Liebe Leser:innen und Freund:innen des Verlages,

etwas später als sonst stellen wir hiermit das diesjährige Herbstprogramm vor. Wir führen die Debatten über Sozialismus im 21. Jahrhundert – unter anderem mit dem neuen Buch von Frank Deppe – fort und versuchen weiter, die Rätsel Chinas mit Originalbeiträgen von Politökonom:innen und Sozialwissenschaftler:innen aus der Volksrepublik zu verstehen. Der Band von Micha Brumlik Postkolonialer Antisemitismus? hat bereits kurz nach Erscheinen breite Aufmerksamkeit gefunden. Das Thema Klimawandel greifen wir mit Studien zum erforderlichen »Spurwechsel« in den Mobilitätsindustrien sowie einer Flugschrift zur »Macht in weltweiten Lieferketten« auf. Auch wenn linkes Regieren am Ende des Superwahljahrs nicht absehbar ist, werden bisherige Erfahrungen analysiert und ausgewertet. Und natürlich geht es auch um Schlussfolgerungen aus der Pandemie: in dem vom ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke mit herausgegeben Band »Renaissance des Gemeinwohls?« und in Gine Elsners Geschichte der Gesundheitsämter. Ganz besonders freuen wir uns, dass die IG Metall Bildungsstätte Sprockhövel die anlässlich ihres 50. Jubiläums entstandenen vier Bände ZWISCHENRUFE mit uns realisiert. Weitere Texte zu gewerkschaftlichen Aktivitäten (Organizing, dem »Prinzip Amazon«, Geschichte der IG Metall in Hannover und von NNG-Streiks) sowie Publikationen zur Hamburger Lokalgeschichte runden das Herbstprogramm ab. Viel Vergnügen damit!

Aktuelles

Rückbesinnung auf friedliche Koexistenz?

»Deutschland schickt Kriegsschiff ›Bayern‹ in den Indopazifik«, meldete die Tagesschau am 2.8.2021: »Laut Außenminister Maas soll es die Einhaltung des Völkerrechts sichern. Adressat der Botschaft dürfte China sein.« Die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht in dieser Fahrt ein »Zeichen für Stabilität, Wohlstand und eine regelbasierte, multilaterale Ordnung«, denn im Indopazifik gehe es um »unsere Werte und Interessen«, ließ sie über Twitter verbreiten, bevor das Kriegsschiff mit mehr als 200 Soldaten an Bord am Marine-Stützpunkt in Wilhelmshaven ablegte. Neue Provokationen gegen China von Taiwan aus und im Südchinesischen Meer brauchen wir jedoch nicht. Denn damit kommen wir wieder einem Atomkrieg näher, macht Erhard Crome in seinem neuen Buch Ungeliebte Alternative deutlich. Nötig ist nicht eine weiter verstärkte Druckpolitik gegen China und Russland, sondern eine konsequente Politik des Friedens und der Entspannung. Das bedeutet eine Rückkehr zur friedlichen Koexistenz, wie die Welt sie in den 1970er und 1980er Jahren kannte. Der Autor befragt die damaligen Analysen, Konzepte und Strategien neu, um diese Erfahrungen des 20. Jahrhunderts für eine zeitgemäße Friedenspolitik fruchtbar zu machen.

China besser verstehen

Statt Provokationen gegen die Volksrepublik China und Spekulationen darüber, in welche Richtung sich die chinesische Gesellschaft entwickelt, brauchen wir Informationen und Analysen. Und wir sollten Autorinnen und Autoren von dort selbst zu Wort kommen lassen. Das hat das Beijing-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem ersten Band der LinkenChinaDiskurse organisiert. In dem von Yang Ping und Jan Turowski herausgegeben Text Sozialismusdebatte chinesischer Prägung diskutieren Li Tuo, Wang Jian, Wang Hui, Long Way Foundation, Fang Ning, Zhang Qian, Qiang Shigong, Cao Jinqing, Han Shigong, Qu Wangwen und Huang Jisu zentrale Orientierungspunkte der innerchinesischen Diskussion. Sie erschienen in der Beijing Cultural Review (文化縱橫), einer Zweimonatszeitschrift für Geistes- und Sozialwissenschaften, die als eines der wichtigsten Organe und ein Forum kritischer Orientierung gilt.

Macht gemeinsame Sache!

 

»Weil wir in dieser Welt neben der massiven Einkommensungleichheit auch mit ausufernder sexueller und ethnischer Diskriminierung und dem Beginn einer dramatischen Klimakrise konfrontiert sind, streite ich in diesem Buch für die Gewerkschaften.« Das schreibt die bekannte US-amerikanischen Organizerin Jane McAlevey in der Einleitung zu ihrem neuen Buch, das gemeinsam von Stefanie Holtz (Bundesjugendsekretärin der IG Metall und Leiterin des Ressort Junge IG Metall und Studierende) und Florian Wilde (Referent für Gewerkschaftliche Erneuerung und internationale Gewerkschaftspolitik in der Rosa-Luxemburg-Stiftung) herausgegeben wird. Sie notieren in ihrem Vorwort: »Wir sind der festen Überzeugung, dass die Ansätze von Jane McAlevey dazu beitragen können, die Organisationsmacht deutscher Gewerkschaften zu stärken. Mit dem Buch und wollen wir zum Nachdenken anregen, zur Diskussion und zum Handeln einladen: Macht gemeinsame Sache! Vor Ort, in den Betrieben und den ­Hochschulen — es gibt genug zu tun!«

(Nicht)Regieren ist auch keine Lösung

Der Spitzenkandidat der Linkspartei, Dietmar Bartsch, will nach der Bundestagswahl mitregieren. Das hat er im Sommerinterview in der ARD am 1.8.2021 mitgeteilt: »Wir wollen regieren«, denn DIE LINKE werde gebraucht. Dabei sind die Umfragewerte der Partei momentan eher bescheiden bis enttäuschend. Und auch die Frage, ob Sozialist:innen sich überhaupt an einer Regierung im bürgerlichen Staat beteiligen sollen, ist in der Partei umstritten. Seit mehr als 100 Jahren führte diese Frage immer wieder zu Kontroversen in der Linken. Und tatsächlich: Anfänglich mit Euphorie und viel Hoffnung begleitete linke Regierungsprojekte verkehrten allzu oft ihre ursprünglichen Ziele ins Gegenteil. Aber auch eine ausschließlich auf außerstaatliche Bewegung setzende Politik kann nicht für sich beanspruchen, erfolgreicher zu sein. Harald Wolf, selbst viele Jahre in Berlin als Senator am Regierungshandeln beteiligt und heute Bundesschatzmeister der LINKEN, blickt in seinem neuen Buch zurück auf historische Debatten und reflektiert aktuelle Erfahrungen mit linken Regierungsbeteiligungen, selbst wenn sie aktuell eher unrealistisch sind.

Gegen das »Prinzip Amazon«

Am 20. Juli kam es erneut in den beiden Amazon-Versandzentren (FRA1 und FRA3) in Bad Hersfeld zu Streiks für bessere Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaft ver.di hatte die Beschäftigten zum Arbeitskampf aufgerufen, der in der Frühschicht begann und bis zum Ende der Nachtschicht am frühen Mittwoch morgen andauerte. ver.di forderte, dass Amazon die Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel anerkennt, sowie einen Tarifvertrag »Gute und gesunde Arbeit« abschließt. Das Unternehmen hielt dagegen: »Amazon bietet bereits exzellente Bezahlung, exzellente Zusatzleistungen und exzellente Karrierechancen – und das alles in einer sicheren, modernen Arbeitsumgebung.« Was wiederum davon zu halten ist, kann in dem Buch von Sabrina Apicella Das Prinzip Amazon nachgelesen werden, das demnächst aus der Druckerei bei uns eintrifft. Wer so lange nicht warten will, höre schon mal in die Folge des Dissens-Podcasts #132 Das System Amazon rein, in dem die VSA: Autorin mit Thomas Rigol, langjähriger ver.di-Aktivist und Betriebsratsvorsitzender im Leipziger Warenlager von Amazon, darüber spricht, warum die Streiks der Picker und Packer uns alle angehen.

Presseschau

Auf kritisch-lesen.de schreibt Moritz Busse unter der Überschrift »Lichter in der Dunkelheit« über das von Dario Azzellini herausgebene Buch Mehr als nur Arbeitskampf: »Der Sammelband deckt eine immense Bandbreite globaler Arbeitskämpfe ab. Die Stärke des Buches liegt darin, aufzuzeigen, wie arbeiter:innenfeindlich autoritäre Regime ausgerichtet sind und wie sehr ihre Stabilität einer konformen und gehorsamen Arbeiter:innenschaft bedarf. In den Beiträgen zu Japan, Frankreich oder Deutschland wird allenfalls angedeutet, dass auch liberalkapitalistische Systeme nicht an einer an demokratischen Praktiken im Arbeitsleben orientierten organisierten Arbeiter:innenschaft interessiert sind. Dem Sammelband gelingt allerdings, was viele Bücher, die sich an den Verwüstungen von Klassengegensätzen abarbeiten, versäumen: Die Darstellung von Arbeiter:innen nicht ausschließlich als passive Opfer und Ausgebeutete, die es zu repräsentieren gilt, sondern als kämpfende Subjekte, die sich aller Widerstände zum Trotz gegen die Verhältnisse im Kollektiv organisieren und für ihre Rechte und Interessen einstehen. Diese Kämpfe geben Hoffnung. Es sind Lichter in der Dunkelheit

Neue Bücher

Im Juli sind erschienen:

Reinhold Niemerg/Maria Cerull/Susanne Mohrig/Silvia Dulisch (Hrsg.): Das Ende der Angst
Charité Berlin: »Outgesourcte« Therapeut:innen erstreiten ihre Rückführung
Reihe WIDERSTÄNDIG
96 Seiten | EUR 9.00 | ISBN 978-3-96488-050-5

Gine Elsner: Augustes Töchter
Auf den Spuren engagierter Frauen
464 Seiten | Hardcover | Abbildungen | EUR 32.80 | ISBN 978-3-96488-040-6

Stephan Krüger: Weltmarkt und Weltwirtschaft
Internationale Arbeitsteilung, Entwicklung und Unterentwicklung, Hegemonialverhältnisse und zukünftiger Epochenwechsel
Kritik der Politischen Ökonomie und Kapitalismusanalyse, Band 6
600 Seiten | EUR 34.80 | ISBN 978-3-96488-021-5


Im August sollen erscheinen:

Jane McAlevey: Macht. Gemeinsame Sache.
Gewerkschaften, Organizing und der Kampf um die Demokratie
Herausgegeben von Stefanie Holtz (IG Metall Jugend) und Florian Wilde (Rosa-Luxemburg-Stiftung)
Aus dem Amerikanischen von Jan-Peter Herrmann
216 Seiten | EUR 14.80 | ISBN 978-3-96488-115-1

Sabrina Apicella: Das Prinzip Amazon
Über den Wandel der Verkaufsarbeit und Streiks im transnationalen Versandhandel
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung
248 Seiten | EUR 16.80 | ISBN 978-3-96488-098-7

Cornelia Hildebrandt/Danai Koltsida/Amieke Bouma (Hrsg.)
Left Diversity zwischen Tradition und Zukunft
Linke Parteienprojekte in Europa und ihre Potenziale
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung
400 Seiten | EUR 19.80 | ISBN 978-3-96488-079-6

Harald Wolf: (Nicht)Regieren ist auch keine Lösung
Chancen, Risiken und Nebenwirkungen, wenn Linke sich beteiligen
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung
200 Seiten | EUR 14.80 ISBN 978-3-96488-095-6

Erhard Crome: Die ungeliebte Alternative
Rückbesinnung auf friedliche Koexistenz für eine zeitgemäße internationale Politik
168 Seiten | EUR 14.80 | ISBN 978-3-96488-111-3

Tipps & Infos

Tipps zum Hingehen, Sehen, Zuhören, Diskutieren
(bitte jeweils kurzfristig prüfen, ob die Live-Veranstaltungen auch zugelassen sind)

150. Geburtstag von Karl Liebknecht
Donnerstag, 12. August 2021 | 18:30-20:30 Uhr | Online
Vortrag und Diskussion in Kooperation mit den Rosa-Luxemburg-Stiftungen Thüringen, Saarland und Sachsen-Anhalt. Mit Klaus Gietinger, Sozialwissenschaftler, Filmemacher und Autor des im Juli im Karl Dietz Verlag Berlin erscheinenden Buches: »Karl Liebknecht oder: Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung!« Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren als mythische Figuren der Arbeiter:innenbewegung in der DDR gleichberechtigt, doch Liebknecht erschien handfest, Luxemburg eher schwierig. Mit den westdeutschen 68ern änderte sich das: Rosa strahlte heller als Karl. Für Klaus Gietinger ist es Zeit, Karl Liebknecht wieder aus der Versenkung zu holen.
Anmeldung per E-Mail notwendig zum Erhalt der Zugangsdaten für die Zoom-Veranstaltung: anmeldung@rls-hamburg.de.

Der Fotograf Max Halberstadt
Bis zum 3. Januar 2022 | Hamburg, Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24
Max Halberstadt, 1882 als Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren, machte sich einen Namen als Porträt- und Kinderfotograf und wurde in den 1920er Jahren zu einem der gefragtesten Porträtisten in Hamburg (u.a. von Sigmund Freud) sowie zum bevorzugten Fotografen für die Großunternehmen Dralle, Reemtsma und Darboven. 1933 kam der Einbruch, 1938 verließ die Familie Halberstadt die Heimat und ging ins Exil nach Südafrika, wo Halberstadt schon 1940 in Johannesburg an den Folgen der zunehmenden Ausgrenzung und Anstrengungen während der Flucht verstarb. Vom Kurator Wilfried Weinke, Literaturwissenschaftler und Publizist, erscheint im Herbst das von ihm bei VSA: herausgegebene Buch über den langjährigen Kurator am Museum für Hamburgische Geschichte, »Verständigung und Toleranz. Das Engagement von Ulrich Bauche für eine aufklärende Erinnerungskultur«. Mehr Infos zur Ausstellung, die derzeit noch mit erforderlicher Terminbuchung zu besichtigen ist: https://shmh.de/de/max-halberstadt.

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