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Karl-Heinz Mihr

Solidarität gegen Globalisierung

Erfahrungen eines Betriebsratsvorsitzenden
Mit einem Vorwort von Klaus Zwickel

176 Seiten | 2001 | EUR 10.20 | sFr 18.50
ISBN 3-87975-839-5 1

Titel nicht lieferbar!

 

Die unter dem Begriff der »Globalisierung« entstandene weltweite, vor allem aber in Europa konzentrierte wirtschaftliche Macht erfordert dringlich eine Neubelebung der Diskussion um die Ausweitung der Mitbestimmung über die nationalen Grenzen hinaus.

Karl-Heinz Mihr, langjähriger Betriebsratsvorsitzender des VW-Werkes in Baunatal bei Kassel, unterstreicht diese Forderung im Lichte seines langjährigen Engagements als Gewerkschafter und Abgeordneter des Europäischen Parlaments.

Er und seine Mitstreiter beließen es nicht bei theoretischen Vorträgen, sondern suchten den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen an allen VW-Standorten dieser Welt. Sie hatten begriffen: Entscheidungen auf Konzernebene haben ihre Auswirkungen auf die meisten Standorte gleichermaßen, wenn auch häufig erst mit Zeitverzug. Es gilt vor allem, deren Wirkungen auf die Beschäftigten rechtzeitig zu erkennen.

Mihrs Schlussfolgerung ist unmissverständlich: Nur eine europäische und weltweite Zusammenarbeit der Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften kann zukünftig verhindern, dass Entscheidungen im Management ohne Rücksicht auf die Belange der jeweiligen Belegschaften gefällt werden.

Leseprobe 1

Vorwort
von Klaus Zwickel, Vorsitzender der IG Metall Das Abwägen von Chancen und Risiken prägt seit den 90er Jahren ebenso das Verständnis des Schlagwortes »Globalisierung«, wie zuletzt der Vandalismus von Globalisierungsgegnern. Mit den grauenhaften Attentaten fundamentalistischer Selbstmordterroristen vom 11. September 2001, mit ihren Drohungen und Rechtfertigungen, geriet die Globalisierung mit ins Fadenkreuz kritischer Überlegungen. Sind Ungleichheit und Ungerechtigkeit ihr ursächlich anzulasten? Hat sie die Entfaltung des fundamentalistischen Terrors als desperate Antwort auf einen angeblich arroganten Anspruch sogenannter westlicher Lebensformen begünstigt? Nicht nur die Machtbalance zwischen Kapital und Arbeit scheint aus den Fugen zu geraten. Plötzlich verwirbelt sie angeblich auch das Nebeneinander und Miteinander von Kulturen und Zivilisationen, so dass Menschenrechte und Demokratie als universelle Maßstäbe in den Hintergrund zu geraten drohen. Den unabweisbaren sozialen Regelungsbedarf der Weltwirtschaft reklamieren die Gewerkschaften seit Jahren. Es bedurfte nicht fragwürdiger Rechtfertigungsversuche, wie sie im Angesicht des Schreckens ad hoc bemüht werden. Das barbarische Fanal sollte zusätzlich Anlass geben, die Agenda der WTO ausgewogen anzulegen. Den Kampf gegen den Terrorismus würde das stärken. Dramatisierende Vereinfachungen helfen aber selten weiter. Sie verdecken, dass schon seit vielen Jahrzehnten große Unternehmen sich internationalisieren. Sie verdecken ebenso, dass Politik, die vermehrt an nationale Gestaltungsgrenzen stößt, sich seit Jahren weltweit bemüht, um wettbewerbliche, soziale, ökologische und sonstige Mindeststandards durchzusetzen. Sie verdeckt, dass Gewerkschaften und Betriebsräte seit Jahrzehnten nicht nur national, sondern auch europa- und weltweit darum ringen, gestaltend in die unternehmerischen Entscheidungsprozesse einzugreifen. Am Anfang stand häufig die Solidarität mit jungen Gewerkschaften, die von autoritären Regimen unterdrückt wurden. Inzwischen ist man weiter. Arbeitsfähige und zum Teil durch Gesetz und Vertrag abgesicherte Strukturen, wie Euro- und Weltbetriebsräte bahnen sich schrittweise ihren Weg, um der scheinbaren wirtschaftlichen Allmacht demokratisch legitimierte Grenzen zu setzen. Es lohnt sich, diese Wege historisch nachzuzeichnen, nicht nur um sie gegen einen oberflächlichen Ohnmachtglauben zu schützen, sondern um all jene zu ermutigen, die dieses Engagement weiter vorantreiben. Der Betriebsrat der VW AG spielte bei diesen Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte eine herausragende Rolle. Der Verfasser dieses Buches stand dabei immer mit in vorderster Linie. Es bleibt bei Chancen und Risiken aber anders als im geschäftlichen Alltag. Die Risiken sind da, ob man sie will oder nicht. Wer seine Chancen nicht wahrnimmt, versinkt in den sich ausbreitenden Risiken. Frankfurt, den 17. Oktober 2001

Leseprobe 2

Karl-Heinz Mihr
Die sozialen Folgen der »Globalisierung« oder »Internationalisierung« (Einleitung) Die unaufhaltsame Entwicklung vieler deutscher Unternehmen zu »Multinationalen Konzernen« forderte bereits in den 60er Jahren von den deutschen Gewerkschaften eine Verstärkung ihrer internationalen Arbeit. Die Politik der »inneren Reformen und der äußeren Entspannung« unter Bundeskanzler Willy Brandt zu Beginn der 70er Jahre, eingebettet in ein gesamtgesellschaftliches Reformklima, erwies sich für die Forderung der Gewerkschaften zur Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung als ein Glücksfall. Eine Reihe von gewerkschaftlichen Forderungen wurden in jenen Jahren auf den Weg gebracht und in Gesetze gegossen. Die Reform der deutschen Betriebsverfassung von 1972 brachte den Betriebsräten nicht nur mehr Mitbestimmung vor Ort, sondern erstmals Handlungsfähigkeit und Vollmachten detaillierte Informationen über die Gesamtplanung eines Unternehmens zu erzwingen. Und dies so frühzeitig wie möglich, um auf neue Entwicklungen im Interesse der Belegschaften Einfluss zu nehmen. Gewerkschaften und Betriebsräten ging es vor allem um die soziale Kontrolle der unternehmerischen Planungen und Entscheidungen, damit die sozialen und personellen Belange der Arbeitnehmer - zunächst in den deutschen Fabriken, später aber auch an allen anderen Standorten in der Welt - frühzeitig und wirksam berücksichtigt und mit den wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkten abgewogen wurden. Für meine Kollegen und Kolleginnen wie für mich galt: »geschriebenes Recht ist die eine Seite - es mit Leben zu erfüllen, die andere.« Wir waren stets bemüht, das geschriebene Recht mit Leben zu erfüllen. Für uns war »unser« Unternehmen keinesfalls ein Ort, um durch die Beschäftigten einen möglichst hohen Gewinn für die Aktionäre zu erwirtschaften. Die Fabrikhallen und Büros sind immer auch ein sozialer Verbund, in dem die Interessen der Beschäftigten mindestens gleichrangig existieren und daher immer mehrere Zwecke zu verfolgen sind. Die deutsche Mitbestimmung hat bisher den Beweis erbracht, dass sie keinesfalls das sogenannte freie Unternehmertum oder den wirtschaftlichen Erfolg beschnitten hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Eine ganze Reihe heute weltweit agierender großer deutscher Konzerne sind ausreichend Beispiele für die konstruktive Mitwirkung von Belegschaften und deren Interessenvertretungen. Wir hatten sogesehen das Glück, unsere Funktionen gerade in dem Zeitraum des Jahrhunderts auszuüben, in dem erneut wichtige Schritte auf dem Wege der sozialen Sicherung in Deutschland vorangetrieben wurden. Die Gewerkschaften waren nach dem Ende des vor allen von den Deutschen verschuldeten Zweiten Weltkrieg längst wieder in den Kreis der internationalen Gewerkschaftsbewegung aufgenommen worden und beteiligten sich an der Schulungs-und Aufbauarbeit nationaler Gewerkschaften in der dritten Welt. Dabei standen sowohl der Organisationsaufbau wie auch die Fragen der Tarifgestaltung im Mittelpunkt. Eine Anerkennung dieser deutschen Bemühungen war zweifellos die Tatsache, dass im 1977 - nach 64 Jahren - wieder ein Internationaler Metallgewerkschaftskongress in Deutschland, in München, stattfand. Der dort neu gewählte Präsident des Internationalen Metallarbeiterbundes, der Vorsitzende der deutschen IG Metall, Eugen Loderer, umriss unsere Vorstellungen: »Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass die Zukunft der Menschen eine Zukunft des sozialen Fortschritts, der gesellschaftlichen Freiheit und der gewerkschaftlichen Unabhängigkeit in der Welt bleibt«. Diese damalige Zielsetzung sollte sich für die Gewerkschaften als richtungsweisendes Bollwerk im Kampf um geordnete, menschenwürdige Arbeits-und Lebensbedingungen erweisen. Es galt, mit den Möglichkeiten der deutschen Mitbestimmung in den Konzernen eine internationale Zusammenarbeit der Betriebsräte zu organisieren. Aus Gesprächen mit Delegierten der verschiedensten Länder wussten wir, dass für ein solches Unterfangen der persönliche Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen in den Fabriken der inzwischen weltweit agierenden Konzerne nötig war. Diesem Ziel galt unsere Aufmerksamkeit, und wir waren mehr als optimistisch! Die seit 1972 zwingend vom Gesetzgeber vorgeschriebene Bildung von Gesamtbetriebsräten im Rahmen einer erheblich verbesserten Betriebsverfassung hatte den Betriebsräten eine deutliche Stärkung ihres Selbstbewusstseins gebracht. Aber nicht nur nach Innen, gegenüber den Vorständen kam dies zum Ausdruck. Spätestens in der Phase der Entwicklung vieler nationaler Unternehmen zu »Multinationalen« forderten die Betriebsräte den gleichen Informationsstand wie alle anderen Entscheidungsträger in den Konzernen, um bei anstehenden Entscheidungen über internationale Investitionen an den verschiedensten Standorten dieser Welt mitreden zu können. Um dies auch nur annähernd sicherzustellen, verlangte die Arbeitnehmerbank im VW-Aufsichtsrat die gleichen Informations-Möglichkeiten, wie sie den meisten der Vorstandsmitgliedern oder auch den Vertretern der Anteilseigner gewährt werden, die in ihren Funktionen als Banker oder Manager großer Kapitalgesellschaften sowieso viel in der Welt herumkamen und gerade vor wichtigen Investitionsentscheidungen dieses auch nutzten. Wir haben letztendlich durchsetzen können, dass auch Betriebsräte einen internationalen Erfahrungsaustausch organisieren können und haben davon auch reichlich im Interesse unserer Kolleginnen und Kollegen Gebrauch gemacht. Insofern geht es in diesem Buch auch um Reisen, Reisen allerdings, die vorrangig dazu dienten, die internationale Solidarität gegen die aufkommende »Globalisierung« aufzubauen. Die unter dem Begriff »Globalisierung« neu entstandene weltweite, vor allem aber in Europa konzentrierte wirtschaftliche Macht braucht zwingend eine Neubelebung der Diskussion um die Ausweitung der Mitbestimmung über die nationalen Grenzen hinaus. Die von uns mit auf den Weg gebrachten »Europäischen Betriebsräte« waren ein zeitgemäßer Schritt. Jetzt müssen weitere folgen! Zum Beispiel neue europaweite Gewerkschaften, sie sind längst überfällig.

Leseprobe 3



Inhalt:

Vorwort
von Klaus Zwickel
Die sozialen Folgen der »Globalisierung« oder »Internationalisierung« (Einleitung)
Weltweite Investitionen und ihre Auswirkungen auf die deutschen Standorte
USA – Brasilien – Belgien – Jugoslawien
Der Beginn der Zusammenarbeit mit der neuen VW-Fertigungsstätte (USA 1976)
13 Eindrücke von drastischen Gegensätzen (Brasilien)
Standort-Erkundung in Brüssel (Belgien 1977)
(Ent-)täuschungen in Jugoslawien: Arbeiterselbstverwaltung und Multikultur
»Das japanische Wunder« und ein Blick in eine bisher verschlossene Welt
Japan – China
Rationalisierungspotenziale: Begegnung mit dem japanischen Fabriksystem 1979
Über Hongkong in die Volksrepublik China
»Gefahren für den weltweiten VW-Lieferverbund«
Mexico 1980
Europäischer Binnenmarkt
Spanien
Gewerkschaftliche Entwicklungshilfe
Südafrika – Nigeria – Namibia
1982: Das erste Mal in Südafrika
Zwischenstationen: Frankfurt, Nordfrankreich, München
Desolate Zustände (Nigeria 1983)
Verschärfung der Situation (Südafrika 1984)
Unruhen, Massaker und doch ein wenig Hoffnung (Südafrika 1985)
Überreste deutscher Kolonialgeschichte (Namibia)
Revolutionäre Entwicklungen der Autoindustrie
USA
Keine Produktion mehr in den USA (März 1986)?
Neue Arbeitsorganisation (Oktober 1986)
Ausbau der europäischen Zusammenarbeit
Spanien – Italien
Aufbruchstimmung bei SEAT (Spanien 1986)
Machtverlust der italienischen Gewerkschaften (Turin 1986)
Auswirkungen des Neoliberalismus
Brasilien 1987
Ein neuer Konkurrent am Weltmarkt
Korea – Japan
Noch ein weiter Weg für die Gewerkschaften (Korea 1988)
Ende der Expansion in Sichtweite (Japan 1988)
Europäische Begegnungen
Jugoslawien – Frankreich – Portugal – CSSR
Verfallserscheinungen in Jugoslawien (Sarajevo 1988)
Neue Fertigung, alte Sozialbeziehungen bei Peugeot (Sochaux/Elsass 1988)
Feuerwehr als Imagewerbung (Lixa/Portugal 1989)
Letzte Kontakte vor dem Bürgerkrieg (Jugoslawien 1990)
Hilfe bei der Umstrukturierung bei Skoda (Tschechoslowakei 1991)
Schlanke Produktion in Vollendung
Japan 1991
»Im Interesse der arbeitenden Menschen«
Der Europäische Konzernbetriebsrat (1992)
Gruppenarbeit und Eigenverantwortung
USA Juni 1992
»Globalisierung«, multinationale Konzerne und die Aufgaben der ArbeitnehmerInnenvertretungen

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