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Miren Etxezarreta / John Grahl / Jörg Huffschmid / Jacques Mazier u.a.

EuroMemo 2005

Herausgegeben von der Europäischen Memorandum-Gruppe

132 Seiten | 2006 | EUR 12.80 | sFr 23.20
ISBN 3-89965-182-0 1

Titel nicht lieferbar!

 

Kurztext: Das von mehr als 350 WirtschaftswissenschaftlerInnen aus 21 EU-Ländern unterstützte Euromemorandum 2005 kritisiert die Reaktionen der offiziellen EU-Institutionen auf den wachsenden Widerstand gegen die neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU.


Die Ablehnung des Verfassungsentwurfes in Frankreich und den Niederlanden hat nicht zu einer grundsätzliche Korrektur, sondern zu einer Neuauflage der gescheiterten Lissabon-Strategie auf niedrigerem Niveau geführt. Gleichzeitig werden die Pläne zur Liberalisierung und Deregulierung beibehalten und soll die Finanzausstattung der EU weiter gekürzt werden.

Demgegenüber schlägt die Euromemorandumgruppe eine integrierte europäische Entwicklungsstrategie vor, in der ökonomische, soziale und ökologische Ziele mit gleicher Intensität verfolgt werden.

Leseprobe 1

Zusammenfassung

1. Das Jahr 2005 hat der langen Erfahrung von Wachstumsschwäche und Sozialabbau die klare Wahrnehmung der offensichtlichen Legitimations- und Akzeptanzkrise der EU bei großen Teilen der Öffentlichkeit hinzugefügt. Die europäischen Institutionen haben mit der Verkündung einer "Denkpause" reagiert. Diese könnte hilfreich sein, wenn sie dazu genutzt würde, die Gründe für das Scheitern der Wirtschafts- und Sozialpolitik und die hinter dieser stehenden Interessen und Machtverhältnisse einer kritischen Analyse zu unterziehen und sich auf die Suche nach durchgreifenden Änderungen der Politik zu machen. Sie würde aber Zeitverschwendung und kontraproduktiv sein, wenn dahinter die Absicht stünde, die aktuelle Politik den Menschen besser zu erklären, näher zu bringen und annehmbar zu machen. Es steht zu befürchten, dass genau dies der Plan der Kommission für die angesetzte Debatte ist. 2. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der EU ist durch das Ende des ohnehin schwachen Aufschwungs, sinkende Wachstumsraten, höhere Arbeitslosigkeit und erneut niedrigere Lohnquoten gekennzeichnet, die eine weitere Vertiefung der Ungleichheit in Europa anzeigen. Das ungünstige gesamtwirtschaftliche Bild wird in erheblichem Maße durch die schwache Leistung Deutschlands und Italiens beeinflusst, während es anderen Ländern viel besser geht. Die besonders starke Umverteilung von den Löhnen zu den Gewinnen hat in Deutschland die Folge gehabt, dass die Binnennachfrage im Jahre 2004 niedriger als im Jahr 2000 war. Die Armut, insbesondere Kinderarmut, befindet sich in der EU immer noch auf einem inakzeptabel hohen Niveau, wobei auf der einen Seite die skandinavischen Länder eine Ausnahme darstellen und auf der anderen Seite Großbritannien besonders skandalöse Zahlen aufweist. 3. Die Kommission hat das Scheitern der Lissabon-Strategie damit erklärt, dass es sich um überambitionierte Ziele und überkomplexe Programmstrukturen gehandelt habe. Sie hat auch die Welle der Kritik und Ablehnung des Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden als Opposition der einfachen BürgerInnen gegen einen supranationalen Staat interpretiert, der seine Hand nach den nationalen Sozialsystemen ausstrecke. In einer Geste scheinbarer Bescheidenheit schicken sich die europäischen Institutionen jetzt an, eine neue Art von europäischem Minimalismus zu entwickeln:
– Zum einen haben sie eine Neuauflage der Lissabon-Strategie auf den Weg gebracht: eine "Neue Partnerschaft für Arbeitsplätze und Wachstum", die erheblich weniger anspruchsvoll ist, weniger Ziele und Kriterien hat und sich fast ausschließlich auf Arbeitsplätze und Wachstum konzentriert. Die soziale Qualität der Arbeitsplätze und die ökologische Nachhaltigkeit des Wachstums werden in dieser Agenda noch mehr als in der vorhergehenden in den Hintergrund gedrängt.
– Zweitens erklären sie, Bürokratie abbauen und die Zahl der europäischen Regulierungen und Bestimmungen im Interesse der BürgerInnen vermindern zu wollen. Ein solcher Bürokratieabbau wäre theoretisch zu begrüßen, in der Praxis kommt es dabei aber auch zu Angriffen auf Standards für den Gesundheits- oder den Umweltschutz.
– Drittens drückt sich ein weiterer Aspekt des europäischen Minimalismus in der Entschlossenheit aus, den ohnehin schon zu kleinen Haushalt der EU weiter herunterzufahren, angeblich um die Steuerlast für die BürgerInnen leichter zu machen.
Was nach einer derartigen Korrektur "überambitionierter Visionen" für Europa bleibt, ist das Vertrauen in offene Märkte, Deregulierung, Konkurrenz und Flexibilität. Die neue Bescheidenheit des aktuellen politischen Minimalismus ist in Wirklichkeit Ausdruck und Verstärkung des neoliberalen Kernprogramms. 4. Gegenüber dieser Verengung der Perspektive für die Entwicklung in Europa schlagen wir vor, den Blickwinkel zu erweitern und den Ehrgeiz in Richtung auf eine umfassende europäische Entwicklungsstrategie zu lenken. Auf der einen Seite umfasst dies die Ausweitung der strategischen Ziele, die mit gleichem Gewicht wirtschaftliche, soziale und ökologische Perspektiven enthalten und ein wirkliches – im Unterschied zu einem bloß rhetorischen – Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen in der Gesellschaft und bei der europäischen Integration herstellen sollen. Für die Wirtschaftspolitik bedeutet dies auf der anderen Seite, die entsprechenden Maßnahmen und Instrumente auszubauen, darunter mehr und intensivere gesamtwirtschaftliche und strukturpolitische Eingriffe, strengere Regeln für das Kapital und ein umfangreicherer Einsatz des öffentlichen Sektors. 5. Das Ziel der Vollbeschäftigung sollte beibehalten werden, und um es zu erreichen, sollten folgende Instrumente eingesetzt werden:
– ein großes öffentliches Investitionsprogramm, in der Größenordnung von 1% des EU-BIP, vor allem im Bereich des ökologischen Umbaus,
– eine Ausweitung der öffentlichen Beschäftigung bei den sozialen Dienstleistungen, der Bildung, Strom-, Gas- und Wasserversorgung, und Netzwerkdiensten und
– ein neuer Anlauf für Arbeitszeitverkürzungen. 6. Die EU sollte ihre Sozialpolitik verstärken und zu diesem Zweck
– die Instrumente und Mittel für den Kampf gegen Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung in der Unon ausbauen,
– die Annahme von – differenzierten – Mindeststandards für soziale Wohlfahrt in der ganzen Union voranbringen, bei striktem Verbot der Absenkung bestehender Standards, und
– die offene Methode der Koordinierung dazu nutzen, ein öffentliches umlagefinanziertes Rentensystem zu fördern, das den Älteren einen anständigen Lebensstandard sichert. 7. Um den steigenden Kosten für die traditionelle Energieversorgung und der globalem Erderwärmung zu begegnen, sollte die EU sehr viel aktiver neue Energiesysteme fördern, die auf erneuerbaren Energiequellen (vor allem Sonnenenergie) beruhen. 8. Um die EU in die Lage zu versetzen, spürbare Initiativen für die obigen Ziele zu ergreifen, muss der europäische Haushalt beträchtlich aufgestockt werden, wobei zugleich demokratische Verfahren und Transparenz gewährleistet werden sollten. Wir schlagen vor, das europäische Budget von seinem aktuellen Niveau von etwas über 1% des europäischen BIP jedes Jahr um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen, bis die Größenordnung von ungefähr 5% des BIP erreicht ist. Gleichzeitig sollte die Einnahmeseite so reformiert werden, dass die Haupteinnahmequelle der EU eine progressive BIP-bezogene europäische Einkommensteuer wird. 9. Die EU sollte sich auf das Ministertreffen der WTO in Hongkong (13.-18.12.2005) mit dem vorrangigen Ziel vorbereiten, den Rahmen der GATS-Verhandlungen so zu verändern, dass sie die nationalen Bestimmungen für Dienstleistungen in vollem Umfang respektieren, die maßgebliche Rolle der Streitschlichtungsstelle beenden und den öffentlichen Sektor aus dem Verhandlungsrahmen herausnehmen.

Inhalt:

Demokratische Politik gegen die Herrschaft der Märkte
Vorschläge für eine integrierte Entwicklungsstrategie in Europa
EuroMemo 2005
Zusammenfassung (Leseprobe)
Einleitung
1. Wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in der EU
2. Die "Denkpause" nutzen – Zur Überredung der Öffentlichkeit oder zur Veränderung der Politik?
3. Neoliberale Kontinuität statt Korrektur – Kritik der Wirtschafts- und Sozialpolitik
4. Für eine integrierte Entwicklungsstrategie in Europa – Vorschläge für Alternativen
Liste der UnterzeichnerInnen des EuroMemo 2005
Diana Wehlau
Auf dem Weg in die Armut?
Soziale Entwicklungen in der EU und sozialpolitische Handlungsmöglichkeiten
Steigende Armut und soziale Unsicherheit in Europa
Arme Arbeitslose und Working Poor
Armutsrisiko Kind
Altersarmut
Unsichere Beschäftigungsverhältnisse
Wohnungslosigkeit in Europa
Sozialpolitische Handlungsmöglichkeiten der Gemeinschaft
Vom EWG-Vertrag zum Vertrag von Amsterdam
Sozialpolitisch relevante Bestimmungen im aktuellen EG-Vertrag von Nizza
Perspektiven jenseits des Vertrags
Vorschläge für sozialpolitische Initiativen auf Gemeinschaftsebene
Literatur
Frieder Otto Wolf
Der Göteborg-Prozess der EU
Zwischenbilanz, Kritik und Ausgangspunkte einer alternativen Strategie nachhaltiger Entwicklung
1. Kurze Geschichte des Göteborg-Prozesses
2. Der Göteborg-Prozess als ein Musterbeispiel der bloß formellen Erneuerung der EU-Politik seit den 1990er Jahren
3. Von der Kritik zur Formulierung von Alternativen
Literatur
Klaus Dräger
Europäisches Sozialmodell, Wettbewerbsfähigkeit und die neoliberale Vision des "Globalen Europa"
Europäische Sozialmodelle
Das Europäische Sozialmodell – ein Konstrukt "gemeinsamer Werte"?
Visionäre am Werk
Globalisierung und die "Rettung des Europäischen Sozialmodells"
Der Doppeldeal von Brüssel und Hongkong
Sozialmodelle und "Wettbewerbsfähigkeit": Was den EU-Eliten nicht ins Konzept passt
EU und USA: kein Drama
China und Indien: Die neue Bedrohung?
Paradoxien der Weltwirtschaft
Alternative ÖkonomInnen – auf der Höhe der Zeit?
Literatur
Jörg Huffschmid
Vom nutzlosen Streitobjekt zum starken Werkzeug für ein soziales Europa
Vorschläge zur Reform des europäischen Haushalts
Einleitung
1. Aufbau und Stagnation: Entwicklung des europäischen Haushaltes
2. Zu klein und konzeptionslos: Die "Finanzielle Vorausschau 2007-2013"
3. Ein demokratischer Haushalt für ein soziales Europa
Zusammenfassung
Literatur

Autorenreferenz

Kontakt
Wlodzimierz Dymarski, Poznan, wlodzimierz.dymarski@ae.poznan.pl
Prof. Miren Etxezarreta, Universitàt Autónoma de Barcelona, Miren.Etxezarreta@uab.es Marica Frangakis, Athen, frangaki@otenet.gr
Prof. John Grahl, University of North London Business School, J.Grahl@mdx.ac.uk
Prof. Jörg Huffschmid, Universität Bremen, Huffschmid@ewig.uni-bremen.de
Prof. Jacques Mazier, Université de Paris Nord, Mazier@seg.univ-paris13.fr Diana Wehlau, Mitarbeiterin am Institut für Europäische Wirtschaft, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Universität Bremen Frieder Otto Wolf, Freie Universität Berlin, Koordinator des thematischen Netzwerkes "Sustainability Strategy" Klaus Dräger, Mitarbeiter der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke im Europäischen Parlament und im Beirat der EU-AG von Attac Deutschland. Jörg Huffschmid, Professor für Politische Ökonomie und Wirtschaftspolitik an der Universität Bremen, Mitglied der deutschen und der europäischen Memorandum-Gruppe und des wissenschaftlichen Beirats von Attac.

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