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Dieter Boris / Stefan Schmalz / Anne Tittor (Hrsg.)

Lateinamerika: Verfall neoliberaler Hegemonie?

300 Seiten | 2005 | EUR 22.80 | sFr 40.10
ISBN 3-89965-143-X 1

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Kurztext: Die AutorInnen gehen der Frage nach, ob der mehr oder minder anti-neoliberale Diskurs der neueren Mitte-Links-Regierungen in Lateinamerika den von ihnen durchgeführten politischen Maßnahmen entspricht. Und sie beleuchten die Rolle der sozialen Bewegungen vor Ort.


Nach der Jahrtausendwende zeichnet sich in Lateinamerika ein politischer Richtungswechsel ab. Waren die 1990er Jahre geprägt durch neoliberale Politikansätze in fast allen Staaten, so ist derzeit in vielen Ländern des Subkontinents eine Rehabilitierung staatlicher Regulierung festzustellen. In diesem Buch werden diese Veränderungen auf verschiedenen Ebenen untersucht.

Die AutorInnen versuchen Aufschluss darüber zu geben, welche Möglichkeiten die neuen Regierungen und sozialen Bewegungen in Lateinamerika haben, alternative Wege zu gehen und die negativen Folgen der neoliberalen Dekade der 1990er-Jahre zu mildern. Ebenso werden auch die Grenzen benannt, die durch die bestehenden externen und internen Zwänge gezogen werden, um abschließend zu einer Einschätzung des derzeitigen Wandels in Lateinamerika zu kommen.

Im ersten Hauptteil, der länderübergreifende Beiträge enthält, wird analysiert, wie verschiedene Entwicklungen zum Verfall der neoliberalen Hegemonie beitragen. Danach folgen Länderstudien, die allesamt um die Frage des Zustands neoliberaler Hegemonie zentriert sind. Abschließend analysieren die Herausgeber die Formen der Ausprägung des Neoliberalismus in Lateinamerika und suchen eine Antwort auf die Frage, wie sinnvoll es ist, gegenwärtig vom Verfall neoliberaler Hegemonie oder gar ihrem Ende zu sprechen.

Leseprobe 1

Stefan Schmalz / Anne Tittor
Hegemoniezyklen in Lateinamerika – Einführung und Kontext Nach der Jahrtausendwende zeichnet sich in Lateinamerika ein politischer Richtungswechsel ab. Waren die 1990er Jahre geprägt durch neoliberale Politikansätze in fast allen Staaten, so ist derzeit in vielen Ländern des Subkontinents eine Rehabilitierung staatlicher Regulierung festzustellen. Die vorliegende Studie untersucht auf verschiedenen Ebenen diese Veränderungen. Die Entwicklung auf dem Kontinent scheint der sonst vorherrschenden Tendenz in vielen Teilen der Welt diametral entgegengesetzt zu sein. Stehen etwa in Europa die Zeichen weiterhin auf Deregulierung und Privatisierung, so wird in einigen Ländern Lateinamerikas über staatliche Re-Regulierung, regionale Integration, eventuelle Wiederverstaatlichung von ehemals privatisierten Betrieben sowie die Intensivierung von Sozialprogrammen diskutiert. Dieses Buch versucht Aufschluss darüber zu geben, welche Möglichkeiten die neuen Regierungen und sozialen Bewegungen in Lateinamerika haben, alternative Wege zu gehen und die negativen Folgen der neoliberalen Dekade der 1990er Jahre zu mildern. Ebenso werden auch die Grenzen benannt, die durch die bestehenden externen und internen Zwänge gezogen werden, um abschließend zu einer Einschätzung des derzeitigen Wandels in Lateinamerika zu kommen. Die frühen 1990er Jahre können als Phase der neoliberalen Hegemonie in Lateinamerika bezeichnet werden. Die nach dem Zerfall des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973 und spätestens mit der Schuldenkrise 1982 beginnende neoliberale Restrukturierung lateinamerikanischer Ökonomien, deren Eckpfeiler die Deregulierung, Privatisierung und Marktöffnung waren, und die durch internationale Institutionen wie z.B. den IWF (Internationalen Währungsfonds) und die Weltbank diktiert und von den nationalen Regierungen umgesetzt wurde, fand nach Abflauen der ersten Protestwelle einen relativ breiten Konsens in der Bevölkerung. Die Umsetzung einer strengen Anti-Inflationspolitik trug maßgeblich zur Unterstützung der neoliberalen Umstrukturierungen bei. Die Widersprüche und verheerenden sozialen Folgen dieser Politik wurden erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre deutlich sichtbar (wachsende strukturelle Arbeitslosigkeit, Einkommenspolarisierung, Anstieg der Armut und wiederkehrende Finanz- und Währungskrisen). Dadurch verschärften sich die sozialen Auseinandersetzungen. Waren die Proteste anfänglich noch marginalisiert und fragmentiert, so etabliert sich heute vereinzelt eine Politik, die sich gegen die neoliberale Ideologie wendet und versucht, einen alternativen Weg zu gehen. Seit einiger Zeit sind in verschiedenen Teilen des lateinamerikanischen Kontinents politisch relevante Veränderungsprozesse im Gang, die dem noch in den 1990er Jahren alles dominierenden neoliberalen Modell entgegenstehen. Es scheint, als sei nach fast zwei Jahrzehnten relativer sozialer Ruhe und politischer Stabilität nun mit der Jahrtausendwende eine neue politische Phase angebrochen. In einigen Ländern, etwa in Argentinien, Bolivien und Ecuador, wurden gewählte Regierungen durch breite Massenbewegungen gestürzt und ein grundsätzlicher ökonomischer und politischer Kurswechsel gefordert. Mit neuen Kampfformen und (wieder)gewonnener Stärke brachten die sozialen Bewegungen die staatlichen Instanzen dazu, Zugeständnisse zu machen. Zum Teil sind es die Akteure aus marginalisierten Schichten, die bis vor kurzem noch als "nicht organisierbar" galten, die es schafften, durch politische Kämpfe ihre Lebensbedingungen zu verbessern (Boris/Tittor 2005, Missbach 2004). In Argentinien, Brasilien, Uruguay und Venezuela sind neue Regierungen gebildet worden, die für einen anti-neoliberalen Diskurs stehen (oder standen) und eine gewisse Nähe zu sozialen Bewegungen aufweisen. Die Tatsache, dass das neoliberale Projekt einer panamerikanischen Freihandelszone (ALCA)[1] aufgrund des Protests einzelner Länder nicht durchgesetzt werden konnte, muss ebenfalls als Veränderung der Kräfteverhältnisse interpretiert werden (Schmalz 2004: 34-42). Damit sind Hoffnungen auf eine regionale Integration verbunden, deren Regeln nicht von den Interessen der Metropolen dominiert sind. Mit neuen Süd-Süd-Kooperationen versuchen Länder wie beispielsweise Argentinien, Brasilien, Venezuela, China, Südafrika und Indien ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen untereinander auszudehnen und den neoliberalen Zwangsmechanismen zu entkommen. Es gibt folglich einige Veränderungen, die die Annahme eines Zerfalls neoliberaler Hegemonie begründen und die These von einem progressiven Wandel in Lateinamerika stützen. Allerdings muss auch die Frage nach den realen Möglichkeiten und den Perspektiven dieser linken Kräfte in Lateinamerika gestellt werden. Dabei erscheint es zentral, einen Blick auf die neuen Klassenkonstellationen zu werfen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die neuen Allianzen, die sich beispielsweise in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Uruguay und Venezuela in Grundzügen herausgebildet haben, das Kräfteverhältnis zu Gunsten der subalternen Klassen verbessern können oder ob die gegebenen Handlungsspielräume durch die bestehenden Zwangsstrukturen, wie u.a. die Schuldenrückzahlung, derart eng sind, dass sich kein alternatives Projekt jenseits des Neoliberalismus herausbilden kann (Malcher 2003). Die Prozesse müssen dahingehend untersucht werden, welche Veränderungen sich aus diesen neuen Konstellationen ergeben und wie sich diese ökonomisch, politisch und gesellschaftlich auswirken. Für eine solche Analyse kann das Hegemoniekonzept des italienischen Marxisten Antonio Gramsci (1891-1937) fruchtbar gemacht werden. Hegemonie ist in einem an Gramsci anschließenden Verständnis nicht gleichbedeutend mit Strukturen der bloßen Dominanz, sondern beschreibt vielmehr einen Typ gesellschaftlicher Herrschaft und Reproduktion, der von den Beherrschten und Machtlosen durch ein gewißes Maß an Einverständnis mitgetragen wird (Bieling/Steinhilber 2000: 102). Hegemonie umfasst demzufolge immer Konsens und Zwang, stützt sich allerdings maßgeblich auf den Konsens und wird durch materielle und ideelle Zugeständnisse an die subalternen Klassen gefestigt. Nur in Zeiten sozialer Krisen, wenn die Hegemonie in Frage gestellt wird, stützt sich Hegemonie vermehrt auf Zwang: "Die normale Ausübung der Hegemonie [...] zeichnet sich durch die Kombination von Zwang und Konsens aus, die sich in verschiedener Weise die Waage halten, ohne dass der Zwang zu sehr über dem Konsens überwiegt, sondern im Gegenteil sogar versucht wird, zu erreichen, dass der Zwang auf den Konsens der Mehrheit gestützt scheint" (GH 1991 Bd. 7: 1610). Allerdings sind Zwang und Konsens nicht getrennt voneinander zu denken, da zwischen ihnen ein komplementäres Verhältnis besteht.[2] Hegemonie als Medium und eine Form von Herrschaftsausübung ist dabei jedoch nicht jenseits der Interessen gesellschaftlicher Klassen zu verstehen, sondern basiert immer auf spezifischen sozialen Kräften, die einen maßgeblichen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungsdynamiken besitzen. Dieser "Machtblock" bzw. "hegemoniale Block" rekrutiert sich dabei meist aus den dominanten gesellschaftlichen Sektoren, aber auch Segmenten der subalternen Klassen und ist fähig, trotz unterschiedlicher Partikularinteressen eine gemeinsame Weltanschauung zu entfalten und auf dieser Basis konsensuale Politiken zu formulieren. In verschiedenen historischen Epochen verlagern sich dabei die sozialen Kräfte im Block an der Macht: Rekrutierte sich bspw. der hegemoniale Block in vielen lateinamerikanischen Ländern bis in die 1920er Jahre aus Landoligarchie, Beamtenapparat, Handelsbourgeoisie und Militär, gewannen nach der Weltwirtschaftskrise vermehrt die Industriebourgeoisie und die städtischen Mittelschichten an Einfluss. Kurzum: Hegemonie ist nur in einer historisch konkreten Herangehensweise bestimmbar. Denn Hegemonie ist nicht als statisch zu verstehen und kann nicht einfach als gegeben angenommen werden, sondern wird stets durch einen langen Prozess sozialer Kämpfe begründet, der schließlich in der Etablierung eines stabilen Machtblocks und einem daran gebundenen dauerhaften Modus gesellschaftlicher Reproduktion mündet. Demzufolge ist ein Wandel in den Herrschaftsstrukturen immer auch Ausdruck einer Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Doch wie lassen sich die strukturellen Bedingungen gesellschaftlicher Entwicklung und damit die Parameter der derzeitigen Transformationsprozesse in Lateinamerika bestimmen? Einen Theorieentwurf, der fähig ist, sozioökonomische Reproduktionsmuster, transnationale Machtstrukturen und ihren Zusammenhang mit den politischen Auseinandersetzungen in einzelnen nationalen Gesellschaftsformationen zu analysieren, formulierte Robert Cox mit seiner Konzeption von internationaler Hegemonie. Cox (1998: 83) definiert Welthegemonie wie folgt: "Hegemonie auf internationaler Ebene ist nicht nur eine Ordnung zwischen Staaten. Sie ist eine Ordnung innerhalb der Weltwirtschaft mit einer dominanten Produktionsweise, die alle Länder durchdringt und sich mit anderen untergeordneten Produktionsweisen verbindet. Sie ist auch ein Komplex internationaler sozialer Beziehungen, der die sozialen Klassen der verschiedenen Länder miteinander verbindet. Welthegemonie lässt sich so beschreiben als eine soziale, eine ökonomische und eine politische Struktur. Sie kann nicht auf eine dieser Dimensionen reduziert werden, sondern umfasst alle drei. Welthegemonie drückt sich ferner in universellen Normen, Institutionen und Mechanismen aus, die generelle Regeln für das Verhalten von Staaten und für diejenigen zivilgesellschaftlichen Kräfte festlegen, die über die nationalen Grenzen hinweg handeln – Regeln, die die dominante Produktionsweise abstützen." Mit diesem theoretischen Instrumentarium ist es möglich, die internationalen Rahmenbedingungen für die Einbindung Lateinamerikas in die vorherrschende Weltordnungskonzeption zu erfassen. Denn das heutige Lateinamerika ist trotz der Verschiebung der internen Kräfteverhältnisse in einigen Ländern, wie in Venezuela, weiterhin in einer Weltordnung eingebunden, in der Institutionen wie der IWF und die Weltbank, ideologische Leitbilder wie der politische Liberalismus und transnationale Klassenformationen strukturierend auf gesellschaftliche Prozesse auf nationaler Ebene einwirken. Es existiert also, um einen Begriff von Antonio Gramsci aufzugreifen, ein "historischer Block", der als "eine spezifische gesamte soziale Ordnung im Sinne eines relativ kohärenten Ensembles von Zwangs- und Konsensinstitutionen, einschließlich einer besonderen gesellschaftlichen Entwicklungsweise, [verstanden werden kann], die sich über einen längeren Zeitraum hinweg reproduziert" (Bieling/Steinhilber 2000: 104f.)[3] definiert und der in seiner derzeitigen Form als "flexibler Kapitalismus" (Bieling et al. 2001) oder "Transnationaler High-Tech-Kapitalismus" (Haug 1999) bezeichnet werden könnte. Das von Cox für die Analyse von internationaler Hegemonie entwickelte Theoriedesign einer "neogramscianischen Internationalen Politischen Ökonomie" wurde mittlerweile für eine Vielzahl von verschiedenen Analyseebenen nutzbar gemacht. Es existieren umfassende Werke zur Analyse des Europäischen Integrationsprozesses (Bieler/Morton 2001), staatstheoretische Arbeiten zum amerikanischen Empire (Panitch/Gindin 2004) oder auch präzise Länderstudien (Clift 2003), die sich auf das neogramscianische Theoriegebäude stützen.[4] Dennoch lassen sich zwei Grenzen des Ansatzes ausmachen, die für unsere Untersuchung von großer Bedeutung sind. Zum einen erscheint es schwierig, für eine kulturell und sozioökonomisch äußerst heterogene, politisch fragmentierte, (semi-)periphere Weltregion wie Lateinamerika kritiklos die Analysekonzepte für hegemonietheoretische Studien zu übernehmen, die bisher meist nur für kulturell diverse, aber sozioökonomisch und politisch sehr viel stärker integrierte Räume wie die Europäische Union angewandt wurden. Zum anderen widmet sich die überwiegende Mehrzahl der hegemonietheoretischen Arbeiten entweder der Durchsetzung und Reproduktion der neoliberalen Hegemonie oder bietet spezifische Teilstudien an, etwa zur Restrukturierung der Rentenversicherungssysteme im europäischen Integrationsprozess (Bieler/Morton 2001, Beckmann 2002). Dieser Band beschäftigt sich hingegen mit der Fragestellung, inwieweit in Lateinamerika bereits von einem Verfall neoliberaler Hegemonie gesprochen werden kann. Die Analyseinstrumente des Neogramscianismus müssen deswegen dahingehend modifiziert werden, dass die Möglichkeit einer Transition von der neoliberalen Konstellation zu einer wie auch immer gearteten neuen Hegemoniekonstellation erfassbar wird. Bei einer hegemonietheoretischen Untersuchung zu Lateinamerika sollten deshalb die besonderen Bedingungen gesellschaftlicher Entwicklung reflektiert werden,[5] die mit der (semi-) peripheren Stellung des Subkontinents zusammenhängen. Hierfür ist eine Analyse der Auswirkungen der ökonomischen Abhängigkeiten von hoher Bedeutung, die nicht zuletzt durch die lateinamerikanischen Klassenstrukturen und die internationalen Kräfteverhältnisse aufrecht erhalten werden, die sich u.a. in transnationalen Organisationen (wie IWF, Weltbank und WTO) festschreiben. Auch die Kategorie der Zivilgesellschaft als wesentlicher Ort gesellschaftlicher Hegemonie sollte für Lateinamerika modifiziert werden, da in vielen Ländern des Subkontinents die politische Öffentlichkeit als fragil gelten kann. Trotz punktuell sehr heftiger sozialer Auseinandersetzungen hat sich in Lateinamerika oftmals eine stabile Gesellschaftskonfiguration herausgebildet, die ein allzu schnelles Urteil über das Ende hegemonialer Phasen fraglich werden lässt. Darüber hinaus beziehen sich die bisher erstellten Studien zur neoliberalen Hegemonie – mit einigen Ausnahmen (Bischoff et al. 1998) – meist auf die Dynamiken der Herstellung und Reproduktion neoliberaler Hegemonie und deren unterschiedlichen Facetten. Das vorliegende Buch zielt hingegen auf die Fragestellung, ob bereits ein Verfall neoliberaler Hegemonie in Lateinamerika zu beobachten ist. Hierbei existieren in der aktuellen Diskussion zwei unterschiedliche Auffassungen. Zum einen sehen Autoren wie James Petras (2004) die Regierungen Kirchner in Argentinien und Lula in Brasilien als Vertreter einer neuen Rechten, der es durch eine diskursive Verschiebung in Richtung sozialer Politikkonzeptionen und den Austausch der verbrauchten Eliten durch ehemalige Vertreter der sozialen Bewegungen gelang, die politische Situation weitgehend zu stabilisieren. Diese Analyse legt demzufolge eine Interpretation einer Transformation von einem "orthodoxen zu einem sozialdemokratischen Neoliberalismus" (Candeias 2004: 331) und damit einer Redynamisierung der neoliberalen Hegemonie nahe, obwohl diese bereits in der kulturellen Sphäre an Anziehungskraft verloren hat. Eine Gegenposition verweist hingegen auf die Brüche der Herrschaftsausübung und die regen Aktivitäten der sozialen Bewegungen: "Die vielfältige soziale Praxis, die den gesamten lateinamerikanischen Subkontinent heute auszeichnet (von Venezuela über Bolivien, Ecuador und Kolumbien bis zu den Mercosur-Ländern), stellt dem gescheiterten neoliberalen Kapitalismusprojekt Alternativen gegenüber" (Thimmel 2005: 154). Diese Darstellung der gesellschaftlichen Transformationsprozesse legt die Veränderungen als Ausdruck einer Krise der neoliberalen Hegemonie aus, die den Übergang zu einer neuen hegemonialen Ordnung darstellt. Um eine tiefergehende Analyse der derzeitigen Veränderungen leisten zu können, erscheint uns eine historische Herangehensweise an das Problem zentral. Denn für eine Untersuchung der Tragweite der derzeitigen Umwälzungen existieren in der lateinamerikanischen Geschichte ähnlich gelagerte Beispiele, die zur Beantwortung der Fragestellung dieses Buches wichtig sind. Führen die derzeitigen Veränderungen in Lateinamerika zu einer bloßen Redynamisierung der neoliberalen Hegemonie oder zur Herausbildung eines neuen "historischen Blocks"? Deshalb erscheint es uns sinnvoll, einleitend verschiedene Zyklen regionaler Hegemoniekonstellationen zu analysieren. Hierbei konnte kaum auf gängige Hegemoniezyklentheorien zurückgegriffen werden, da diese, wie beispielsweise der Weltsystemansatz, lediglich als allgemeine Periodisierungskonzepte der kapitalistischen Geschichte im Weltmaßstab dienen (Arrighi/Silver 1999, Arrighi/Moore 2001).[6] Außerdem sind in Lateinamerika die Triebkräfte für die "hegemoniale Transition" anders gelagert, denn weder das relativ statische Wallersteinsche Konzept noch das flexiblere Modell von Giovanni Arrighi und Beverly Silver sind bspw. so konfiguriert, dass sie die Interaktion von Abhängigkeitsmustern, sozialen Kräften in Lateinamerika, soziostrukturellen Veränderungen und die Transformation von Staatlichkeit hinreichend fassen können (Arrighi/Silver 1999: 21-31). Wir haben deswegen für die Kategorisierung und Analyse der einzelnen regionalen Hegemoniezyklen ein relativ offenes, flexibles Analyseschema mit folgenden Variablen genutzt: (a) den vorherrschenden Modus der Weltmarkteinbindung und die daran gekoppelten Abhängigkeitsmuster, (b) das dominante wirtschaftliche Regime, (c) die diskursiv-ideologischen Grundlinien in der Zivilgesellschaft, (d) die Zusammensetzung des Blocks an der Macht, (e) allgemeine Veränderungen der Sozialstruktur, (f) die zeitliche Einordnung und die Triebkräfte der Entstehung und (g) der Krise der hegemonialen Konstellation, (h) die Gegenbewegungen zur vorherrschenden Hegemonie, (i) das politische System und die Transformation von Staatlichkeit und (j) die Veränderung von Räumlichkeit. Für Lateinamerika waren diesem Schema zu Folge für die letzten zwei Jahrhunderte drei regionale Hegemoniezyklen zu unterscheiden: Ein erster Zyklus eines Export-Import-Regimes (1870-1929), ein zweiter Hegemoniezyklus der Importsubstituierenden Industrialisierung (1930-1982) und zuletzt eine Phase neoliberaler Hegemonie (1982 bis heute).

1. Zyklus: Das Export-Import-Regime (1870-1929)

Ein erster Hegemoniezyklus im unabhängigen Lateinamerika kann ungefähr von den 1870er Jahren bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 datiert werden. Vorher existierten nicht-hegemoniale Konstellationen von Herrschaftsausübung, die sich nach der Unabhängigkeit der überwiegenden Mehrzahl der lateinamerikanischen Länder (1824) etablierten.[7] Diese nicht-hegemoniale Situation war durch drei Kernelemente gekennzeichnet: Erstens war die Herausbildung der territorialen Integrität bzw. die Festlegung der Außengrenzen der einzelnen unabhängigen Provinzen keineswegs mit dem Abzug der spanischen Kolonialherren abgeschlossen. Weitreichende Pläne wie der von Simon Bolívar, im Norden Südamerikas mit Großkolumbien (Ecuador, Kolumbien, Panama und Venezuela) eine Grundlage für einen südamerikanischen Territorialstaat zu schaffen, scheiterten endgültig mit dem Zerfall des Staates im Jahr 1830. Dies lag nicht zuletzt an der Formierung interner, regionalistischer Interessenkonstellationen aus Großgrundbesitzern, Klerus und Handelskapital, die eine Gründung von Staatsgebilden bevorzugten, die die Grenzziehungen zwischen den Verwaltungseinheiten der Kolonialzeit reproduzierten.[8] Auch waren einige Räume, etwa das patagonische Ödland im heutigen Argentinien oder Teile der brasilianischen Amazonasregion, noch nicht durch europäische Siedler erschlossen und damit kein staatliches Hoheitsgebiet. Es existierten zudem regelmäßige Konflikte um die Grenzziehungen zwischen den oftmals von ausländischen Interessen beeinflussten kreolischen Machthabern. Diese mündeten teilweise, wie im Salpeterkrieg (1879-1883) zwischen Chile auf der einen und Peru und Bolivien auf der anderen Seite, aber auch im mexikanisch-texanischen Krieg (1845-1848), in bewaffnete Konflikte, die in vielen Fällen mit ausländischen Interventionen einhergingen. Zweitens waren mit den Auseinandersetzungen um die Außengrenzen der einzelnen Staaten interne Spannungen um die Machtverteilung und Organisation des Staates verbunden, die oftmals zwischen klerikalen Konservativen und liberalen Laizisten ausgetragen wurden und meist zugunsten der Liberalen entschieden wurden. Hauptstreitpunkte in diesen ebenfalls oftmals gewalttätig ausgetragenen Auseinandersetzungen waren dabei die Fragen einer zentralistischen oder föderativen Organisation des Staatsapparates, der politischen Stellung der Kirche in der postkolonialen Gesellschaftsordnung und des Modus der Weltmarktintegration. Drittens brach in weiten Teilen Lateinamerikas für mehrere Jahrzehnte die Wirtschaft wegen mangelnder Zentralstaatlichkeit zusammen. Cardoso und Faletto (1976: 53f.) beschreiben dies am Beispiel Mexiko: "Bis 1850 hatte Mexiko sich noch nicht so weit erholt, dass es das wirtschaftliche Niveau der Kolonialzeit erreicht hätte. [...] Die Regierung war ständig in Zahlungsverzug und nahm immer neue Anleihen auf, so dass ihre Schulden bei den ausländischen Geldgebern extrem anwuchsen; die inländischen Gläubiger retteten aus der Situation, so viel sie konnten." Erst ab den 1850er Jahren kam es in Lateinamerika zu einer positiven Konjunkturveränderung, die bis 1873 andauerte und die Festigung der territorialen Integrität und eine Herausbildung von Nationalstaatlichkeit begünstigte (Donghi 1991: 240). Die Entwicklung war Teil eines langwierigen Konsolidierungsprozesses, der in den meisten Ländern Lateinamerikas, etwa in Uruguay, Argentinien oder Kolumbien, erst in den 1870er und 1880er Jahren beendet war, während sich in einigen Ausnahmefällen wie Chile oder Mexiko der Vorgang schon in den 1850er Jahren vollzog. Der Konsolidierungsprozess wurde durch verschiedene Reformen in Gang gesetzt. Zunächst trieb die Einführung von neuen Verfassungen in beinahe allen Ländern Lateinamerikas, etwa 1853 in Argentinien oder 1886 in Kolumbien, die Zentralisierung des Verwaltungsapparates voran. Darüber hinaus gelang es, das Militär zu professionalisieren und so die internen Konflikte unter Kontrolle zu bringen. Interessanterweise wurden diese Prozesse durch einen außenorientierten Modus der Weltmarktintegration alimentiert. Denn Lateinamerika trat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt als Exporteur von (verarbeiteten) Primärgütern auf, während man gleichzeitig Kapital- und Konsumgüter importierte und eine vermehrte Durchdringung des Subkontinents mit Direktinvestitionen stattfand (Boris 2001: 17-21). Diese Veränderung ermöglichte die Implementierung eines auf Außenzöllen basierenden, modernen Steuersystems, das die Ressourcen für die Nationalstaatsbildung zuführte. Hiermit ging eine partielle Entmachtung des traditionellen Großgrundbesitzes einher, der "zumeist von Bauern bearbeitet wurde, die kleine Parzellen bewirtschafteten und gleichzeitig den Boden des Grundherrn bebauten" (Donghi 1991: 43) und somit nur begrenzt auf staatliche Interventionen angewiesen war. Parallel kam es zu einer politischen Aufwertung der Latifundisten, die sich in das Export-Import-Regime integrierten und vermehrt für die Metropolen produzierten. Die Tragweite der Veränderungen des Import-Export-Regimes lässt sich an verschiedenen Daten ablesen. Die Exporte stiegen infolge der erhöhten Aufnahmekapazität der Zentren für lateinamerikanische Produkte sprunghaft an: "Im Jahr 1880 exportierte die Republik Argentinien zehnmal so viel wie das La Plata-Vizekönigreich zu Beginn des Jahrhunderts [...]. Auch Chile hatte seine Exporte seit Beginn des Jahrhunderts verfünfzigfacht. [...] Brasilien hatte den Wert seiner Exporte seit Beginn des Jahrzehnts verzehnfacht, Neu-Granada versiebenfacht, Venezuela ebenso, Peru verfünffacht, Ecuador lediglich verdreifacht, während Bolivien einen Zuwachs von 75% und Mexiko von nur 20% zu verzeichnen hatten" (Donghi 1991: 254). Ein ähnliches Bild bot sich bei ausländischen Direktinvestitionen und Krediten, wie sich am Beispiel Brasiliens veranschaulichen lässt. Alleine die britischen Investitionen stiegen hier von 4 Mio. Pfund im Jahr 1825 auf 93 Mio. Pfund im Jahr 1895 an (Novy 2001: 341). Der Staat nahm nunmehr verstärkt das internationale Kreditwesen in Anspruch, wobei ausländische Direktinvestitionen im Exportsektor meist vom Ausbau der Infrastruktur, etwa Eisenbahnstrecken, Häfen und Straßen, flankiert wurden. Das Export-Import-Regime bettete sich in eine durch den Übergang von der britischen zur US-amerikanischen Hegemonie gekennzeichneten Weltordnung ein. Diese langsam ablaufende Transformation begann mit der Monroe Doktrin 1823 und war erst mit dem Ende des ersten Weltkriegs abgeschlossen.[9] Obwohl das imperiale Zeitalter die imperialistische Expansion der Zentrenstaaten ankündigte, die zur zunehmenden Bildung regionaler Einflusssphären in der Weltwirtschaft führten, blieben beinahe alle lateinamerikanischen Staaten weiterhin politisch unabhängig. Auch wenn andere Mächte wie das Deutsche Reich im Cono Sur und Frankreich im nördlichen Lateinamerika ihre informellen Einflusssphären absteckten und mit den USA und Großbritannien um Interessensgebiete in Konkurrenz traten, war der Subkontinent zunächst relativ fest in die durch den Goldstandard definierte britische Freihandelsordnung integriert.[10] Versuche, wie in Paraguay unter der Regierung López, in den 1860er Jahren entgegen der Freihandelsordnung eine binnenmarktzentrierte Wirtschaftspolitik umzusetzen, wurden unter Zuhilfenahme ausländischer Unterstützung militärisch zerschlagen (Izaguirre/Szankay 1973: 273). Die endgültige Durchsetzung der außenalimentierten Nationalstaatsbildung erfolgte in einigen Fällen repressiv durch autoritäre Regime wie unter Guzmán Blanco (1880-89) in Venezuela, mündete aber in der Mehrzahl der Länder in eine liberal-positivistische Hegemonie.[11] Auf diskursiver Ebene war die Freihandelsideologie zur Gestaltung des internen Wirtschaftsregimes allgemein akzeptiert, so dass selbst potenzielle Träger einer Gegenhegemonie, wie die (anarchosyndikalistische) Arbeiterbewegung, die Freihandelsdoktrin in vielen Fällen nicht hinterfragten.[12] Parallel hierzu übte die katholische Kirche als ideologischer Träger der kolonialen Ordnung zwar zunächst heftigen politischen und ideologischen Widerstand gegen die politischen Umwälzungen, gliederte sich aber bald in einer subordinierten Position in die neue hegemoniale Konstellation ein (Autorenkollektiv 1987: 145-151; Donghi 1991: 262-266). Die liberale ideologische Ausrichtung hatte einen tiefgreifenden Einfluss, der sich bis heute in nationalen Symbolen widerspiegelt: Der positivistische Wahlspruch "Ordem e Progreso", der interessanterweise von der Abkehr des universellen Freiheitsgedankens der bürgerlichen Revolution zeugt, findet sich bspw. immer noch auf der Flagge Brasiliens wieder.[13] So war es kein Wunder, dass die politischen Systeme, von verschiedenen autoritären Zwischenspielen abgesehen, meist in formaldemokratischen Systemen bestanden, die sich durch ein eingeschränktes Wahlrecht und die Garantie der Eigentumsrechte auszeichneten. So blieb beispielsweise in der brasilianischen "república velha" (1889-1930) das Wahlrecht auf ein Bevölkerungssegment von durchschnittlich 3,5% beschränkt, was dem politischen Ausschluss der Unterschicht gleichkam (Weffort 2003: 75f.). Der unterprivilegierte Sektor rekrutierte sich vor allem aus der autochthonen Landbevölkerung, die über drei Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachte und politisch eher inaktiv war, weitete sich aber auf Immigranten aus Europa aus, die es vorwiegend in die urbanen Zentren zog. Der Block an der Macht setzte sich indes aus einer mächtigen exportorientierten, landbesitzenden Oligarchie, einer einflussreichen Handelsbourgeoisie, den kleinen, aber sich ausweitenden städtischen Mittelschichten und ersten industriellen Kapitalfraktionen zusammen.[14] Der Industrialisierungsprozess kam in Lateinamerika erst zur Jahrhundertwende in Gang. In den ersten drei Jahrzehnten bildeten sich gerade in Argentinien, Brasilien, Uruguay und Mexiko, aber auch im geringeren Umfang in Chile und Kolumbien, einzelne industrielle Kerne, die mitunter Sekundäreffekte zur Herausbildung nationaler Binnenmärkte ausübten (Boris 2001: 23f.). Aus diesem Grund entstand schrittweise eine Arbeiterklasse, die aber schon ab den 1890er Jahren in verschiedenen Großstädten, etwa in Santiago de Chile, Buenos Aires oder Mexiko Stadt, anwuchs und sich später politisch zu artikulieren begann. Der Erste Weltkrieg wirkte infolge der Lockerung der "Metropolen-Satelliten-Polarisierung" (Frank 1968: 26) äußerst dynamisierend auf den Industrialisierungsprozess und die Herausbildung der Arbeiterklasse: "Das für Lateinamerika wichtigste Ergebnis des Ersten Weltkriegs war indes der Aufbau einer ehemalige Importgüter substituierenden Industrieproduktion; gleichzeitig begann sich ein einheimisches Industrieproletariat zu bilden" (Izaguirre/Szankay 1973: 276). Bis zu den 1920er Jahren existierten wenige Gegenbewegungen, die die hegemoniale Konstellation aus Import-Export-Regime und liberal-positivistischer Ideologie in Frage stellten. Außer einzelnen Mobilisierungen gegen ausländische Militärinterventionen wie in Nicaragua oder Honduras, und punktuellen agrarisch geprägten, ideologisch heterogenen, teilweise frühsozialistischen Bewegungen, etwa die 1897 blutig niedergeschlagenen conselheiristas in Brasilien (Davis 2001: 188-195), entstanden lediglich in einigen urbanen Zentren, z.B. in Uruguay und Chile, bereits zur Jahrhundertwende erste oftmals anarchosyndikalistisch orientierte Arbeiterbewegungen.[15] Erst nach der Oktoberrevolution 1917 kam es zum Aufbau sozialistischer und kommunistischer Parteien. 1919 wurde die PCM (Partido Comunista Mexicano) in Mexiko gegründet, 1920 folgte die Gründung der PCU (Partido Comunista de Uruguay) in Uruguay und 1922 der PCB (Partido Comunista Brasileiro) in Brasilien. Die neuen Arbeiterparteien wuchsen zwar rasch an, aber besaßen nie genügend Einfluss, um in die gesellschaftlichen Krisenprozesse der 1930er Jahre entscheidend eingreifen zu können (Scheuzger 2004: 13f.). Die Gegenbewegungen gegen die liberal-positivistische Hegemonie setze in einigen Staaten, etwa in Chile, bereits in den frühen 1920er Jahren ein, wobei das entscheidende Moment der Umwälzung jedoch zweifelsohne der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 war. Zu diesem Zeitpunkt lockerte sich die Anbindung der lateinamerikanischen Peripherie an die Zentren: Der Zerfall des Weltmarkts in verschiedene Blöcke und die sinkende Aufnahmekapazität der Zentren für lateinamerikanische Exporte aufgrund der globalen Rezession führten dazu, dass Exportmärkte für Lateinamerika wegbrachen, während umgekehrt und infolgedessen ein Devisenmangel zum Erwerb von Importwaren aus den entwickelten Industrienationen vorherrschte.[16] Eine direkte Folge bestand in einer wachsenden Binnenorientierung der Wirtschaftspolitik in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern und dem schnellen Wachstum der urbanen Bevölkerungssegmente, die rasch ein erhöhtes politisches Gewicht erlangten und zu den Trägern gesellschaftlicher Transformation wurden.

2. Zyklus: Die Weltwirtschaftskrise und die Importsubstituierende Industrialisierung (1930-1982)

Die Weltwirtschaftskrise 1929 bildete auf diese Weise den entscheidenden Wendepunkt und kann als Beginn eines zweiten Hegemoniezyklus gewertet werden. Die Erschütterung des liberalen Export-Import-Regimes durch die Weltwirtschaftskrise und die beschleunigten sozioökonomischen Transformationsprozesse wie die Land-Stadt-Migration mündeten erneut in eine nicht-hegemoniale Situation. Der Hauptgrund für die Transformation bestand neben der Erosion der vorherrschenden Weltwirtschaftsordnung in der Unfähigkeit, eine stabile gesellschaftliche Kräftekonstellation zu etablieren. Weder der alte Machtblock aus Agraroligarchie und Handelsbourgeoisie noch neue gesellschaftliche Gruppen wie die Industriebourgeoisie oder die Arbeiterklasse waren alleine fähig, in der Krisensituation ein politisches Projekt zu formulieren, das einen allgemeinen Konsens generieren konnte. Infolgedessen entstand eine widersprüchliche Übergangskonstellation, in der Elemente des alten Regimes mit neuen Bestandteilen koexistierten und in einem oftmals langwierigen Prozess in eine neue hegemoniale Konstellation mündeten. Auch hier gab es eine Vielzahl von Variationen in der Durchsetzung des neuen Modells. Während es in Chile bereits in den frühen 1920er Jahren zu einer Phase der weitgehenden Instabilität kam, die erst 1938 zur Bildung der Volksfront und damit einer neuen hegemonialen Konstellation führte, wurde in einigen Fällen, etwa in Argentinien unter dem Präsidenten Juan Domingo Perón (1946-1955), eine stabile Konfiguration erst nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert, der jedoch ebenfalls heftige Arbeitskämpfe in den 1930er Jahren vorangingen. In vielen lateinamerikanischen Ländern, etwa in Argentinien, Brasilien, Mexiko, Chile, Uruguay oder Peru, wurde ein neuer Machtblock mittels einer populistischen Führergestalt geschmiedet, in dem sich die junge Industriebourgeoisie als führende Fraktion bei gleichzeitiger Inkorporation der urbanen Massen und städtischen Mittelschichten etablierte. Als materielle Grundlage für diese "ambivalente Klassenallianz" (Boris/Hiedl 1978: 71) diente eine spezifische Akkumulationsstrategie: "eine Strategie, die aus der Ausweitung des persönlichen Konsums und unter Umständen aus einer gewissen Einkommensumverteilung eine essentielle Komponente macht. Es ist deswegen eine Akkumulationsstrategie einer gewissen Fraktion der Bourgeoisie in einer bestimmten Etappe des kapitalistischen Akkumulationsprozesses" (Vilas 1988: 3). Das Versprechen an die urbanen Massen, das dem Projekt einen hegemonialen Charakter verlieh, bestand neben den materiellen Konzessionen in einer erhöhten gesellschaftlichen Partizipation. Diese Beteiligung der Arbeiterklasse war jedoch stets mit einer populistischen Manipulation und Einbindung verbunden. Die Autonomie des Klassenhandelns konnte dabei nicht über die Grenzen hinausgehen, die diese durch Manipulation gekennzeichnete Beziehung setzte. Paradoxerweise ermöglichte diese Konstellation aber zugleich erst die Präsenz auf der politischen Ebene (Weffort 2003: 139). Das Ergebnis des Transformationsprozesses bestand in einer veränderten Gesellschaftskonfiguration, die durch einen neuen Machtblock getragen wurde und sich auf eine modifizierte Wirtschaftspolitik stützte. Das Regime der Importsubstituierenden Industrialisierung (ISI), das auf hohen Außenzöllen, einer aktiven staatlichen Infrastruktur- und Wirtschaftspolitik basierte und auf korporatistischen, durch semistaatliche Gewerkschaftsverbände organisierten Lohnaushandlungsmechanismen aufbaute, verdrängte das liberale Freihandelsmodell.[17] Die ISI wurde in der Lateinamerikaforschung oft in eine einfache erste Phase (1930-1955) und eine schwierige zweite Phase (1955-1982) unterteilt (Boris 2001, 27-68).[18] In der ersten Phase substituierten die lateinamerikanischen Länder hauptsächlich einfache Konsumgüter und Grundstoffe, für die bereits Inlandsmärkte vorhanden waren. Die fortlaufende Desintegration des Weltmarkts durch den Zweiten Weltkrieg begünstigte die Implementierung des Modells, das sich überwiegend auf den Konsum der städtischen Ober- und Mittelschichten stützte (Lipietz 1986: 32f.). Parallel hierzu kam es zu einer "gewaltigen Funktionsausweitung des Staates" (Donghi 1991: 416): "Während der Staat zuvor im wesentlichen die Interessen der Exporteure und Grundbesitzer vertrat und als Agent für Auslandsinvestitionen fungierte, machte er sich nun daran, Schutzzölle zu errichten, Einkommen aus dem Exportsektor in den binnenmarktorientierten Sektor zu transferieren und die zur Stützung der Importsubstitutions-Industrie erforderliche Infrastruktur zu schaffen" (Cardoso/Faletto 1976: 152). Die Folge des Modells war ein relativ stetiges Wachstum des Industriesektors, das sich in der Phase von 1929-1949 in Argentinien jährlich auf 4,9%, in Brasilien auf 6,0% und in Mexiko sogar auf durchschnittlich 7,4% belief (Thorp 1998: 322). In der zweiten Phase kamen die Widersprüche und Blockaden der ISI zunehmend ans Licht. Die Probleme bei der Substitution von Kapitalgütern und von langlebigen Konsumgütern, die relative Enge der Binnenmärkte infolge der ungleichen Einkommens- und Landverteilung und nicht zuletzt die Wiederherstellung des Weltmarkts bei gleichzeitiger Senkung der Rohstoffpreise nach dem Koreakrieg (1950-53) führten zur Verlangsamung der Wachstumsdynamik. Dieser Prozess konnte jedoch zunächst mit der Aufnahme von Auslandskrediten aufgefangen werden. Die Verschuldungstendenz wurde überdies durch den Preisverfall der Exportwaren und die Überbewertung der Währungen verstärkt, da die daraus resultierenden Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite durch die Zufuhr von ausländischen Krediten und/oder Direktinvestitionen kompensiert werden mussten. Das ISI-Modell war in eine Weltwirtschaftsordnung integriert, welche die Durchsetzung der Industrialisierungspolitik begünstigte. Die Regulierung der Finanzmärkte durch das Bretton Woods-Regime und der Ost-West-Konflikt ermöglichten eine relativ hohe Autonomie des Staates in wirtschaftspolitischen Fragen und stärkten die Rolle nationaler Wirtschaftsräume. Die nationale Ebene war nun der zentrale Bezugspunkt für ideologische Anrufungen und für die Herausbildung kollektiver, urban geprägter Identitäten, die regionale und indigene Identitätskonstruktionen überlagerten und absorbierten.[19] Eine allgemein akzeptierte, oftmals nationalistisch, antioligarchisch und antikommunistisch aufgeladene Fortschrittsideologie, die im Kern eine staatlich moderierte, nationalstaatszentrierte Industrialisierung implizierte, flankierte diesen Kurs. Das veränderte Wirtschaftsmodell ging mit einer tief greifenden Transformation der Sozialstruktur in Lateinamerika einher. Die rasante Urbanisierung führte zu einer dramatischen Abnahme der Landbevölkerung. Lebten 1930 noch ca. 70-80% der lateinamerikanischen Bevölkerung auf dem Land und rund 20-30% in den Städten, so hatte sich 1980 das Verhältnis quasi umgekehrt. Es kam zum rasanten Wachstum der Städte: Zählte São Paulo 1920 noch knapp 580.000 Einwohner, hatte die Metropole 1980 bereits eine Einwohnerzahl von 8,5 Mio. erreicht (Novy 2001: 359). Diese Veränderung trug zu der bereits beschriebenen Transformation des Machtblocks bei. Aus der urbanen, teilweise eher binnenmarktorientierten Industriebourgeoisie, den Chefetagen der großen staatlichen Unternehmen (Petroleum, Elektrizität, Telekommunikation) und den städtischen Mittelschichten rekrutierte sich die neue staatliche Elite, während die Agraroligarchie zwar stark an politischer Macht verlor, aber nicht in ihrer wirtschaftlichen Stellung angegriffen wurde. Die urbanen Unterschichten, die in der ersten Phase der ISI noch in den Machtblock integriert waren, fielen, als sich die Widersprüche der ISI stärker artikulierten und sich die Versprechen ökonomischer und gesellschaftlicher Partizipation zunehmend als unerreichbar entpuppten, vermehrt aus den Klassenallianzen heraus. Neben den ökonomischen Problemen wurde auf diese Weise der Nährboden für neue soziale Konflikte geschaffen. Die Antwort der Mittel- und Oberschicht auf die Krisenhaftigkeit bestand – ohne in einen monokausalen Reduktionismus verfallen zu wollen – in vielen Fällen in der Etablierung von Militärdiktaturen: "Ohne die Intervention des Militärs ab Anfang der 1960er Jahre wäre die Existenz des Kapitalismus in einigen Ländern Lateinamerikas, so in Chile, Uruguay und Bolivien, infrage gestellt worden. In anderen Ländern, so in Brasilien und Peru, wäre eine Dynamisierung der kapitalistischen Industrialisierung sehr schwierig gewesen" (Eßer 1975: 119f.). In vielen Ländern Lateinamerikas, in denen zunächst in der ersten Phase der ISI parlamentarische Demokratien entstanden waren, wurden nun Diktaturen installiert. Nur noch Mexiko, Kolumbien, Venezuela und Costa Rica blieben in den späten 1970er Jahren von einem Militärregime verschont. Die politischen Gegenbewegungen zur Importsubstitutionspolitik artikulierten sich bei fortbestehendem gesellschaftlichem Ausschluss großer Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Phasen. Zunächst wurden in den 1930er Jahren die teilweise systemkritischen Arbeiterbewegungen wie in Argentinien, Mexiko und Uruguay erfolgreich in die neuen Industrialisierungsprojekte und populistischen Herrschaftssysteme integriert. Dieser Prozess wurde jedoch von unzähligen Streiks und sozialen Auseinandersetzungen begleitet. Es kam zu zwei größeren und "fatal erfolglosen" (Scheuzger 2004: 14) kommunistischen Aufständen in El Salvador 1932 und Rio de Janeiro 1937 und mehreren Regierungsbeteiligungen popular-demokratischer Kräfte, etwa in Chile (1938-47) und Mexiko (1934-40), die allerdings nie eine sozialistische Transformation auf die Tagesordnung setzten. Die populistischen Integrationsstrategien und der wirtschaftliche Erfolg der ISI sowie die Konstellation während des Zweiten Weltkriegs und später die Situation des Kalten Krieges und die damit einhergehende Kommunistenverfolgung führten schließlich zu einem weitgehenden Rückgang der sozialrevolutionären Bewegungen in den 1940er und 1950er Jahren. Mit der kubanischen Revolution 1959 folgte jedoch eine "Revitalisierung der revolutionären Idee und Vervielfältigung der Linken" (ebd.: 21), die sich in einer ländlichen Guerillawelle auf dem Subkontinent manifestierte, die u.a. Kolumbien, Peru, Guatemala und Venezuela ergriff. Neben den Aktivitäten im ländlichen Raum fanden ab den 1960er Jahren infolge der Krisenmomente in der zweiten Phase der ISI Kämpfe um die Weiterentwicklung des Modells statt, in denen mehrfach Linksregierungen, z.B die brasilianische Regierung Quadros/Goulart (1961-64) oder die chilenische Allende-Administration (1970-73), ins Amt kamen und eine Umverteilungspolitik initiierten. Die Linksregierungen wurden jedoch rasch mit der Hilfe von Massenmobilisierungen der Mittel- und Oberschichten, z.T. verbunden mit Militärputschen sowie durch blutige Militärdiktaturen beseitigt.

3. Zyklus: Neoliberale Hegemonie (ab ca. 1982)

Der neoliberale Erdrutsch Die Transformationen in den lateinamerikanischen Gesellschaften wurden von einer Umwälzung der internationalen Wirtschaftsordnung flankiert. Die Flexibilisierung der Wechselkurse 1973, der Verfall der Rohstoffpreise und der so genannte Ölpreisschock 1973/74 brachten viele lateinamerikanische Länder dazu, immer größere Auslandsschulden aufzunehmen, was vor allem in den 1970er Jahren als "wirtschaftlich rational" galt, da die Zinsen unter der erwarteten Inflationsrate lagen (Gowan 1999: 48). Die guten Konditionen, die infolge des Überflusses an Petrodollars vorherrschten, machten die Schuldenaufnahme lange Zeit zu einer von vielen Seiten angeratenen "Entwicklungsstrategie". Die Wende zu einer restriktiven Finanzpolitik seitens der USA, die 1979 mit einer massiven Erhöhung der Zinsen eingeleitet wurde, bewirkte bei den Ländern Lateinamerikas einen drastischen Anstieg der Zinsen für Auslandsschulden und der Tilgungslast (Boris u.a. 1987). Die Folge war die Schuldenkrise im Jahr 1982, die für den gesamten lateinamerikanischen Subkontinent einen wichtigen Wendepunkt darstellte, in dessen Zusammenhang das Entwicklungsmodell der ISI zugunsten eines neoliberalen Modells, das auf Weltmarktöffnung, Rücknahme staatlicher Regulierung und Umverteilung zugunsten marktförmiger Regelungen setzte, aufgegeben wurde (Dombois/Imbusch 1997: 9). Im Zusammenhang mit der Schuldenkrise wurde eine ideologische Offensive[20] für eine neoliberale Wirtschaftspolitik begonnen, die einfache Rezepte gegen die wesentlichen Probleme der lateinamerikanischen Ökonomien – Schuldenproblematik, Inflation, Stagnation und "Entwicklungsrückstand" – anbot. Zahlreiche Wirtschaftsexperten erklärten das ISI-Modell für überholt, wenn nicht gar als gänzlich gescheitert. Vor der Schuldenkrise gab es bereits eine Reihe von Technokraten – in ihrer großen Mehrheit an den Wirtschafts- und Business-Schulen der USA ausgebildet –, die neoliberale Politikansätze vertraten. Allerdings hatten sie (außer in Chile) bis zur Schuldenkrise keine ausreichende politische Unterstützung, um ihre Ideen umzusetzen (Gwynne/Kay 2000: 144).[21] Mehr und mehr setzten sich neoliberale Politikmuster durch, die staatliche Interventionen als Ursache für die wenig dynamische Wirtschaftsentwicklung ansahen. Der Markt galt nun als der Mechanismus zur optimalen Ressourcenallokation und zur Förderung von Wachstum und Entwicklung, was langfristig zu mehr Wohlstand führen sollte (Dombois/Preis 1999: 47). Neoliberale Politikkonzeptionen versuchten, den Markt als organisierendes Prinzip aller Sozialbeziehungen einzuführen. Dabei wurde nicht nur der Rückzug des Staates aus der Ökonomie vorangetrieben und gesellschaftliche Strukturen dahingehend verändert, dass eine wirtschaftspolitische Trendwende immer schwieriger wurde, sondern auch die Atomisierung der Gesellschaft und die Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zugunsten transnationalisierter Kapitalfraktionen forciert. Politik wurde als bloße Umsetzung der Gesetze des Markts verstanden. Um die die Durchsetzung des Neoliberalismus auf dem lateinamerikanischen Kontinent zu erklären, reicht es nicht aus, auf die allgemeinen Widersprüche und Legitimationsprobleme der alten Entwicklungsstrategie zu verweisen. Zu unterschiedlich vollzog sich die neoliberale Wende in den verschiedenen Ländern, als dass die spezifischen internen und externen Faktoren, sowie der genaue Zeitpunkt und Kontext des Wandels ausgeblendet werden können. Die Tiefe des Wandels, der Zeitpunkt, das Verhältnis von Bruch und Kontinuität, sowie die Mischung aus Konsens- und Zwangsmechanismen variierten erheblich. Es lassen sich drei verschiedenen Phasen und Typen der Durchsetzung neoliberaler Hegemonie unterscheiden: (1) In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurde in Chile mit brutaler Gewalt die erste neoliberale Umstrukturierung einer Wirtschaft vollzogen, die bis heute die chilenische Gesellschaft prägt. Im Gegensatz dazu leitete die Militärdiktatur in Brasilien keine Wende zur neoliberalen Wirtschaftspolitik ein, sondern baute weiter auf die ISI, wenn auch mit schwindendem Erfolg. (2) In der ersten Hälfte der 1980er Jahre schlugen in Mexiko, Bolivien und Costa Rica demokratisch gewählte Regierungen unter dem Druck der Wirtschafts- und Verschuldungskrise und im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen eine neoliberale Wende ein. (3) In der zweiten Hälfte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre folgten Argentinien, Venezuela, Nicaragua, Ecuador, Peru und Kolumbien, wobei deren Regierungen mitunter durch explizit populistische, anti-neoliberale Programme an die Macht gelangt sind. Langjährige Krisenerfahrungen sowie das Scheitern heterodoxer Anpassungsprogramme, sicherten hier bisweilen eine hohe Zustimmung zu der neoliberalen Wende, insbesondere da sie eine (zunächst) erfolgreiche Inflationsbekämpfung vorweisen konnte (Messner 1997: 46f.). Brasilien vollzog den Kurswechsel relativ spät und auch nur in widersprüchlicher Form (Dombois/Imbusch 1997: 13). Schon die oberflächliche Betrachtung von Länderbeispielen zeigt, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Demokratie, politischem Regime, autoritären oder neopopulistischen Politikstilen, Kontinuität oder Bruch in der politischen Führung und neoliberaler Orientierung besteht. Vielmehr sind eine Reihe von Faktoren entscheidend, um zu erklären, warum sich der Neoliberalismus zum jeweiligen Zeitpunkt in einem Land als neues Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell durchzusetzen vermochte. Exemplarisch lohnt ein Vergleich der drei Länder Chile, Mexiko und Argentinien, die jeweils einen besonderen Typ der Hegemoniegewinnung repräsentieren. 1.) Chile war das erste Land, in dem die neoklassische Theorie im Kontext einer brutalen Militärdiktatur praktisch umgesetzt wurde. Der Machtblock unter Pinochet bestand aus den technokratischen Chicago Boys auf dem Feld der Ökonomie, dem Militär und einer Gruppe ultra-rechter Politiker (Murillo 2002: 475ff). Die Technokraten leiteten im Sinne neoklassischer Ordnungspolitik zunächst ein "Zerstörungswerk" ein, das staatliche Eingriffe in die Wirtschaft langfristig unterbinden sollte und von Urs Müller Plantenberg (2003: 155) treffend als "systematische Desorganisation des organisierten Kapitalismus" bezeichnet wird. Ohne die massive Repression wäre die Durchsetzung des neoliberalen Entwicklungs- und Wirtschaftsmodells in Chile niemals möglich gewesen. Dennoch reichte die Unterstützung des Militärregimes von nahezu der gesamten Unternehmerschaft bis weit in die Mittelschichten hinein (Fischer 2002). Pinochet wurde in einem Referendum 1988 schließlich abgewählt, erhielt aber 43,3% der Stimmen. Bis heute ist die chilenische Gesellschaft stark von den Folgen des autoritär-neoliberalen Entwicklungsmodells geprägt, Marktkonzepte und Konsumkultur sind hegemonial; politische Alternativen sind – nicht zuletzt, weil mehrere tausend Aktivisten der politischen Linken brutal ermordet wurden – nicht sichtbar. 2.) In Mexiko hingegen setzte sich der Neoliberalismus im Gefolge der Schuldenkrise 1982 durch. Die wirtschaftspolitischen Vorgaben von IWF und Weltbank (Umschuldung unter der Bedingung von Strukturanpassungsprogrammen) bedeuteten eine weitere Außenöffnung, die Aufhebung der Devisenkontrollen, eine harte Austeritätspolitik, restriktive Geldpolitik, Lohnstopp und eine massive Kürzung der Staatsausgaben. Damit war der Handlungsspielraum der mexikanischen Regierung stark eingeschränkt, und sozialpolitisch beschränkten sich die Behörden darauf, die Reformen sozial abzufedern. Durch die Auflage von Sozialprogrammen erreichten sie eine nicht unerhebliche Akzeptanz der neoliberalen Wende, nachdem der Versuch gescheitert war, durch staatliche Eingriffen das Bankwesen zu kontrollieren (Imhof 2003: 103f.). Im autoritär "halbdemokratischen" Mexiko achteten die staatlichen Eliten also bei der Einführung des Neoliberalismus auf die korporatistische Einbindung weiterer sozialer Schichten. Teile der Bevölkerung versprachen sich von der neoliberalen Wende neben der Außenliberalisierung eine demokratische Öffnung. Das Beispiel Mexiko zeigt wie internationale (Finanz-)Institutionen nachhaltig die gesellschaftlichen Strukturen dahingehend verändern, dass andere Modelle der Wirtschaftspolitik kaum mehr möglich sind. Die Finanzinstitutionen und die Mechanismen der Finanzmärkte tragen zur Durchsetzung der neoliberalen Hegemonie bei und werden gleichzeitig von ihr reproduziert: "Hegemonie geht also nicht nur von Staaten aus, sondern auch von privaten Akteuren, etwa multinationalen Konzernen oder Finanzmarktakteuren" (Malcher 2005: 82). 3.) In Argentinien als einem der späteren Transformationsländer leitete die peronistische Regierung Carlos Menem unter formal demokratischen Bedingungen die neoliberale Wende 1991 ein. Innerhalb kürzester Zeit setzte die Regierung massive Liberalisierungsmaßnahmen um und begann einen partiellen Privatisierungsprozess, der mit einem Niedergang der nationalen Industrie verbunden war. Zeitgleich wurde eine Koppelung des Pesos an den US$ (currency board) vorgenommen. Nach anfänglichen Protesten stieß der "Plan Cavallo" auf große Zustimmung breiter Bevölkerungssektoren, da eine wirksame Inflationsbekämpfung erfolgte. Hatte die Inflation 1990 noch 1344% betragen, waren 1995 nur noch Preissteigerungen in der Höhe von 1,8% zu verzeichnen (Messner 1997: 46). Das Ziel der "monetären Stabilität" erhielt nach den traumatischen Erfahrungen mit der Hyperinflation sogar Verfassungsrang, was die zentrale Funktion der erfolgreichen Inflationsbekämpfung für die Durchsetzung der neoliberalen Hegemonie in Argentinien unterstreicht (Boris 2002: 5ff.). Obwohl die Durchsetzung der neoliberalen Hegemonie in den drei Ländern auf unterschiedliche Art und Weise vonstatten ging, zeichnet sich ihre Wirtschaftspolitik durch hohe Übereinstimmung aus. Alle enthielten die wesentlichen Elemente einer neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik, wie sie die CEPAL definiert: (1) Steuerreform, (2) Marktöffnung, (3) Finanzliberalisierung, (4) Privatisierung, (5) Reform der sozialen Sicherungssysteme, (6) Arbeitsmarktreform (7) Antiinflations- und Strukturanpassungspolitik. Bis 1990 wurden die genannten Reformen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in nahezu allen Ländern Lateinamerikas umgesetzt (Ramos 1997: 19ff.). Dabei orientierte man sich an den Prinzipien, die 1990 im Washington Consensus festgehalten wurden.[22] Auffällig ist, dass neoliberale Politikmuster flexibel mit den spezifischen Politikstilen und -inhalten unterschiedlicher Regierungen und politischer Regime kombiniert werden können.[23] Auch wenn der Neoliberalismus in manchen Ländern unter diktatorischen Bedingungen eingeführt wurde, wurde er doch in allen Transitionsprozessen beibehalten oder überhaupt erst eingeführt (Gwynne/Kay 2000: 143). Auch in den Metropolen standen neoliberale Umstrukturierungen auf der Tagesordnung und teilweise orthodox neoliberal orientierte Politiker (z.B. Margaret Thatcher in Großbritannien, Ronald Reagan in den USA, Helmut Kohl in der BRD) waren an der Macht. Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus wurde als "Sieg der Marktwirtschaft" interpretiert und Regierungen mit einem anti-neoliberalen Programm, etwa die Regierung Menem in Argentinien und die Fujimori-Administration in Peru, änderten ihren politischen Kurs (Messner 1997: 45). Ohne die Schuldenkrise hätte es niemals eine so hohe gesellschaftliche Legitimität gegeben, trotz der zunächst schmerzhaften Einschnitte – massive Preissteigerungen, Tendenzen der Deindustrialisierung, schnelles Anwachsen der Arbeitslosenrate – die Umstrukturierungen zu billigen. Außerdem konnte das neoliberale Modell Anfang der 1990er Jahre große Erfolge vorweisen: In Argentinien und Peru wurde die Hyperinflation gestoppt, die Exporte stiegen an und – aufgrund der Überbewertung vergleichsweise preiswerte – ausländische Konsumwaren kamen auf die lateinamerikanischen Märkte. Der neoliberale Musterschüler Chile, der lange als Beleg für die Untauglichkeit (und die äußerste Brutalität) neoliberaler Politik gegolten hatte, konnte seit 1986 hohe Wachstumsraten vorweisen (Messner 1997: 46). Das Land erreichte in den 1990er Jahren sogar jährliche Zuwachsraten des BIP von 7,9% (Sangmeister 2000: 11). Und obwohl die neoliberale Wende nur unter Bedingungen massiver Repression vollzogen werden konnte, vertiefte sich diese Orientierung nach dem Übergang zur Demokratie. Viel gelobt wurden die beachtlichen makroökonomischen Erfolge, die in Lateinamerika in der ersten Hälfte der 1990er Jahre erzielt wurden: Zumindest bis 1997 führten die Liberalisierung der Finanzmärkte und der Privatisierungsboom zu einem Anstieg der ausländischen Investitionen. Bis 1997 sank die Inflationsrate auf unter 10%, was vorläufig einen phänomenalen Zugewinn an (relativer) Geldwertstabilität darstellte. Umfragen zeigen, dass in vielen lateinamerikanischen Ländern nach den Erfahrungen der Hyperinflation "monetäre Stabilität" zu einem "Wert an sich" (ähnlich wie Erhöhung der Einkommen, Bekämpfung der Kriminalität) geworden ist (Messner 1997: 47). Die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation brachte der neoliberalen Konterrevolution wohl die meiste Zustimmung ein, dicht gefolgt von der Tatsache, dass die Konjunktur wieder anzog. Die CEPAL errechnete für die Zeit von 1991 bis 1994 eine (kumulative) Steigerung des lateinamerikanischen Bruttosozialproduktes pro Kopf um 6,9%, nachdem es in der vorangegangenen Dekade (1981-1990) um 8,3% gesunken war.

Auswirkungen und Stabilisierungsmomente der neoliberalen Hegemonie

Mitte der 1990er Jahre hat sich auf (nahezu) dem ganzen Subkontinent eine neoliberale Wirtschaftspolitik durchgesetzt, die mit einer Transformation der Gesellschaftsstrukturen einhergegangen ist. Hat sich der Neoliberalismus auch unter unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen etabliert, ist das Ergebnis bei einer Analyse der sozioökonomischen Strukturen und Abhängigkeitsmuster sehr ähnlich. Die Demokratisierungsprozesse auf dem Subkontinent vertieften die Weichenstellungen und verhalfen ihnen zu einer langfristigen Absicherung. In der frühen Phase hatte das neoliberale Modell – abgesehen von neoliberalen Spitzen-Technokraten, Teilen der Export-Import-Bourgeoisie und der Finanzoligarchie – eine schwache soziale und politische Basis. Teile der dominanten gesellschaftlichen Sektoren unterstützten die neue Exportorientierung zunächst nicht, denn diese bedeutete verschärfte Konkurrenz auf den Binnenmärkten (Gywnne/Kay 2000: 146). Im Kontext der Schuldenkrise kam es zum Machtzuwachs der exportorientierten, transnationalisierten Kapitalfraktionen, die die neoliberale Wende befürworteten. Während der 1990er Jahre gab es eine Verschiebung dieser politischen Basis, nachdem z.B. die Regierung Cardoso in Brasilien (1995-2002) die Politik des Washington Consensus mit einer sozialen Abfederung implementierte. Diese Transformation der sozialen Basis machte den Neoliberalismus erst im eigentlichen Sinne hegemonial – der Konsens der Beherrschten war zumindest soweit hergestellt, dass kaum Repression nötig war, ihn aufrecht zu erhalten. Um diese Veränderung zu verstehen, lohnt ein Blick auf den Wandel der Sozialstruktur. Für Chile resümiert Max Koch (1998: 140f): "Die Militärregierung konnte beruhigt abtreten, denn sie hatte das Land nicht nur politisch und ökonomisch umgekrempelt, sondern ihm auch eine qualitativ erneuerte Sozialstruktur gegeben. Deren wesentliche Merkmale sind die strukturelle Stärkung der Unternehmerposition und die Schwächung der Arbeitnehmerlagen (...). Als Kennzeichen der Restrukturierungsphase der chilenischen Sozialstruktur ist eine Differenzierung des sozialen Raums zu erkennen, die eine kollektive Organisation der einzelnen Interessengruppen immer schwieriger macht." Mit den neoliberalen Umstrukturierungen ging eine langfristige Schwächung der in der Phase der Importsubstitution begünstigten sozialen Schichten einher. Auch in Argentinien waren diese längerfristigen und strukturellen Veränderungen gerade für die Arbeiterbewegung bedeutsam: "Mit dem Prozess der partiellen Deindustrialisierung, wie er in der Militärperiode (1976-1983) begonnen hatte und vor allem unter der Präsidentschaft des Peronisten Carlos Menem beschleunigt fortgesetzt wurde, verringerte sich das Gewicht der industriellen gewerkschaftlichen Konflikte, vor allem im Privatsektor. Zum zweiten verringerte sich die Konflikthäufigkeit seit Beginn der 1990er Jahre in dem Maße, wie die Arbeitslosigkeit (infolge der neoliberalen Öffnungs- und Privatisierungspolitik) anstieg" (Maceira/Spaltenberg 2001: 24). Im System der ISI waren neben der heimischen Industrie die urbanen Mittelschichten, insbesondere die staatlichen Beschäftigten, sowie die Industriearbeiterschaft verhältnismäßig privilegiert, und sie waren auch die Hauptträger der klassischen Populismen, wie dem Peronismus. Teile dieser Sektoren wurden nun im Neoliberalismus durch Handelsliberalisierung, Privatisierung, Reduktion der staatlichen Bürokratie und partielle Deindustrialisierung benachteiligt. Die gesellschaftlichen Kräfte, die auf das neoliberale Paradigma gesetzt hatten, etwa exportorientierte, großindustrielle und finanzkapitalistische Kapitalfraktionen, zogen klare Vorteile aus den Veränderungen. Zumindest passive, häufig aber auch aktive Zustimmung verzeichneten neoliberale Politikoptionen auch unter den Marginalisierten und städtischen Armen. Mit einer anti-etatistischen Rhetorik, die sich gegen die "korrupte Politikerklasse", die "Gewerkschaftsfunktionäre" und die "Bürokratie" wendete, gelang es neoliberalen Politikern wie Alberto Fujimori (1990-2000) in Peru, sich mit neopopulistischen Strategien als Modernisierer und als programmatisch zukunftsweisend darzustellen. Dabei waren "die vorhandenen Institutionen der Interessenvertretung und politischen Artikulationen in den Augen marginalisierter informeller Sektoren vorrangig Strukturen der Pfründenverteilung und Privilegiensicherung gewesen (...), die vor allem der formellen Arbeiterklasse, den Mittelschichten und der städtischen Bourgeoisie zugute kamen, jedoch nicht ihre spezifischen Interessen zur Geltung brachten. Ebenso kamen (und kommen) die sozialen Sicherungssysteme vor allen Dingen den Mittel- und Oberschichten zugute. Die in den Populismen der Importsubstitutionsphase relativ Privilegierten sind folglich die am stärksten Benachteiligten innerhalb des neoliberalen Regimes (...). Die Repräsentanten dieser Politik stützen sich vor allem auf die Gefolgschaft marginalisierter Sektoren, welche an den traditionellen Redistributionsmechanismen kaum partizipieren und folglich mit der Forderung nach Abbau staatlicher Eingriffe vornehmlich die Beseitigung von Privilegien assoziieren. So etabliert sich eine neue Allianz zwischen neoliberalen Kräften an der Spitze der Gesellschaft und einem marginalisierten Sektor am unteren Ende der sozialen Hierarchie" (Boris 2001: 106f.). Die dabei praktizierten neoliberalen Anrufungen, die Eigeninitiative, Selbstbestimmung und individuelle Konkurrenzmechanismen in der Gesellschaft betonen, knüpften nicht nur an den Alltagsverstand der dominanten Sektoren der Gesellschaft an, sondern, wenn auch auf anderem Niveau, auch an den der Marginalisierten. Diese Betonung von Individualisierung verbunden mit einem spezifischen Leistungsdiskurs bildet ein Herzstück neoliberaler Ideologie: "Das Spezifikum der neoliberalen Rationalität liegt in der anvisierten Konkurrenz zwischen einem eigenen verantwortlich-moralischen und einem rational-kalkulierenden Subjekt. Sie zielt auf die Konstruktion verantwortlicher Subjekte, deren moralische Qualität sich darüber bestimmt, dass sie die Kosten und Nutzen eines bestimmten Handelns in Abgrenzung zu möglichen Handlungsalternativen rational kalkulieren" (Lemke 2000: 38 zit. nach Kühl 2004: 42). Ab den späten 1980er Jahren hat sich in Lateinamerika eine Markt- und Konkurrenzmentalität entwickelt, die als ideologisch kulturelle Dimension eine entscheidende Rolle bei der Legitimierung der Marktpolitik spielte. "Der Kult des Privateigentums und die maßlose Kommodifizierung des alltäglichen Lebens (Naturschätze, Gesundheit, Ruhestand, Bildung, Haus bzw. Wohnung, Freizeit, Entspannung usw.) bildeten jahrelang die Leitlinien der Begründung und Ausweitung eines umfassenden neoliberalen Konsenses" (Algranati/Seoane/Taddei, 2004: 48). Jahrelang schien keine politische Alternative denkbar zu sein, ein bedeutender Anteil der Eliten und Produzenten von Wissen wandten sich neoliberalen Denkmustern zu, während abweichende Meinungen kaum noch Gehör fanden. So lässt sich auch für die CEPAL eine neoliberale Wende konstatieren, wobei sie sich schnell von einem ausschließlich neoliberalen Programm abgrenzte.[24] Folgt man den Ausführungen von Alex Demiroviæ und Mario Candeias, dass Hegemonie nicht bedeutet, "die Widersprüche zu beseitigen, sondern ihnen unter bestimmten Bedingungen eine Form zu geben" (Demiroviæ 1987: 63 zit. nach Candeias 2004: 45) und dass sie "im wesentlichen auf der Anerkennung der Vorstellung, dass keine Alternativen zur jeweiligen Form der Vergesellschaftung existieren" beruht (Candeias 2004: 45), dann muss zumindest für die Zeit der frühen 1990er Jahre eine neoliberale Hegemonie in den meisten Ländern Lateinamerikas konstatiert werden.[25] Die potenziellen Gegenkräfte – die sozialen Bewegungen – waren zu dieser Zeit mitunter in das neoliberale Projekt eingebunden. Die klassische Arbeiterbewegung war – mit der Ausnahme der neuen Arbeiterbewegung in Brasilien ab den späten 1970er Jahren – durch massive Repression von den Militärdiktaturen geschwächt und/oder hatte nicht zuletzt durch populistische Projekte keine allzu systemkritischen Ansätze hervorgebracht. Auch aufgrund sozialstruktureller Veränderungen hatte sie zudem an Kampfkraft und Bedeutung verloren. Allgemein lässt sich für die Unterstützung linker Organisationen, etwa den chilenischen Stadtteil- und Frauenbewegungen, eher ein Rückgang in der Phase der Demokratisieru

Leseprobe 2

Dieter Boris / Stefan Schmalz / Anne Tittor
Reflexionen zur "neoliberalen Hegemonie" in Lateinamerika "Überlebte Gesellschaften pflegen langsam zu sterben. Selbst wenn sie keine Kraft mehr besitzen, halten sie sich noch lange, und das Geflecht ihrer Wurzeln behindert das Wachstum neuer Triebe. Diese Konfrontation zwischen Altem und Neuem bedarf der sorgfältigen Untersuchung, denn sie enthüllt die wahre Identität sowohl der untergehenden wie der heraufziehenden neuen Zeit."
Der französische Mediävist Guy Bois in seinem Buch "Umbruch im Jahr 1000", München 1999: 16 1. Die ökonomische und politische Entwicklung in Lateinamerika seit etwa 2001/02, speziell der Regierungsantritt verschiedener Mitte-Links-Regierungen (Argentinien, Brasilien, Uruguay und schon seit 1999 Venezuela) hat die Frage aufgeworfen, ob es dort zum Niedergang, Verfall oder gar dem Ende der neoliberalen Hegemonie gekommen ist; des Weiteren ist ungeklärt, wie die sich dort abzeichnende oder weiter zu erwartende Entwicklung zu beurteilen ist. Entspricht der mehr oder minder anti-neoliberale Diskurs dieser Regierungen den von ihnen durchgeführten politischen Maßnahmen? In welchem Verhältnis stehen Momente der Kontinuität zu solchen der Diskontinuität? Diese Fragen erweisen sich bei näherem Hinsehen als relativ komplex und sind in dieser Allgemeinheit und ohne Vorklärungen kaum zu beantworten. Abgesehen von der immer zu beachtenden Länderspezifik sind auch viele begriffliche und theoretische Probleme in diese Fragen eingeschlossen. Zunächst müsste darüber nachgedacht werden, was wir unter "neoliberaler Hegemonie" verstehen wollen. Überdies müsste darüber reflektiert werden, was "Hegemonie" in einem peripheren Land – ohne ausgebildete, historisch gewachsene zivile Gesellschaft (im Sinne Gramscis) – bedeuten könnte. Des Weiteren ist die zeitliche und räumliche Variabilität von neoliberaler Hegemonie zu reflektieren, die ja auch unterschiedlich intensiv und tief verankert ist. Schließlich ist die historische Tatsache zu bedenken, dass in der Peripherie bislang nie ein Paradigmenwechsel oder Hegemoniewandel ohne entsprechende vorgängige Prozesse in den Metropolen stattgefunden hat (siehe 1870/80, 1930ff., 1982ff.).[1] 2. Bei hegemonietheoretischen Untersuchungen zu Lateinamerika sind vor allem drei Punkte von zentraler Bedeutung: a) Zunächst beeinflusst die (semi-)periphere Position des Subkontinents im globalen Kapitalismus maßgeblich die Herstellung und Ausübung von Hegemonie. Hierbei lassen sich verschiedene Dimensionen ausmachen: Erstens wird die wirtschaftliche Entwicklung in der lateinamerikanischen (Semi-)Peripherie stark von den ökonomischen Abhängigkeitsmustern, etwa den tendenziell sich verschlechternden terms of trade, der technologischen Abhängigkeit von den Zentren und der ökonomischen Durchdringung des Subkontinents durch ausländische transnationale Konzerne, aber auch neue Formen der Dominanz der internationalen Finanzmärkte oder der Festschreibung von Wirtschaftsstrukturen durch internationale Handelsverträge, wie der geplanten panamerikanischen Freihandelszone ALCA beeinflusst. Zum anderen spiegelt sich diese ökonomische Abhängigkeit in der Herausbildung von spezifischen (transnationalisierten) Klassenfraktionen wider, die wie bereits Fernando Henrique Cardoso und Enzo Faletto (1976: 31) treffend anmerkten, maßgeblich von der vorherrschenden Einbindung in den Weltmarkt profitieren und damit zu Garanten der Festschreibung der semiperipheren Position der lateinamerikanischen Volkswirtschaften werden. Außerdem wird gerade dieser Prozess der Transnationalisierung von Klassenstrukturen von einer gewissen Internationalisierung und Transformation von Staatlichkeit in der Peripherie begleitet, welche seit den späten 1980er Jahren eine neue Qualität erreicht hat. Vor allem Institutionen wie der IWF, die WTO oder die Weltbank gewannen eine neue Bedeutung als wichtige Regulierungsinstanzen der Weltwirtschaft, die einen großen Einfluss auf die Gestaltung der internen Wirtschaftspolitik (semi-)peripherer Länder besitzen. Diese Institutionen können als eine über den Nationalstaaten angesiedelte Verdichtung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse "zweiten Grades" begriffen werden (Brand 2005: 53), in denen die Zentrenstaaten eine klare Vormachtstellung besitzen. Auf diese Weise dienen sie als ein Rückzugspunkt für die Durchsetzung der Interessen der dominanten Sektoren in Lateinamerika. Denn falls sich die sozialen Kräfteverhältnisse auf der nationalen Ebene in den einzelnen lateinamerikanischen Gesellschaften verschieben sollten, bleiben die Machtrelationen in den supra- bzw. multinationalen Organisationen oftmals unangetastet. Hiermit verbindet sich ein weiterer Punkt: Die internen Kräfteverhältnisse in den Zentren stecken infolge der ökonomischen, sozio-strukturell und institutionell vermittelten Abhängigkeit die Rahmenbedingungen der Entwicklungsweise der lateinamerikanischen Länder ab. b) Darüber hinaus artikuliert sich die (semi-)periphere Position Lateinamerikas im globalen Kapitalismus in einer charakteristischen Sozialstruktur, die mit der Marginalität großer Teile der Einwohner des Subkontinents einhergeht. Die Marginalität ist die Folge eines komplexen Gesamtensembles verschiedener Produktions- und Subsistenzformen, die nebeneinander existieren und miteinander korrespondieren. Diese "strukturelle Heterogenität" (Córdova 1973) spiegelt sich in einer Fülle von Widersprüchen wie der Koexistenz von hochentwickelten industriellen und marginalen Sektoren, einem ausgeprägten Stadt-Land-Gegensatz, hoher struktureller Arbeitslosigkeit und einer extrem ungleichen Einkommensverteilung wider. Diese spezifische Anatomie der lateinamerikanischen Gesellschaftsformationen zieht wichtige Implikationen für die Herstellung und Aufrechterhaltung von Hegemonie nach sich. Denn der Block an der Macht gruppiert sich zwangsläufig primär um die integrierten Sektoren, wobei immer wieder populistische politische Anrufungen, etwa durch den Peronismus (1946-1955) oder Vargaismus (1937-1945) produziert werden, um Teile der marginalen Bevölkerungssektoren mittels materieller und ideeller Konzessionen temporär in den hegemonialen Block zu integrieren. Ferner führen die extrem ungleiche Einkommensverteilung und die damit einhergehenden sozialen Auseinandersetzungen fast regelmäßig zum Wiederaufleben repressiver Politikmuster, wie es in der Hochphase der Militärdiktaturen während der 1970er Jahre zu beobachten war. c) Zuletzt muss die Rolle einer für Lateinamerika typischen politischen Kultur erwähnt werden, die zwar auf der einen Seite in vielen Ländern, etwa in Bolivien oder Ecuador, zu einem stetigen Wechsel von Regierungen infolge von sozialen Krisen und "golpes" und "contra-golpes" führt, aber paradoxerweise zur Stabilität der Hegemonie des Machtblocks beiträgt. Diese "Stabilität durch Instabilität" scheint ein sich wiederholendes Muster in der politischen Kultur zu sein, bei dem soziale Widersprüche dahingehend bearbeitet werden, dass trotz massiven Protestes keine tiefgreifenden politischen Änderungen zu verzeichnen sind. Ungeachtet häufiger Regierungswechsel werden die politischen Weichenstellungen nicht verändert – Hegemonie verfällt nur in der öffentlichen Meinung. Denn diese explosionsartigen sozialen Auseinandersetzungen binden sich oftmals nicht in institutionell-organisatorischen Formen, etwa parteiförmigen Strukturen, sondern entladen sich und führen lediglich, um einen Gramscianischen Terminus aufzugreifen, zur ständigen Wiederkehr einer "passiven Revolution" im Sinne eines von oben eingeleiteten Modernisierungsprozesses des Staates. Die in der von der politischen Rechten dominierten politischen Kulturforschung immer wieder hervorgebrachten Argumente für eine Reform des politischen Systems oder des Rechtssystems oder der stärkeren Institutionalisierung von Partizipationsmöglichkeiten berühren daher durchaus reale Probleme auf dem Subkontinent, ohne jedoch die soziale Grundlage für diese Prozesse angemessen zu benennen und zu analysieren (Thesing 1994). Für eine tiefergehende hegemonietheoretische Untersuchung muss deswegen im Auge behalten werden, dass nicht jede plötzliche, hurrikanartige soziale Auseinandersetzung – wie z.B. die heftigen Turbulenzen in Argentinien 2001/02 – als ein zuverlässiger Indikator für den Verfall von Hegemonie zu bewerten ist. 3. Angesichts der internen und externen Umstände und Zeiträume bei der Etablierung der neoliberalen Hegemonie in Lateinamerika kann unseres Erachtens nur von einer relativ oberflächlichen und teilweise künstlichen Hegemonie, die eben nicht längerfristig und tieferliegend angelegt war – d.h. von zivilen, privaten Organisationen getragen und breit sozialisiert wurde – gesprochen werden. In Lateinamerika handelte es sich um einen von außen (im Gefolge der Schuldenkrise) angestoßenen Strategiewechsel in der allgemeinen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Orientierung auf höchster Ebene, der erst später propagandistisch, organisatorisch und politisch "nach unten" diffundiert wurde. Bei der Herstellung eines "spontanen" Konsens in der subalternen Bevölkerung haben Erziehungs- und Bildungsprozesse eine nicht unerhebliche Bedeutung (Bernhard 2005: 123), sie scheinen aber in Lateinamerika – außer in Chile – bei der Einführung des Neoliberalismus keine nennenswerte Rolle gespielt zu haben. Gerade der zuletzt genannte Fall weist insofern Besonderheiten auf als er a) in Lateinamerika eine Pionierrolle spielte, b) der Neoliberalismus nicht im Gefolge der Schuldenkrise, sondern nach einem blutigen Militärputsch gegen eine sozialistische Regierung zunächst manu militari eingeführt wurde und er daher c) besonders breiter und intensiver Propagierungsmechanismen bedurfte (Fischer, 2002: 225ff.).[2] 4. Die Erlangung neoliberaler Hegemonie wurde erleichtert, weil die vorangegangene wirtschaftspolitische Grundstrategie erschöpft und korrumpiert erschien. Gelegentlich war sie sogar mit dem Odium autoritär-staatlicher bzw. diktatorischer Herrschaft verwoben. Neoliberale Politik wurde häufig als Befreiung von bürokratisch-staatlichen Fesseln, von Korruption und Vetternwirtschaft verkauft: Wo nur die anonymen Gesetze des Marktes obwalten, könne es personale Herrschaft und Abhängigkeitsbeziehungen nicht mehr geben. Andererseits war die Präsenz des Staates im gesellschaftlichen und ökonomischen Bereich nicht durchweg negativ besetzt. Deswegen scheint es heute, im Rückblick, fraglich, ob man von einer wirklichen neoliberalen Hegemonie als Projekt sprechen kann, wenn man einen sehr weitgehenden und positiven Begriff davon besitzt. Wenn davon ausgegangen wird, dass Hegemonie mehr als nur die stillschweigende passive Einwilligung der Massen bedeutet und vielmehr die aktive Zustimmung und das selbstmotivierte Engagement der subalternen Klassen einschließt, dann erscheint es vielleicht fragwürdig, in Lateinamerika von einem neoliberalen hegemonialen Projekt zu sprechen.[3] Unterstellt man, "dass politische, insbesondere ›hegemoniale‹ Projekte niemals nur auf materiell hergeleiteten Interessen und den rationalen Strategien sozialer Akteure beruhen", sondern sie "immer auch Bedeutungen, Interpretationen, kulturelle Formen, Ideologien, subjektive Gefühle, Vorstellungen etc." umschließen (Bieling/Steinhilber 2000: 107), so ist es fraglich, ob in Lateinamerika diese "affektive Imagination" oder dieser positive, motivierende soziale Mythos für die neoliberale Hegemonie in Lateinamerika eine derart konstitutive Rolle gespielt hat. Eine aktive Zustimmung und Propagierung von breiten Bewegungen für eine "neoliberale Revolution" hat es zweifellos in Lateinamerika nicht gegeben.[4] So wäre zu überlegen, ob der Begriff Gramscis von einer "passiven Revolution" für den Übergang zum Neoliberalismus auch für Lateinamerika der angemessene ist. "So bedeutet z.B. die ›passive Revolution‹ einen tiefgehenden Wandel der sozialen und ökonomischen Beziehungen, ohne dass ihm eine starke Volksbewegung vorangegangen wäre ... Konkret historisch kann eine ›passive Revolution‹ bei Gramsci aber recht verschiedene Wertungen erfahren. Als ›passive Revolution‹ ist z.B. der Fordismus nicht vollständig als ›Restauration‹ zu verstehen, da er auch sozialen Fortschritt produzierte." (Kebir 2004: 37). Passend ist für Lateinamerika aber durchaus ein (eher eingegrenzter) Hegemoniebegriff, der Hegemonie konstatiert, wenn die Vorstellung allgemein anerkannt ist, dass es zu der jeweiligen Form der Vergesellschaftung keine Alternative gäbe. Damit besteht Hegemonie nicht nur, wenn die Stabilität einer bestimmten Ordnung gegeben ist, sondern dann, wenn eine historische Konstellation in der Lage ist, der Bearbeitung von gesellschaftlichen Widersprüchen eine bestimmte Richtung und Form zu geben (Candeias 2004: 45). 5. Das Element des "aktiven Konsenses", die mythisch-affektive Verklärung eines Projekts – hier des neoliberalen – wurde nicht wirklich in den Köpfen und Herzen der Massen verankert; eine derartige Begeisterung für die neoliberale Wende war wohl zunächst nur bei neoliberalen Spitzen-Technokraten, bei relevanten Teilen der Export-Import-Bourgeoisie und der Finanzoligarchie zu verspüren. Zudem wurde die neoliberale Orientierung gewissermaßen konditioniert durchgesetzt in der Weise, dass eine materielle Besserstellung und Konsolidierung der Lebensverhältnisse in der Regel das unmittelbare Versprechen der neoliberalen Wende-Politiker war, wofür sich insbesondere die Bevölkerung des informellen Sektors empfänglich zeigte. Man könnte auch argumentieren, dass ein aktiver Konsens oder eine enthusiastische Zustimmung zu den ersten makroökonomischen Stabilisierungsmaßnahmen nach der Verschuldungskrise kaum denkbar und nicht nötig war, da eine alternative Strategie zur Öffnung der Ökonomie und zur Exportorientierung nicht – jedenfalls innerhalb der nationalen und internationalen Kräfteverhältnisse von damals – zur Verfügung stand. Aus diesem Grund war die Einführung und Implementierung dieser ersten Phase der neoliberalen Reformen nicht stark von der breiten Zustimmung der Bevölkerung abhängig. Zum anderen war es ja häufig so, dass nicht wenige zu Regierungschefs gewählte Politiker mit einem traditionellen, staatszentrierten Diskurs in den Wahlkampf gegangen waren, aber nach Beginn der Regierungstätigkeit einen diametral entgegengesetzten Kurs einschlugen (z.B. Fujimori, Menem, A. Perez etc.). Die zeitweise aufflammenden Proteste gegen diese Missachtung und Verhöhnung des Wählerwillens legten sich aber in den meisten Fällen bald, als die einzelnen neoliberalen Maßnahmen, z.B. bezüglich der Bekämpfung der Hyperinflation, zu greifen begannen. Es war zugleich die große Stunde der Technokraten, die nun die vorderste Bühne der Politik betraten (Maihold 1999: 169f.). Dennoch wurden Politiker mit neoliberalem Kurswechsel meist einmal wiedergewählt; die für den Neoliberalismus charakteristische Marktkultur wurde durchaus von vielen Mitgliedern der lateinamerikanischen Gesellschaften – wenn vielleicht auch nicht in US-amerikanischen und europäischen Dimensionen – übernommen. 6. Die feste Etablierung und Aufwertung der Technokraten, vor allem im ökonomischen Bereich, und die damit einhergehende Hegemoniegewinnung des Neoliberalismus war u.a. dadurch vermittelt, dass in der Zeit nach dem Beginn der Verschuldungskrise und der Strukturanpassungsprogramme die neoliberalen Ökonome eine wichtige Scharnierfunktion zwischen internen gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen und den externen Instanzen einnahmen. Sie waren gewissermaßen lokale Garanten der Durchsetzung einer – auch und vor allem außerhalb Lateinamerikas (bei den multilateralen Finanzinstitutionen, den ausländischen Gläubigern etc.) geforderten – wirtschaftspolitischen Leitlinie (Silva 1998: 79). Zwar begann der Aufstieg der neoliberal orientierten Technokraten in einigen Ländern unter strengen diktatorischen Bedingungen (Chile, Uruguay, Argentinien). Im Diskurs über eine neutrale, technokratisch und rational zu implementierende Politik, die eigentlich Antipolitik (pragmatisch und nicht-ideologisch) ist, d.h. gerade gegen die traditionellen Politiker und politischen Ideologien gerichtet ist und in der Forderung nach der Abgehobenheit der Exekutive gegenüber den gesellschaftlichen Interessengruppen und Auseinandersetzungen – treffen sich die Militärmachthaber und Technokraten auf einem gemeinsamen Terrain. Insofern kann von einer "selektiven Affinität" (Silva) zwischen Technokraten und Militärregimes gesprochen werden. Aber auch nach dem Übergang zu formellen Demokratien wurden nicht selten die neoliberalen Orientierungen und die sie implementierenden Technokraten in der Exekutive bestätigt und in ihrem Rang weiter aufgewertet. Dies kann einerseits durch die Stärke des finanziellen, internationalen und nationalen Establishments (der Rechten) erklärt werden, muss aber auch mit der Schwäche und Alternativlosigkeit einer Linken gerade in jenen Ländern in Zusammenhang gebracht werden, in denen es im Gefolge der Militärdiktaturen zu traumatischen, kollektiven Eindrücken und zu Erinnerungen an eine von heftigen politischen Turbulenzen und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen geprägten Vergangenheit gekommen war (Silva 1998: 81f.). Das fast obsessive Suchen nach Vereinbarungen und Konsens zwecks Herstellung einer fetischisierten Regierbarkeit hatte in vielen Ländern zur Folge, dass viele politische Kernfragen tendenziell entpolitisiert wurden und diese Entpolitisierung und Hinwendung zum privaten Konsum auch von großen Bevölkerungsteilen hingenommen und akzeptiert wurde. In diesem Klima wird es verständlich, dass diametrale Interessengegensätze und polare Herrschaftsbeziehungen anders gedeutet und gesehen wurden, als sie strukturell vorhanden sind. Die für die Erlangung von politischer und teilweise kultureller Hegemonie typische Umbiegung von Antagonismen in bloße Differenzen, die jederzeit ausgehandelt und geschlichtet werden können, konnte in solchen post-diktatorischen Gesellschaften relativ leicht erreicht werden (Laclau 1981: 140f.). 7. Diese Form von Hegemonie, die darin besteht, tendenziell systemfeindliche Modi der Bearbeitung von Widersprüchen von vornherein mit Erfolg auszuschließen, dauerte in den meisten lateinamerikanischen Ländern nicht sehr lange, je nach Land ca. zehn bis 15 Jahre.[5] Man könnte darüber streiten, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine so kurze Phase als Hegemonie zu beschreiben. Wenn zur Zeit tatsächlich das Ende des Neoliberalismus in Lateinamerika eingeleitet wird, dann sollte man vielleicht im Rückblick den für diese Periode verwandten Begriff der "neoliberalen Hegemonie" relativieren. Sicherlich war der Neoliberalismus nie so hegemonial wie seinerzeit das Export-Import-Regime (1870-1929), das selbst von seinen potenziellen Gegenkräften (wie etwa der meist anarchosyndikalistisch orientierten Arbeiterbewegung) nicht in Frage gestellt wurde.[6] Auch während der Phase der Importsubstituierenden Industrialisierung gab es gewaltige gesellschaftliche Instabilitäten und mächtige soziale Kräfte, die das Modell umgestalten, transformieren oder ganz ersetzen wollten. Auch wenn es sich seit ca. 1955 in einer instabilen Phase befand, blieb es trotzdem bis ca. 1982 dominantes Entwicklungsmodell. Zur Zeit sieht es so aus, als wenn die Phase des klar hegemonialen Neoliberalismus vor allem durch zwei miteinander verbundene Elemente gestört bzw. beendet wurde. Zum einen durch die schwachen Ergebnisse der neoliberalen Wirtschaftspolitik in Bezug auf Wachstum, Beschäftigung, Armutsreduktion etc. Zum anderen durch die wiederbelebten sozialen Bewegungen mit anti-neoliberaler Stoßrichtung, die ihre Mobilisierungskraft gerade auch aus den defizitären wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Resultaten des neoliberalen Regimes zogen. Nachdem zu Anfang der 1990er Jahre mittlere, in einigen Ländern sogar hohe Wachstumsraten erreicht worden waren, schien gegen Ende dieses Jahrzehnts das neoliberale Strohfeuer verpufft zu sein. Die sich häufenden Währungs- und Finanzkrisen, niedrige bis negative Wachstumsraten, das Ausbleiben weiterer Direktinvestitionen (nach Abschluss der Privatisierungswelle) und der spekulative Zufluss von Geldkapital für Staatsanleihen zeigte nicht nur die hochgradige ökonomische Verletzlichkeit dieses Modells, sondern auch seine Folgen in Bezug auf soziale Polarisierung, mit anhaltender hoher Armutsquote, beträchtlicher Beschäftigungslosigkeit etc.[7] Die positive Lesart der neoliberalen Politikversprechen ließ sich immer weniger mit der Realität vereinbaren. An diesen Schwachpunkten neoliberaler Orientierung bildeten sich im Laufe der 1990er – zunächst vereinzelt und/oder in abgelegenen Regionen und daher weitgehend "unbemerkt" – unterschiedliche soziale Bewegungen, wie z.B. die Arbeitslosenbewegung (Piqueterobewegung) in Argentinien, die auf dem Höhepunkt der Krise 2001/02 eine bedeutende Rolle spielte. Lange vorher hatte sich die zapatistische Bewegung in Chiapas/Mexiko der Öffentlichkeit präsentiert, nachdem sie sich über zehn Jahre organisatorisch und programmatisch vorbereitet hatte. Auch andere Bewegungen, wie die ebenfalls in ihrer Entstehung weit zurückreichende Landlosenbewegung in Brasilien (MST) oder die indigenen Bewegungen in Ecuador und Bolivien waren politische Artikulationen, die sich gegen massive Benachteiligungen und Diskriminierungen in wesentlichen Aspekten der Lebenslage wandten und deren hoher Mobilisierungsgrad gegen Ende der 1990er Jahre und Anfang des 21. Jahrhunderts auch auf die sozialen Zuspitzungen im Gefolge neoliberaler Politik zurückzuführen war (Algranati u.a. 2004). Dennoch ist es bezüglich der wirtschaftspolitischen Grundentscheidungen der neoliberalen Phase in den meisten Ländern Lateinamerikas nicht zu einer eindeutigen Kurskorrektur gekommen. Dies scheint mit dem Profil und dem ökonomischen Gewicht dieser Bewegungen zusammenzuhängen. "Die Bewegungen finden an den Rändern der Gesellschaft statt, und das ist wohl ihre schwerwiegendste Begrenzung. Die beschriebenen Tendenzen zeigen sich im Lakandonischen Urwald, aber nicht in der mexikanischen Maquila-Industrie, die für den Weltmarkt produziert, sie zeigen sich bei den Besetzungen der Landlosen, aber nicht in den Autofabriken in Brasilien. Sie sind bei Piqueteros zu finden (wo ehemalige Ölarbeiter aktiv sind), aber nicht in der Erdölindustrie Argentiniens. Die besten Experimente mit hierarchiefreiem Leben müssen begrenzt bleiben, solange die reale Macht nicht beseitigt ist und die Ausbeutung drum herum weitergeht. Die entscheidende Frage wird sein, ob die neuen Antworten eine Randerscheinung bleiben, oder ob sie von denjenigen aufgenommen werden, die das System mit ihrer Arbeit am Laufen halten – und die in der Lage wären – die kapitalistische Maschine zu stoppen" (Wildcat, No. 73, Frühjahr 2005: 27). 8. Stellt man die relativ hohe Kontinuität dieser Elemente, die mit der neoliberalen Hegemoniegewinnung im Zusammenhang standen in Rechnung, so wird man den durch die neuen Mitte-Links-Regierungen angeblich angezeigten Bruch mit dem neoliberalen Diskurs relativieren müssen. Die Diskontinuität bezieht sich vor allem auf die Diskurs- und Stilebene, auf Elemente an der Oberfläche und weniger auf die durch den Neoliberalismus geschaffenen wirtschaftspolitischen Institutionen und Verhältnisse. So z.B. ist bislang nirgendwo die Öffnung der Ökonomien, die Unabhängigkeit der Zentralbanken, die hervorgehobene Bedeutung der Geld- und Fiskalpolitik in Zweifel gezogen worden. Von einer Umkehr in Bezug auf die privatisierten Staatsunternehmen und der Liberalisierung der Arbeitsmärkte ist bislang ebenfalls wenig zu hören. So muss Atilio Borón zugestimmt werden: "Im gegenwärtigen Moment ist ein bemerkenswertes Auseinanderklaffen zwischen einer unübersehbaren Schwächung neoliberaler Impulse in den Bereichen der Kultur, des öffentlichen Bewusstseins und der Politik einerseits und, zur gleichen Zeit, deren eingewurzelter Fortdauer auf dem entscheidenden Terrain der Wirtschaft und des ›Policy-Making‹ andererseits festzustellen" (Borón 2004: 43). 9. Aus all diesen Gründen (Umstände der Einführung des Neoliberalismus, Art und Intensität seiner Verankerung, ambivalente Wirkungsweise und Fortbestehen zentraler Regulierungsfaktoren des Neoliberalismus etc.) kann man in Bezug auf die neuen Mitte-Links-Regierungen und ihren teilweise anti-neoliberalen Diskurs zwar von einer Schwächung oder Krise der neoliberalen Hegemonie im hier angedeuteten begrenzten Sinne ausgehen. Aber es scheint gleichzeitig angemessen zu sein, mit Aníbal Quijano hinzuzufügen, dass es sich hier um einen Versuch "der Reorganisation der bürgerlichen Hegemonie" (Quijano 2004: 83) handelt. Denn es geht in der Agenda dieser Regierungen nicht um die weitergehende Perspektive eines irgendwie gearteten anti-kapitalistischen Projekts, sondern um die Korrektur der schlimmsten "neoliberalen Auswüchse". Das heißt, angestrebt wird die Wiedereinführung einer nationalen oder regional ausgelegten, staatszentrierten Regulierung, die Elemente der sozialen Wohlfahrt für bislang ausgeschlossene Bevölkerungssegmente enthält. Die ökonomischen und politischen Bedingungen, intern wie international, sind indes für ein derartiges Vorhaben weitgehend abwesend. Infolgedessen muss die konkrete Ausformung eines möglichen neuen Modus von bürgerlicher Hegemonie in Lateinamerika als offen angesehen werden. Da die nationalstaatlich steuerbaren und verfügbaren Ressourcen ebenso zusammengeschmolzen sind wie die fungierenden nationalen Kapitalgruppen, unterliegen alle solche Ausbruchsversuche dem restaurativ wirkenden Magnetfeld neoliberaler Institutionen. Insofern ist Vorsicht gegenüber vorschnellen und leicht euphorisierten Feststellungen geboten, die davon ausgehen, dass "dem gescheiterten neoliberalen Kapitalismusprojekt" Alternativen gegenüber "gestellt werden" (Thimmel 2005: 154). Auf der anderen Seite sollte die Möglichkeit eines stärker national und regional zentrierten Entwicklungsmodus – unter Beteiligung bürgerlicher Kräfte – nicht ausgeschlossen werden. Eine völlige Negierung dieser Möglichkeit käme einer Akzeptanz des Postulates "there is no alternative", sozusagen einem TINA-Verdikt unter veränderten Vorzeichen gleich: Es gibt – unter der Schwelle der Systemveränderung – keine Alternative zum Neoliberalismus (auch) in der Peripherie. Die wieder auflebende Diskussion über "nationale Bourgeoisien" in der Peripherie ist ein Zeichen dafür, dass diese Möglichkeiten theoretisch und praktisch zur Zeit ausgelotet werden (Chibber 2004; Realidad Económica 2004). 10. Die gegenwärtige Übergangsphase in einigen Ländern Lateinamerikas ist also durch eine Schwächung neoliberaler Politikelemente sowie durch Restrukturierungsversuche der bürgerlichen Hegemonie gekennzeichnet, wobei unterschiedliche soziale Bewegungen mit variierendem politischen Gewicht und Mobilisierungsgrad sich in diesen Prozess einbringen, um bestimmten Forderungen Nachdruck zu verschaffen. Es wäre also sicher verfehlt, von einer vorrevolutionären oder gar revolutionären Situation zu sprechen und einschneidende historische Wendepunkte von dieser Periode der relativen Öffnung politischer Möglichkeiten zu erwarten. Gleichwohl haben sich in den letzten fünf Jahren in Lateinamerika diskursive Felder und konkrete Handlungsspielräume für eine andere Politik geöffnet. Bestimmte Momente, wie etwa die Versuche der lateinamerikanischen Integration, Ansätze einer Süd-Süd-Kooperation, die politische Artikulation der sozialen Widersprüche in Venezuela, die Umgangsweise mit dem IWF seitens Néstor Kirchners (nicht aber Luiz Inácio "Lula" da Silvas) deuten Momente des Bruchs an. Wenngleich es immer problematisch ist, über zukünftige Tendenzen zu spekulieren, scheint es legitim zu sein, über die in der Konstellation angelegten Entwicklungsmöglichkeiten nachzudenken. Grundsätzlich scheinen drei zu unterscheidende Entwicklungsvarianten für die von Mitte-Links-Regierungen geführten Länder denkbar zu sein. 1. Rückkehr zu einem relativ unverblümten Neoliberalismus nach Überwindung der politischen und ökonomischen Krisenperiode, wie es z.B. nach der tiefen Krise in Chile 1982/83 der Fall war. Allerdings hat die damals noch an der Macht befindliche Militärdiktatur eine solche Lösung wesentlich erleichtert. 2. Korrektur des neoliberalen Modells durch soziale Abfederungen und partielle Ausgleichsmechanismen, also Einführung eines "Sozialliberalismus", wie er sich z.B. in Brasilien abzeichnet: neoliberale Wirtschaftspolitik plus begrenztes Hungerbekämpfungsprogramm, neben Elementen einer progressiven Außenpolitik. 3. Staatskapitalistische Transformation der Ökonomie und Etablierung eines kooperativen Wirtschaftsbereiches in der Landwirtschaft und im Gewerbe mit der Möglichkeit, neue Zugänge zu Ressourcen, Bildung und Gesundheitsversorgung für größere Teile der Bevölkerung des Landes zu schaffen. In gewissem Umfang könnte bei einem solchen Modell – zumindest auf mittlere Sicht – ein kooperationsbereites lokales Bürgertum miteinbezogen werden. Gleichzeitig handelt es sich um die Entwicklungsvariante, bei der zu einem späteren Zeitpunkt weitergehende politische Optionen durchaus denkbar sind (Typus Venezuela). Bei allen möglichen Varianten ist aber bei der Beurteilung der Tiefe eines Bruchs zur vorangehenden Periode die bremsende Schwerkraft neoliberaler Institutionen und der vorherrschenden Elemente der politischen Kultur zu bedenken.[8]

Literatur
Algranti, Clara u.a. (2004): Lateinamerika: Ein neuer Protestzyklus gegen den Neoliberalismus, in: Sozialismus, H. 5, S. 47-57.
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Borón, Atilio (2004): La izquierda latinoamericana a comienzos del siglo XXI: nuevas realidades y urgentes desafiós, in: Observatorio Social de América Latina, Vol. V., Nr. 13 (Jan.-April), S. 43-56.
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Huber, Evelyne/Solt, Fred (2004): Successes and failures of neoliberalism, in: Latin American Research Review, Vol. 39, No. 3, Oct., S. 150-164.
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Quijano, Aníbal (2004): El laberinto de América Latina: ¿Hay otras Salidas?, in: Revista Venezolana de Economía y Ciencias Sociales, Vol. 10, No. 1 (enero-abril), S. 75-97.
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Thesing, Josef (Hg.) (1994): Politische Kultur in Lateinamerika, Mainz.
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Weyland, Kurt (2004): Assessing Latin American neoliberalism. Introduction to a debate, in: Latin American Research Review, Vol. 39, No. 3, Oct., S. 143-149.

[1] Damit soll natürlich keine überhistorische geschichts-deterministische Gesetzlichkeit, wonach dies auch in Zukunft immer so sein müsse, postuliert werden. Vielmehr ist an die sehr unterschiedlichen weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Gewichtsverteilungen zu erinnern.
[2] "Voraussetzung [für die relative Stabilität der chilenischen Militärregierung] war zum einen die Unterstützung der gesellschaftlich dominanten (Unternehmer-)Sektoren, die – bis weit in die Mittelschichten hinein – die soziale Basis des Regimes bildeten. Zum anderen bedurfte es der Entfaltung eines machtvollen neoliberalen Diskurses, um die Transformation als "revolutionäres Projekt" in der Gesellschaft zu verankern. Die diskursiv-ideologischen Praktiken des Regimes bewirkten einen weitreichenden Wandel in der Orientierung breiter Teile der Bevölkerung und der Opposition, einen Mentalitätswandel, der auch nach dem 1990 vollzogenen Übergang zur Demokratie fortwirkt und neoliberalen Prinzipien eine anhaltende Wirkungsmacht in der Gesellschaft sichert" (Fischer 2002: 225).
[3] Allerdings existierten auf nationaler Ebene politische Projekte, die durchaus als hegemonial gelten können. Hier sind vor allem Programme zur Wechselkursanbindung an den US-Dollar wie der Plano Real in Brasilien (1994) oder der Plan Cavallo in Argentinien (1991) von hoher Bedeutung.
[4] Allerdings wäre zu fragen, ob nach dieser Lesart dann in Europa oder den USA eine neoliberale Hegemonie je bestanden hat. Zwar waren die Gegenbewegungen gegen den Fordismus, insbesondere die 68er Bewegung, in den Metropolen stärker und inhaltlich anders orientiert als die zum gleichen Zeitpunkt in der Peripherie beobachtbaren Bewegungen. Gleichwohl haben sie sich nie als revolutionäre Bewegung für den Neoliberalismus verstanden. Der Übergang zum Neoliberalismus passt vielleicht allgemein eher in die Denkfigur der "passiven Revolution" als einer Modernisierung im Sinne eines Anpassungs- und Erneuerungsprozesses des Staates, ohne dass es zu einer politischen Revolution "radikal-jakobinischen Typs" gekommen wäre.
[5] Zum Beispiel könnte man für Bolivien die Phase von 1985 bis 2000 als die "belle époque" des Neoliberalismus qualifizieren, für Argentinien als entsprechenden Zeitraum die Jahre von 1990 bis ca. 2000 nennen.
[6] "Den Freihandel umgab ein außergewöhnliches Prestige, nicht nur, weil er den metropolitanen Regionen, wie Historiker der marginalen Regionen gerne betonen, ein hervorragendes ideologisches Instrument zur ökonomischen Durchdringung dieser Regionen an die Hand gab, sondern auch, weil er innerhalb dieser Gebiete die Funktion einer sozialen Versöhnung in den Grenzen der kapitalistischen Ordnung zu erfüllen versprach" (Donghi 1991, 227).
[7] Zur Evaluierung der ökonomischen und sozialen Ergebnisse neoliberaler Politik siehe neuerdings die sogar in akademischen Lateinamerikanistenkreisen eröffneten Debatte: Weyland 2004; Huber/Solt 2004.
[8] Wie im Juni/Juli 2005 an dem bedeutenden Korruptionsskandal der von der Arbeiterpartei (PT) geführten Regierung Lula wieder einmal deutlich wurde.

Leseprobe 3



Inhalt:

Stefan Schmalz / Anne Tittor
Hegemoniezyklen in Lateinamerika – Einführung und Kontext (Leseprobe)
Anne Tittor
Soziale Kämpfe gegen Privatisierung in Lateinamerika
Dieter Boris
Neoliberalismus und Landwirtschaft in Lateinamerika
Joachim Becker / Johannes Jäger
Geld und Legitimität
Monetäre Strategien in Argentinien, Uruguay und Brasilien
Stefan Schmalz
Südamerika zwischen regionaler Integration und imperialer Einflussnahme
Der Mercosur als Keimzelle eines neuen politischen Regionalblocks?
Dieter Boris
Vom temporären Hegemonieverlust zum stabilen "Normal-Kapitalismus"?
Argentinien vier Jahre nach der großen Krise
Bea Müller
Die "bolivarische Revolution" auf der Suche nach einem kohärenten Projekt: Venezuela
Antônio Inácio Andrioli / Stefan Schmalz
Brasilien: politische Wende oder Fortsetzung neoliberaler Politik?
Max Fuhrmann
Bolivien: Soziale Bewegungen brechen den neoliberalen Konsens
Guillermo Ruiz Torres
Die Vorherrschaft des Washington Consensus in Peru: (k)ein Ende in Sicht?
Dieter Boris / Stefan Schmalz / Anne Tittor
Reflexionen zur "neoliberalen Hegemonie" in Lateinamerika (Leseprobe)
Abkürzungen

Autorenreferenz

Antônio Andrioli ist Mitglied der PT im Bundesstaat Rio Grande do Sul (Brasilien) und Doktorand der Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück, zahlreiche Veröffentlichungen zur brasilianischen Politik (Kontakt: andrioli@heh.uni-osnabrueck.de). Dr. Joachim Becker ist außerordentlicher Professor für Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Letzte Monographie: Akkumulation, Regulation, Territorium. Zur kritischen Rekonstruktion der französischen Regulationstheorie, Wien 2003 (joachim.becker@wu-wien.ac.at). Dr. Dieter Boris ist Professor am Institut für Soziologie an der Philipps Universität Marburg. Letzte Buchveröffentlichung: Metropolen und Peripherie im Zeitalter der Globalisierung, Hamburg 2002 (boris@staff.uni-marburg.de). Max Fuhrmann ist Student der Soziologie an der Philipps-Universität Marburg, Forschungsaufenthalt in Bolivien (fuhrmanm@students.uni-marburg.de). Dr. Johannes Jäger ist Ökonom an der Fachhochschule des bfi (Berufsförderungsinstitut) Wien. Letzte Buchveröffentlichung (gemeinsam mit Gerald Faschingeder u.a.): Bewegung Macht Geschichte. Globale Perspektiven für Gesellschaftsveränderung, Wien 2003 (johannes.jaeger@wu-wien.ac.at) Bea Müller ist Studentin der Politikwissenschaft, Soziologie und Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg. Letzte Buchveröffentlichung (gemeinsam mit Alexander Badziura u.a.): Hegemonie – Krise – Krieg. Widersprüche der Globalisierung in verschiedenen Weltregionen, Hamburg 2005 (bea-xmueller@web.de). Stefan Schmalz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wissenschaftliche Politik an der Philipps-Universität Marburg. Letzte Buchveröffentlichung (gemeinsam mit Frank Deppe u.a.): Der Neue Imperialismus, Heilbronn 2004 (schmalzs@staff.uni-marburg.de). Anne Tittor ist Studentin der Politikwissenschaft und Soziologie an der Philipps-Universität Marburg. Letzte Veröffentlichung (gemeinsam mit Dieter Boris): Die Piquetero-Bewegung in Argentinien, in: Das Argument 259 (anne.ueberall@gmx.net). Guillermo Ruiz Torres ist Doktorand an der Freien Universität Berlin, Lehraufträge in Frankfurt a. Main und an der Universidad San Carlos, Guatemala, Geplante Buchveröffentlichung: Demokratie und Autoritarismus im Peru der Neunziger Jahre, Frankfurt (Kontakt: guillermoruiz68@hotmail.com).

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