Zukunft des Terrorismus und des Friedens
Menschenrechte – Gewalt – Offene Gesellschaft
124 Seiten | 2002 | EUR 11.70 | sFr 21.20
ISBN 3-87975-850-6 1
Titel nicht lieferbar!
Text ist nicht mehr lieferbar
In diesem Band werden die Hintergründe und Konsequenzen der terroristischen Anschläge vom 11. September in New York und Washington für die internationale Politik wie für die innere Verfassung der »offenen Gesellschaften« ausgeleuchtet.
Der 11. September ist in den Medien vielfältig verarbeitet worden; im Vordergrund standen dabei häufig die Betroffenheit und die Befindlichkeiten der BeobachterInnen. Die gesellschaftlichen Ursachen und Hintergründe dieser Anschläge und vor allem die sich abzeichnenden weitreichenden Konsequenzen für die internationalen Beziehungen wie für die offenen Gesellschaften im Inneren kamen kaum ins Blickfeld.
Die AutorInnen dieses Bandes hingegen haben genau dies zum Thema: Zukunft des Terrorismus und des Krieges. Ihre Beiträge wurden zunächst im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der HWP – Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik vorgetragen, die vom 15.11.2001 bis zum 31.1.2002 unter dem Titel »Der 11. September und die Folgen« stattfand.
Die »Gesellschaft für deutsche Sprache« hat den Begriff »Der 11. September« zum »Wort des Jahres 2001« ernannt. Sie trägt damit der Tatsache Rechnung, dass seit den terroristischen Anschlägen von New York und Washington auch in diesem Land »nichts mehr so ist wie vorher«: Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist die Bundesrepublik Deutschland an einem Krieg außerhalb Europas beteiligt und nimmt – so Bundeskanzler und Außenminister unisono – eine aktive Rolle in der »Weltinnenpolitik« wahr. Zugleich wurden unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus Freiheitsrechte im Inneren in einem Ausmaß eingeschränkt, das vorher nicht als möglich galt.
Die Themen:
Warum das Thema an die HWP – Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik gehört
Die Zukunft des Terrorismus
Terror und Krieg
Zur Zivilisierung der neuen Weltordnung
Zur Verwundbarkeit moderner Gesellschaften und zur Zukunft des Friedens
Islam, Menschenrechte und Gewalt
Innere Sicherheit und offene Gesellschaft
Rezensionen
Der 11. September und die Folgen In dem von der Erich-Fromm-Gesellschaft herausgegebenen Materialienband "Der 11. September 2001 und die Folgen" heißt es über den Band "Zukunft des Terrorismus und des Friedens": "Bei den im Buch wiedergegebenen fünf Beiträgen handelt es sich um Vorträge, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe 'Der 11. September und die Folgen' an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (24.10.2001 bis 31.1.2002) gehalten wurden. Ist Terrorismus ein Instrument der Schwachen? Oder ist er auch ein Instrument von Staatlichkeit? Der Kriminologe und Jurist Sebastian Scheerer zeigt in seinem Beitrag 'Terroristen sind immer die anderen' Definitionsschwierigkeiten des Begriffes 'Terrorismus' auf und geht dabei auch auf Staatsterror ein (s. Nachdruck in diesem Band, S. 227-243). Angesichts der Gegenschläge der USA fragt der Friedensforschung Dieter S. Lutz nach der Verwundbarkeit moderner Gesellschaften und der Möglichkeit eines 'Dialogs der Kulturen'. Im Mittelpunkt des Artikels des Kriminologen Fritz Sack, der schon Ende der 70er-Jahre für das Bundesinnenministerium umfangreiche Analysen zum Terrorismus erarbeitete, steht die Frage, ob die 'offene Gesellschaft' durch die Politik der Inneren Sicherheit gefährdet ist. Der Völkerrechtler Norman Paech geht auf die Frage ein, inwiefern der militärische Angriff auf ein Land die adäquate Reaktion auf den individuellen Terror einer noch nicht identifizierten Tätergruppe sein kann. Er belegt, dass die Militärschläge der USA weder durch das Selbstverteidigungsrecht nach der UN-Charta (Art. 51) noch durch das 'ius in bellum' der Genfer Konvention gedeckt ist und zeigt auf, dass es beim Krieg gegen den Terror nicht um Selbstverteidigung geht, sondern um eine 'imperialistische Neuordnung der Region.' In seinem Beitrag 'Islam, Menschenrechte und Gewalt' kommt der Islamwissenschaftler Udo Steinbach zu dem Fazit, dass die Notwendigkeit eines Dialogs der Kulturen neue Paradigmen der Argumentationsmuster erfordert und nur so die Grundlagen für ein friedliches Nebeneinander entstehen können. Der 'Westen' sollte sich als moderne Erscheinungsform des 'christlichen Abendlandes' verstehen und Religionen und Offenbarungsschriften sollten nur noch insoweit Bedeutung haben, 'als sie ein friedliches Nebeneinander zu stiften geeignet sind.' Unbedingt empfehlenswert!"
Leseprobe 1
Dorothee Bittscheidt
Der 11. September und die Folgen
Unsere Gesellschaft ist offen – für Konflikte und Auseinandersetzungen. Ohne diese Offenheit kann ihre Dynamik nicht auskommen. Das bleibt allerdings nicht ohne soziale Reaktionen – nicht ohne Reaktionen der Starken, nicht ohne Reaktionen der Schwachen. Das macht die offene Gesellschaft verwundbar. Am 11. September 2001 erfuhr dieses Problem seine dramatische Zuspitzung. Reflektieren wir dieses Drama, drängt sich als Quintessenz auf: Gegen die verschiedenen Formen des Terrors werden wir zukünftig nicht gefeit sein. Daher muss dem Frieden eine Zukunft geschaffen werden.
Der Hochschulsenat und die Hochschulleitung der HWP – Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik hatten im September 2001 den Beschluss gefasst, sich mit den Attentaten des 11. September und den bereits kurz danach angekündigten und eingetretenen Konsequenzen als Hochschule in öffentlichen Diskussionen mit wissenschaftlichen Beiträgen von Expertinnen und Experten zu befassen. In einer Vorbereitungsgruppe wurde die Veranstaltungsreihe »Der 11. September und die Folgen« konzipiert, die im Zeitraum vom 24.10.2001 bis zum 31.1.2002 in den Räumen der HWP stattfand. Neben den in diesem Buch dokumentierten Vorträgen wurden vom AStA der HWP weitere Veranstaltungen durchgeführt.
Prof. Dr. Sebastian Scheerer analysiert in seinem Beitrag, was unter Terrorismus heute – in der Politik, in den Medien, in der wissenschaftlichen Analyse – verstanden wird. Er fragt danach, ob es sich beim Terrorismus um ein Instrument solcher Gruppierungen handelt, die im politischen Kräftefeld unterlegen sind. Ist der Terror also ein Instrument der Schwachen? Oder: Ist Terrorismus nicht auch ein Instrument von Staatlichkeit – ein Instrument, das wir zur Politik zählen müssen? Schließlich regt Scheerer die Diskussion darüber an, wie die Zukunft des Terrorismus einzuschätzen ist. Sebastian Scheerer ist Jurist, habilitiert in Soziologie und ein durch zahlreiche Veröffentlichungen ausgewiesener Kriminologe. Er ist heute Direktor des Instituts für Kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg.
Schon kurz nach dem 11. September kündigte der Präsident der USA an, die Anstifter, Helfer und Helfershelfer der Attentäter, wenn nötig, mit Krieg bekämpfen zu wollen. Amerika führt derzeit diesen Krieg gegen Afghanistan. Nicht nur das Verbrechen, die Anschläge in New York und Washington, sondern auch die Dimension staatlichen Strafens hat als Kriegsstrafe eine neue Dimension erhalten. Die NATO hat den Bündnisfall erklärt, und auch Deutschland ist mit »im Krieg«. Der Direktor des Instituts für Friedenforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, Prof. Dr. Dieter S. Lutz, fragt deshalb in seinem Beitrag nach den Möglichkeiten der Sicherung des Friedens heute und nach der Verwundbarkeit moderner Gesellschaften.
Professor Dr. Fritz Sack, ebenso wie Sebastian Scheerer Kriminologe an der Universität Hamburg, hat die Konsequenzen der Ereignisse für die Aufrüstung der inneren Sicherheit zum Thema gemacht. Wir wissen um die Gefahr, dass mit dem Argument, es sei heute absolut notwendig, die innere Sicherheit zu erhöhen, bestehende Konflikte zum Status von Ausländern, von Asylbewerbern, neu gegen diese thematisiert und entschieden werden können. Gerade diese Thematik betrifft uns als Hochschule, die anderen Hochschulen und die Stadt unmittelbarer als andere Konsequenzen des 11. September, zumal im gleichen Monat, dem September 2001, die Regierung der Stadt und vor allem die Zuständigkeit für ihre innere Sicherheit ein neues Gesicht bekommen hat.
Unser Kollege Prof. Dr. Norman Paech, Hochschullehrer an der HWP, stellt in seinem Beitrag die Analyse von Terror und Krieg, Zivilisierung der neuen Weltordnung, und damit den völkerrechtlichen Aspekt der Konflikte in den Mittelpunkt.
Professor Dr. Udo Steinbach, der Leiter des deutschen Orientinstituts in Hamburg, versucht schließlich in seinem Beitrag weitere Antworten auf die Frage zu finden, in welchem Kontext die Anschläge vom September zu Kultur und Religion des Islam stehen.
Die HWP ist die einzige der Hamburger Hochschulen, die auf die Ereignisse im September und fortlaufend mit einer derartigen Diskussionsreihe reagiert hat. Ich will nicht verhehlen, dass es mir unmittelbare vor Beginn der ersten Vorträgen oft so erschien, dass die Ereignisse des 11. September und der Wochen danach für eine Thematisierung im Hörsaal der HWP zu monströs seien. Aber wo denn eigentlich sonst, wenn nicht in der Universität für Wirtschaft und Politik, musste es gelingen, mit Hilfe von wissenschaftlicher Kompetenz, kritischer Vernunft und politischem Engagement ein wenig mehr Orientierung in diesen Ereignissen zu finden und weitergeben zu können.
Allerdings, die HWP ist nicht der Ort heiliger oder unheiliger Kriege, und unsere Beschäftigung mit dieser Thematik sollte nicht Gelegenheit sein, die auch bestehende Meinungsvielfalt durch Polarisierung und Agitation zu überwältigen. Die Übung darin, auch abweichende Meinungen nicht nur gelten zu lassen, sondern sich damit auseinander zu setzen, war ein wichtiges Ergebnis unserer Diskussion für inneruniversitäre Verständigung.[1]
Es gab noch einen weiteren wichtigen Grund, sich mit den Ereignissen auf diese Weise als Hochschule auseinander zu setzen. Die HWP hat auch in ihrer Internationalisierung ein besonderes Profil ausgeprägt. Unter den jetzt 20% Studierenden mit ausländischem Pass sind Studierende aus benachteiligten Herkunftsländern und Studierende, deren Familien aus verfolgten Minderheiten in diesen Ländern kommen, an der HWP besonders zahlreich vertreten. Mit ihrem kulturellen und persönlichen Erfahrungshintergrund repräsentieren diese ausländischen Studierenden in der HWP auch die Aufforderung an uns, die Ungleichheit im globalen Kontext zum Thema der Auseinandersetzung im Studium zu machen. Gerade weil die HWP zu diesem Thema eine starke Tradition in Lehre und Forschung hat, brauchen wir darüber hinaus jetzt offene Augen und Ohren für die Fragen und die Probleme der ausländischen Studierenden. Wir müssen ihr Rückhalt in der Stadt sein.
[1] Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Beitrag von Matthias Küntzel – der seine konträre Position im Anschluss an Norman Paechs Vortrag dargestellt hat – nicht fertiggestellt werden konnte.
Inhalt:
Dorothee Bittscheidt
Der 11. September und die Folgen
Sebastian ScheererTerroristen sind immer die anderen1. Das Definitionsproblem2. Ziele und Akteure3. Staatsterrorismus4. Revoltierender Terrorismus5. Wie neu ist der Terrorismus?6. ZukunftsaussichtenLiteratur
Dieter S. Lutz
Zur Verwundbarkeit moderner Gesellschaften und zur Zukunft des Friedens
1. Prolog: Anmerkungen zur Krisenprävention
2. Zur Verwundbarkeit hochentwickelter Gesellschaften
3. Vergessene Einsichten, verdrängte Lehren
4. Vom Zusammenbruch der Zivilisation
5. Stehen wir am Vorabend von Destruktion und Vernichtung?
6. Also Krieg? Und Diktatur?
7. Solidarität ohne Notwehr- und Beistandsexzess
8. Von der Kultur des Dialogs zum Dialog der Kulturen
9. Epilog: Plädoyer für Katastrophenschutz und Katastrophennachsorge
Fritz Sack
Innere Sicherheit und offene Gesellschaft
Vorbemerkung
1. Die Permanenz und Kontinuität Innerer Aufrüstung
2. Ist die »offene Gesellschaft« durch die Politik der Inneren Sicherheit gefährdet?
3. Einige abschließende und weiterführende Bemerkungen
Norman Paech
Terror und Krieg – Zur Zivilisierung der neuen Weltordnung
1. Zur Rechtfertigung des Krieges
2. Die Position des UN-Sicherheitsrats
3. Das Selbstverteidigungsrecht
4. Exzess und ius in bello
5. Ende des Völkerrechts?
Udo Steinbach
Islam, Menschenrechte und Gewalt
1. Religiöser und gesellschaftlicher Raum im Islam
2. Die Herausforderung des Westens
3. Gewalt und Identitätsverlust
4. Menschenrechte angesichts doppelter Standards
5. Selbstkritik und der »Dialog der Kulturen«
6. Der Frieden als Aufgabe der Religionen
Autorenreferenz
Dorothee Bittscheidt ist Präsidentin der HWP – Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Dieter S. Lutz ist Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Norman Paech ist Professor für öffentliches Recht an der HWP – Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Fritz Sack ist Kriminologe an der Universität Hamburg. Sebastian Scheerer ist Kriminologe an der Universität Hamburg. Udo Steinbach ist Islamwissenschaftler, Leiter des deutschen Orientinstituts in Hamburg.