2022 | Mühbrook (Kreis Rendsburg-Eckernförde) | 19:00 Uhr
Einweihung einer Gedenktafel für Georgi Makarow und Christan Berg, die dort ermordert wurden.
4. September 2022 | Gedenkort AEL Nordmark, Kiel-Russee | 10:30 Uhr
Gedenkfeier mit Nachkommen der Verfolgten des Todesmarsches.  Details zu beiden Veranstaltungen in diesem Flyer, Informationen über den Todesmarsch in dem VSA: Buch »Mein Schicksal ist nur eins von Abertausenden«.

40 Jahre MASCH Hamburg
10. September 2022 | Hamburg | 15:00 Uhr | Restaurant Haus Drei, Hospitalstr. 107
Seit ihrer Gründung steht die Marxistische Arbeiterschulung Hamburg (MASCH) für kritische Auseinandersetzungen mit der Politik und Kultur in der Bundesrepublik. Nach wie vor werden deshalb Marx-Lesekurse und einige Veranstaltungen zu aktuellen Themen pro Semester angeboten. Trotz des Versuchs, durch den Entzug der Gemeinnützigkeit die Arbeit zu behindern, gegen den gerichtlich vorgegangen wird, soll diese fortgesetzt werden. Mitglieder, (ehemalige) Teilnehmende und Vortragende, der Freundeskreis und kooperierende Organisationen sind eingeladen, das 40-jährige Ereignis mitzufeiern. Nach einem kurzen Vortrag gibt es die Möglichkeit zum regen Austausch. Anmeldung erorderlich bis zum 1.9.2022 bei verein@masch-hamburg.de.

50 Jahre Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ)
24. September 2022 | Frankfurt a.M. | Literaturhaus, Schöne Aussicht 2
Geburtstagsfeier mit Buchvorstellung. Die Anmeldefrist wegen begrenzter Raumkapazitäten ist bereits verstrichen, möglicherweise gibt es unter anmeldung@vdj.de noch Plätze.

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