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Paul Oehlke

Arbeitspolitik zwischen Tradition und Innovation

Studien in humanisierungspolitischer Perspektive

232 Seiten | 2004 | EUR 15.50 | sFr 27.80
ISBN 3-89965-077-8 1

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Kurztext:
In diesem Buch werden konzeptionelle Arbeiten Paul Oehlkes zu arbeitspolitischen Entwicklungen auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene vorgestellt.


Gegenwärtig steht arbeitspolitischer Rückschritt auf dem Programm. Zunehmend straffere betriebliche Leistungskonzepte und unternehmenspolitische Reorganisationserfordernisse unter dem Druck von "Shareholder-Value-Interessen" drohen die jahrzehntelange Tradition humanisierungspolitischer Zielsetzungen der gesundheits-, qualifikations- und persönlichkeitsförderlichen Arbeits- und Technikgestaltung außer Kraft zu setzen oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren.

Im Interesse kurzfristiger Gewinnsteigerungen entstehen verschärfte arbeits- und unternehmenspolitische Widersprüche: Verkürzte Planungshorizonte des Managements und verengte Handlungsspielräume der Belegschaften verringern die individuelle Innovationsfähigkeit und die organisatorischen Innovationspotenziale, die jedoch in verstärktem Maße auf inner-, zwischen- und überbetriebliche Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten angewiesen sind.

Hierfür bilden öffentliche Programme mit institutionalisierten Beteiligungsformen eine progressive Plattform. So verfasste arbeitspolitische Fördermaßnahmen eröffnen - im Gegensatz zu regressiven Marktideologien - auf der Grundlage "guter Arbeit" nachhaltig wirksame Innovationsperspektiven mit positiven Beschäftigungs- und Wettbewerbseffekten. Dies erfordert jedoch eine breite gesellschaftliche Aktivierung aller "Stakeholder" nicht nur im nationalen, sondern auch im regionalen und europäischen Rahmen.

Der Autor
Paul Oehlke arbeitet seit Beginn der 1980er Jahre in regionalen, nationalen und europäischen Programm-, Forschungs- und Kooperationszusammenhängen.

Leseprobe 1

Einführende Anmerkungen zum arbeitspolitischen Spannungsbogen von Tradition und Innovation

Soziale Innovationen speisen sich in einer global entgrenzten Ökonomie mehr denn je aus humanen Traditionen. Verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen stellen entscheidende Triebkräfte der neuzeitlichen Entwicklung dar. Dies gilt von den englischen Fabrikgesetzen über die Bismarcksche Sozialgesetzgebung bis zum modernen Arbeitsrecht. In diesem historischen Spannungsbogen spielen die arbeitspolitischen Gestaltungsprogramme seit den 1970er Jahren eine besondere Rolle. Sie beförderten in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Stakeholder sozialverträgliche Alternativen einer innovativen Arbeits- und Technikgestaltung. Es ging hierbei weniger um eine Anpassung von Individuen, Unternehmen und Organisationen an scheinbar blind waltende Sachzwänge, sondern um die Erschließung der Form nach demokratischer und dem Gehalt nach sozialer Entwicklungsmöglichkeiten. Mitwirkung des Autors in arbeitspolitischen Aktivitäten Die ausgewählten Studien thematisieren nunmehr drei Jahrzehnte arbeitspolitischer Forschungsförderung in der Bundesrepublik. Sie beruhen auf der Beteiligung des Autors an der Erarbeitung von Konzepten, Programmen und Strategien auf vorwiegend nationaler, aber zeitweise auch regionaler und europäischer Ebene. Diese Arbeit beruhte seit Beginn der 1980er Jahre auf einem Dialog mit Forschern, betrieblichen Praktikern und Experten aus arbeitsorientierten Institutionen sowie auf dem Austausch mit Kollegen der jeweiligen Fördereinrichtungen. In dem konfliktreichen Spannungsfeld zwischen anwendungsorientierter Arbeitsforschung und forschungsbezogener Arbeitspolitik mussten in alten und neuen gesellschaftlichen Problemlagen immer wieder verfahrensmäßig umsetzbare Lösungsmöglichkeiten erschlossen und widersprüchliche Interessenkonstellationen austariert werden. Der jeweilige programmpolitische Kontext konstituierte ein prekäres Verhältnis zwischen konstruktiven Handlungserfordernissen und kritischer Analyse gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse. Die Mitwirkung des Autors an der konzeptionellen Ausgestaltung und Fortschreibung arbeitspolitischer Aktivitäten des Bundes erfolgte im Rahmen grundlagenorientierter Arbeitsschwerpunkte. Hierbei stellte die Mitarbeit an der Fortschreibung des 1974 eingerichteten Aktionsprogramms Humanisierung des Arbeitslebens (HdA-Programm) zum Forschungs- und Entwicklungsprogramm Arbeit und Technik (AuT-Programm) von 1989 eine besondere Herausforderung dar (BMFT, BMA, BMBW 1989). Sie setzte sich in den 1990er Jahren in der Bearbeitung präventions- und qualifikationspolitischer Leitgedanken, vor allem aber organisations- und innovationspolitischer Alternativen fort. Diese Aspekte bleiben für die arbeitspolitische Programmentwicklung über die weitere Ausfüllung und Fortschreibung des seit 2001 geltenden Rahmenkonzepts Innovative Arbeitsgestaltung – Zukunft der Arbeit (IAG-Programm) hinaus bedeutsam, auch wenn sie angesichts sich verändernder Kontexte immer wieder neu justiert werden müssen. Hierfür spielt die analytische Erfassung übergreifender technisch-ökonomischer, unternehmenspolitischer und sozialstruktureller Entwicklungen eine bedeutende Rolle. Die programmatische Arbeit stützte sich weitgehend auf die Untersuchungsergebnisse sozial- und arbeitswissenschaftlicher Forschungsinstitute zu arbeitsmarkt- und arbeitskräftespezifischen, technisch-organisatorischen und sozioökonomischen Entwicklungsaspekten, die in den querschnittsorientierten Schwerpunkten des Programms gefördert wurden. Insofern stellen die ausgewählten Studien des Autors zu unterschiedlichen Fragestellungen bereits in der Programmkonstruktion angelegte Reflexionsmöglichkeiten dar. Sie konnten in die weitere Programmentwicklung, aber auch in regionale arbeitspolitische Aktivitäten und europäische Konzepte zu einer sozialen Produktivitätsstrategie eingebracht werden (Oehlke 2005). Letztere spielt nach den Erfahrungen des Autors aber nur eine geringe Rolle in den Handlungsmustern der unternehmens- und wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger. Tradition und Innovation als arbeitspolitischer Spannungsbogen Humanisierungspolitische Zielsetzungen lassen sich in einer gesundheits-, qualifikations- und persönlichkeitsförderlichen Arbeits-, Technik- und Organisationsgestaltung oder, kürzer, in einem menschengerechten Produktivitätsfortschritt bündeln. Er kam in den 1970er Jahren vor allem in gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Forderungen nach einer neuen Qualität des Arbeitslebens und einer sozial verträglichen Technologiepolitik zum Ausdruck. Auch wenn diese Vorstellungen gegenüber den beharrenden Kräften in Staat und Wirtschaft nur ansatzweise in einzelnen Branchen entwickelt und erprobt werden konnten, eröffneten die arbeitspolitischen Aktivitäten doch experimentelle Ansatzpunkte zu einer humanisierungspolitischen Überformung der Marktkräfte. Die exemplarischen Modelle sich rechnender, also gewinnbringender Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ruhten in breit gefächerten Beteiligungsstrukturen, die eine Aktivierung von Belegschaften, Betriebsräten und Betriebsleitungen, Arbeitgeber-, Gewerkschafts- und weiteren Organisationsvertretern sowie zahlreichen Experten aus Gesundheits-, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen möglich machte. Die personellen, betrieblichen und institutionellen Interaktionen brachten bei der Erarbeitung von konkreten Lösungen eine politikfähige Handlungskonstellation hervor, die selbst wieder von dem etablierten System der industriellen Arbeitsbeziehungen mit arbeitspolitischen Schutzrechten und Mitbestimmungsmöglichkeiten als Kernbestandteilen der sozialstaatlichen Demokratie geprägt war. In dieser gesellschaftspolitischen Einbettung erzeugten die Gestaltungsprogramme vielfältige Impulse für sozial tragfähige und demokratisch vermittelte Innovationsprozesse. Sie zahlten sich nicht nur für die beteiligten Individuen und Unternehmen, sondern auch für sozialpolitische und volkswirtschaftliche Leistungsparameter aus, sei es in der präventiven Verringerung arbeitsbedingter Krankheiten, sei es in der arbeitsmarktrelevanten Verbesserung von Arbeitskräftestrukturen oder sei es in betrieblichen Innovations- und Produktivitätspotenzialen durch erweiterte individuelle und organisatorische Handlungsspielräume. Die hier umgesetzte Dialektik gesellschaftlicher Interaktionen und sozialer Innovationen stellte eine zukunftsweisende Tradition dar, auch wenn diese in der Bundesrepublik im Unterschied zu einigen nordischen Ländern noch immer nicht angemessen gewürdigt wird. Dies enthüllt ein kurzer Blick auf die abolute Höhe und relative Entwicklung der jeweiligen Mittelansätze für technische und soziale Innovationen in den Budgets privater Unternehmen und staatlicher Politikfelder. Die arbeitspolitische Tradition steht mit der gesellschaftspolitischen Durchdringung unternehmerisch kombinierter Produktionsfaktoren in einem latenten Widerspruch zu der Vorstellung sich selbst regulierender Marktkräfte, die im Zuge des neoliberalen Globalisierungsdiskurses zu quasi naturgesetzlichen Sachzwängen erklärt worden sind. Gewerkschaften, Tarifverträge und Sozialleistungen wie überhaupt politische Interventionen gelten weniger als gesellschaftliche Regulierungserfordernisse defizitärer Marktprozesse, sondern mehr als Störfaktoren ihrer immanenten Selbstheilungskräfte. Statt einer demokratisch und sozial legitimierten Gestaltung marktwirtschaftlicher Prozesse geht es nunmehr um eine fortschreitende Anpassung von Menschen, Gesellschaften und Kulturen an privat gesetzte Verwertungserfordernisse und börsennotierte Rentabilitätskalküle. Diese fallen mit der schmerzhaften Erfahrung der noch Beschäftigten zusammen, für weniger Lohn mehr arbeiten zu müssen (Newsweek 2004; Der Spiegel 2004). So wird das im unternehmerischen Geist sich selbst verwertende Individuum zur ideologischen Form einer Zweck-Mittel-Verkehrung der früheren Zielsetzung einer humanisierungspolitischen Entfaltung der Persönlichkeit (Negt 2003). Auch wenn die arbeitspolitische Programmentwicklung zu den vorherrschenden wirtschafts- und sozialpolitischen Abwärtsspiralen nach wie vor eine kompetenz- und innovationsförderliche Alternative darstellt, hat sie sich der subjektiven Zuschreibung ökonomischer Systemzwänge als Kehrseite der sozialstaatlichen Erosionstendenzen doch nicht entziehen können – in der stärkeren Ausrichtung auf personal- und unternehmenspolitische Fragestellungen angesichts sinkender gesellschaftspolitischer Verankerungen und eines sich immer wieder verringernden Budgets. So verbreitert sich die Kluft zwischen der theoretischen Erschließung von übergreifenden Entwicklungszusammenhängen, der Freilegung ihrer inneren Widersprüche als möglichen Handlungsoptionen und einer konkreten Verankerung von humanen Leistungs- und Innovationsbedingungen in ihren personellen, organisatorischen und technischen Dimensionen. Die konstitutive Praxis-Theorie-Differenz kann in der vorliegenden Sammlung von Diskussionsbeiträgen nicht überwunden, wohl aber ein Eindruck von Problemstellungen, Forschungsansätzen und Gestaltungsfeldern in einem breiten arbeitspolitischen Themenfeld vermittelt werden. Erläuterungen zur Anlage der ausgewählten Studien Die arbeitspolitische Programmentwicklung der vergangenen 30 Jahre hat eine kaum überschaubare Fülle von Forschungsgegenständen, -konzepten und -ergebnissen hervorgebracht. Hiervon kommt nur ein winziger Ausschnitt aus der subjektiven Sicht des Autors als eines Akteurs unter vielen zur Sprache. Die ausgewählten Arbeiten konzentrieren sich auf grundlagenbezogene Fragestellungen, ohne den jeweiligen fachspezifischen Entwicklungsstand etwa der betrieblichen Epidemiologie und Berufspädagogik, der Arbeitspsychologie und Industriesoziologie, der Betriebswirtschaft und Innovationstheorie präsentieren zu können. Dies gilt auch für die kurz gehaltenen Einführungen zu den einzelnen Beiträgen, die aktuelle Bezüge zentraler Leitgedanken herausstellen. Diese sind als thematische Positionspapiere und Konferenzbeiträge in Fachzeitschriften und Fachbüchern veröffentlicht worden. Bei den einzelnen Arbeiten geht es immer wieder um eine reflexive Erschließung arbeitspolitischer Optionen unter mehr oder weniger sperrigen Rahmenbedingungen. Dabei variieren die jeweiligen Zugänge der einzelnen Teilabschnitte:   Der erste Teil interpretiert den Spannungsbogen von arbeitspolitischer Tradition und Innovation unter dem Blickwinkel der wettbewerbswirtschaftlichen Transformation sozialstaatlicher Rahmenbedingungen.   Der zweite Teil konzentriert sich auf die deskriptive Darstellung betrieblicher Erfahrungen und arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse in der betrieblichen Epidemiologie und qualifizierenden Arbeitsgestaltung.   Im dritten Teil handelt es sich um mehr explorative Diskussionsbeiträge zu präventions-, qualifikations-, organisations- und innovationsorientierten Leitgedanken arbeitspolitischer Programmentwicklungen.   Im vierten Teil stehen kritische Analysen der Entwicklungsbedingungen in potenziellen Gestaltungsfeldern zur Diskussion: in informationstechnischen und arbeitsorganisatorischen Rationalisierungsprozessen.   Im letzten Teil erfolgt eine arbeitspolitische Positionsbestimmung in der neoliberalen Konstellation, die konstruktive Überlegungen zu einer sozial-ökologischen Produktivitätsstrategie zur Diskussion stellt.

Inhalt:

Einführende Anmerkungen zum arbeitspolitischen Spannungsbogen von Tradition und Innovation (Leseprobe)

Teil I
Überblick zur arbeitspolitischen Programmentwicklung


Kapitel 1: Arbeitspolitischer Funktionswandel
Funktionswandel in der sozialstaatlichen Transformation

Teil II
Ausgewählte Ergebnisse subjektbezogener Schwerpunkte


Kapitel 2: Praxisbezogener Arbeitsschutz
Eine betriebsnahe Epidemiologie zu arbeitsbedingten Krankheiten
Kapitel 3: Beteiligungsorientierte Qualifizierungsansätze
Qualifizierung in technisch-organisatorischen Gestaltungsprozessen

Teil III
Strategische Leitgedanken innovativer Arbeitspolitik


Kapitel 4: Präventive Gesundheitsförderung
Steigender Präventionsbedarf im Arbeits- und Gesundheitsschutz
Kapitel 5: Berufliche Kompetenzentwicklung
Erfahrungsgeleitete Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung
Kapitel 6: Arbeitsorganisatorische Leitbilder
Unternehmenspolitische Grenzen neuer organisatorischer Leitbilder
Kapitel 7: Beschäftigungswirksame Innovationsstrategien
Beschäftigungspolitische Aspekte arbeitsorientierter Innovationsstrategien

Teil IV
Alternative Bestimmungsfaktoren zentraler Gestaltungsfelder


Kapitel 8: Informationstechnische Rationalsierungsprobleme
Zur politischen Ökonomie informationstechnischer Rationalisierung
Kapitel 9: Konträre Produktionskonzepte
Zur gesellschaftlichen Ambivalenz der schlanken Produktionsstrategien

Teil V
Positionsbestimmung in der neoliberalen Konstellation


Kapitel 10: Sozial-ökologische Alternativen
Neoliberaler Salto mortale oder sozial-ökologische Utopie
Abschließender Vorschlag: Arbeitszeitverkürzung als humanisierungspolitischer Innovationstreiber
Literatur
Textnachweise

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