Negative Dialektik der Kulturindustrie
344 Seiten | 2003 | EUR 19.80 | sFr 35.00
ISBN 3-89965-000-X 1
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Dieter Prokops Interesse gilt der Erneuerung der Kulturindustrie-Thesen der Frankfurter Schule. Er wirft ihr vor, dass sie ihr eigenes Programm nicht eingelöst hat und entwickelt die Grundzüge einer Negativen Dialektik der Kulturindustrie: Mit Adorno gegen Adorno.
Im September 2003 jährt sich der hundertste Geburtstag von Theodor W. Adorno. Adorno verkörperte den Typus eines "nonkonformistischen Intellektuellen" im Nachkriegsdeutschland. Im Zentrum seiner Arbeiten aus dieser Zeit standen immer wieder die Motive einer Kritik der Kulturindustrie, wie er sie schon in den 40er Jahren im amerikanischen Exil in der »Dialektik der Aufklärung« zusammen mit Max Horkheimer formuliert hatte. Seine Diagnose: eine jeglicher Kreativität enteignete standardisierte Subjektivität.
Dieter Prokop unternimmt den Versuch, die Warensprache der Kulturindustrie unvoreingenommen zu analysieren und wirft der kritischen Theorie der Kulturindustrie vor, dass sie ihr eigenes Programm nicht eingelöst hat. Die wichtigsten Dimensionen einer neuen Kritik der Kulturindustrie sind für ihn gerade nicht in den Veröffentlichungen Horkheimers und Adornos zu finden, die sich explizit mit Kulturindustrie befassen.
Prokop baut auf den entscheidenden Feldern der kritischen Theorie auf: Identisches und Nichtidentisches, Tauschabstraktion und Produktivkräfte, Positivismuskritik und Theorie kritischer Erfahrung. Er will über der Kritik am "Denken in abstrakter Allgemeinheit" die kreativen Kräfte nicht vergessen, die es in der Kulturindustrie gibt, und nicht nur den "Kult des Faktischen" kritisieren. Doch: "Wenn wir die Kulturindustrie-Kritik kritisieren, folgt daraus kein Lob der Kulturindustrie. Unsere Negation der Negation endet nicht im Positiven. Die Negation muss weitergehen. Sie geht weiter, indem man genau beobachtet" – mit Adorno gegen Adorno!
Dieter Prokop ist Professor für kritische Medienforschung am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften – Schwerpunkt Kulturindustrie – der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Der Hamburger VSA-Verlag hat schon Anfang des Jahres einen Band von Dieter Prokop mit dem eher provokanten Titel "Mit Adorno gegen Adorno" vorgelegt. Intention ist eine "negative Dialektik der Kulturindustrie".
Dieter Prokop wirft der kritischen Theorie der Kulturindustrie vor, dass sie ihr eigenes Programm nicht einlöste. Er behauptet, dass die wichtigsten Dimensionen einer neuen Kritik der Kulturindustrie nicht in den Stücken Horkheimers und Adornos zu finden sind, die sich explizit mit Kulturindustrie befassen. In seiner, fast schon frechen, Form der Bewertung anderer Medientheorie gegenüber, erzeugt Prokop eine vergüngliche Lektüre seiner "neuen kritischen Medienforschung".
Unique 06/03
Vorwort
Die heutige Beschäftigung mit den Medien braucht die kritische Theorie Adornos und Horkheimers, weil jene Dimensionen der Analyse und der Kritik entwickelte, die tiefer gehen als heutige "Ansätze", die sich meist um nichts anderes sorgen als um Integration, Anschluss und irrationales Re-Embedding der Menschen. Adornos wichtigste Analysen finden sich allerdings nicht in den Texten, die explizit auf die Kulturindustrie eingehen. Adorno und Horkheimer haben "die Kulturindustrie" abstrakt negiert. Damit haben sie das eigene Programm einer kritischen, negativen Dialektik gegenüber der Kulturindustrie nicht realisiert. Jedoch haben sie außerhalb ihres berühmten Kulturindustrie-Kapitels die entscheidenden theoretischen und realen Spannungsfelder der Kritik entwickelt: Identisches versus Nichtidentisches, Tauschabstraktion versus Produktivkräfte, positivistische versus kritische Erfahrung. In diesem Buch will ich die Kritik an der Kulturindustrie dort weiter fortsetzen, wo sie, als kritische Theorie, besser sein kann.
Ich präsentiere eine Auseinandersetzung, keine "Rekonstruktion". Dieser postmoderne Begriff ist mir zu devot, zu opportunistisch, wir sind keine Untertanen, die ehrfürchtig "große Werke" zu "rekonstruieren" haben. Im Gegenteil, zum Teil unternehme ich Versuche der Zertrümmerung, aber auch das nicht als l’art pour l’art der "Dekonstruktion". Kritische Wissenschaft ist kein "Sprachspiel", sondern reale Opposition. Es geht darum, im Bereich der Kulturindustrie die analytische Schärfe der kritischen Theorie zu finden, die es in den expliziten Schriften über Kulturindustrie nie gab.
Das Buch konzentriert sich auf Adorno und Horkheimer, lässt also Benjamin, Löwenthal und Marcuse weg, weil das Buch nicht der gesamten Kulturtheorie der Frankfurter Schule, ihrem Beitrag zu Kunst und technischer Reproduzierbarkeit, Massenliteratur, Triebstruktur und Kultur, gerecht werden kann.
Mein Projekt befindet sich zwischen den Fronten vieler, die sich mit "Ansätzen" auf dem Wissenschafts-Markt "positionieren"; entweder indem sie wie die Systemtheorie das Funktionale glorifizieren; oder wie die Diskursethik "das Andere" in einem abstrakten politischen Kommunikations-Ideal auflösen und alles Erfreuliche an der Medien-Unterhaltung in der Schublade "Lebenswelt-Pathologien" versauern lassen; oder wie die Postmodernen, Konstruktivismus und Cultural Studies es sich im Relativismus der Vielfalt der Geschmäcker bequem machen, in der Vorstellung, dass heute doch alles möglich, die Vielfalt grenzenlos sei. Es sei doch für jede und jeden etwas dabei, jede und jeder könne sich die Welten konstruieren, die sie und er sich wünscht. Deshalb sei Kritik überflüssig.
All dem gegenüber – dem Sozial-Funktionalismus, dem ethischen Ideal, dem Relativismus und dem naiven Vielfalts-Optimismus – ist keine "Positionierung" notwendig, sondern der Hinweis darauf, dass es objektive Qualitäten der Kulturindustrie gibt, Freiheitsdimensionen, die zu analysieren sind.
Und jenen Kritikern, die davor zurückschrecken, wenn man in der "banalen Kulturindustrie" objektive Qualitäten, ja sogar Freiheiten findet, versichere ich: Wenn wir die Kulturindustrie-Kritik kritisieren, folgt daraus kein Lob der Kulturindustrie. Unsere Negation der Negation endet nicht im Positiven. Die Negation muss weitergehen. Sie geht weiter, indem man genau beobachtet.
Frankfurt, im Januar 2003 D.P.
Vorwort
Präliminarien
Das Wichtige: das Subjekt
Der Gegenstand: die Kulturindustrie
Das Unerlässliche: die Qualitätsfrage
Der falsche Kulturbegriff: "Wertvorstellungen", "Diskurs"
Der Problemkonflikt: die Maßstäbe der Kritik
Das Analyseverfahren: negative Dialektik
Neues dialektisches Modell der Kulturindustrie
Antithesis und Thesis
Freiheitsantinomie und Freiheitsdialektik
Übergreifende Thesis
Teil I.
Antithesis über kulturindustrielle Unfreiheit
Teil II.
Thesis über kulturindustrielle Freiheit
Teil III.
Übergreifende Thesis über die dialektische Vermittlung von kulturindustrieller Freiheit und Unfreiheit