Alternative Weltwirtschaftsordnung
Perspektiven nach Cancun
Eine Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Beirats von Attac
176 Seiten | 2004 | EUR 14.80 | sFr 26.60
ISBN 3-89965-063-8 1
Titel nicht lieferbar!
Kurztext: Die Verhandlungen über den Welthandel sind in Cancún gescheitert. Das wirft die Frage auf: Wie ist eine neue Welthandelsordnung zu schaffen? Immer weniger sind die Entwicklungsländer mit der neoliberalen Logik der Globalisierung einverstanden. Die Mauer ökonomistischer Globalisierungsbefürworter zeigt Risse.
Die Liberalisierung und Ökonomisierung der Welt hält ein Satz zusammen: Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt. Die Alternative lautet: Es gibt eine Viefalt von Ansätzen, die Wirtschaft als kontextuelles Phänomen begreifen. Sie wollen die Wirtschaft um lebensweltliche, soziale, ökologische, politische oder kulturelle Elemente erweitern. Die Wirtschaft soll wieder der Gesellschaft gehören. Teile des Attac-Netzwerkes sind gewillt, die kapitalistische Wirtschaftsordnung infrage zu stellen.
Dieses Buch ist der Suche nach einer lebensweltlichen Wirtschaft gewidmet. An dieser Suche sind AktivistInnen und WissenschaftlerInnen beteiligt. Es liefert Argumente für Attac-Mitglieder und SympathisantInnen. Es ist eine Handreichung, die sich Aktiven in sozialen Bewegungen anbietet.
Die HerausgeberInnen
Adelheid Biesecker ist Professorin für ökonomische Theorie an der Universität Bremen, Martin Büscher ist Privatdozent an der Universität Sankt Gallen und als Studienleiter in der Evangelischen Akademie (Iserlohn) tätig, Professor Thomas Sauer unterrichtet Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule in Jena, und Eckhard Stratmann-Mertens ist Mitglied von Attac-Bochum und aktiv in der Attac-AG Welthandel und WTO.
Leseprobe 1
Einführung der Herausgeber
Nach dem Scheitern der WTO-Verhandlungen in Cancún stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Strukturen des Welthandels zu gestalten sind, neu. Der politische Widerstand vieler Schwellen- und Entwicklungsländer setzt neue Akzente gegenüber der neoliberalen Logik der Globalisierung. Die Mauer der Globalisierungsbefürworter der ökonomistischen Fraktionen hat Risse bekommen.
Eine Tagung des Wissenschaftlichen Beirates von Attac und der Attac-AG "Alternative Weltwirtschaftsordnung" in der Evangelischen Akademie Iserlohn (Haus Villigst) im Juni 2003 war darauf ausgerichtet, die Hintergründe der Konflikte um die Gestaltung der WTO auszuloten. Von welchen Leitideen ist die neoliberale Struktur und Gestaltung der Weltwirtschaftsordnung bestimmt? Welche anderen Leitideen und Werte können/müssen dem entgegengestellt werden? Wo können Reformen und Alternativen zur neoliberalen Globalisierung ansetzen?
Ein guter Baumeister muss sich um eine zukunftssichere Statik bemühen, wenn ein Gebäude ins Wanken gerät oder neu errichtet werden soll. Ähnlich verhält es sich mit der Suche nach Alternativen zur neoliberalen Globalisierung. Grundlage der wirtschafts- und sozialpolitischen Instrumente sind häufig versteckte Leitideen und vermeintlich überzeugende und als solche kaum hinterfragbare Werte: Liberalisierung und Privatisierung, "freie" Marktwirtschaft und Privateigentum, Wachstum und Wettbewerb, Freiheit und "Befreiung der Märkte", Gemeinwohl und Laisser-faire, öffentliche Güter und private Leistungsfähigkeit. In solchen Grundbegriffen verstecken sich politisch entscheidende Bewertungen. Hier wird der Horizont des Wirtschaftens und wirtschaftlichen Handelns definiert. Die Hintergründe der Liberalisierung und Ökonomisierung stehen einem Wirtschaftsverständnis nahe, das sich zusammenfassen lässt in: Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht.
Demgegenüber gibt es eine Vielfalt von Ansätzen, die Wirtschaft als kontextuelles Phänomen begreifen, Wirtschaft um lebensweltliche, soziale, ökologische, politische oder kulturelle Elemente erweitern möchten und die daher den gesellschaftlichen Einfluss auf die Wirtschaft stärken wollen. Darüber hinaus wird von Teilen des Attac-Netzwerkes über die neoliberale Globalisierung hinaus auch die zugrundeliegende kapitalistische Wirtschaftsordnung infrage gestellt.
Diesem Anspruch folgend wurden in den ersten Beiträgen der Tagung Fragen nach den Kontexten des Wirtschaftens, nach der Erweiterung von Kategorien aus feministischer Perspektive, nach der Chancengleichheit als Leitethik der Nachhaltigkeit, der Verträglichkeit von Wirtschaftswachstum und nachhaltiger Entwicklung und nach den Möglichkeiten der Steuerung von wirtschaftlicher Globalisierung (Global Governance) aufgeworfen.
Auf dieser Tagung und mit Blick auf die entwickelten Grundkategorien und Grundwerte wurde dann der erste Entwurf eines Positionspapieres von Attac "Wege zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung" diskutiert. Die Arbeit an diesem Papier wird von der Arbeitsgruppe "Alternative Weltwirtschaftsordnung (AWWO)" im Auftrag des Attac-Ratschlags koordiniert. In diesem Buch ist eine überarbeitete Fassung (die gekürzte Fassung des zweiten Entwurfs) abgedruckt. Hier hinein flossen auch die Beiträge der Tagung, ob und wie Institutionen reformierbar sind.
Für die OrganisatorInnen der Tagung und HerausgeberInnen dieses Bandes war neben der inhaltlichen Planung wichtig, das Gespräch und die kreative Auseinandersetzung über solche häufig lebensweltlich und persönlich zu füllenden Grundbegriffe zu ermöglichen. Dazu war uns eine Atmosphäre von guter Kommunikation, Hörbereitschaft und Streitkultur wichtig. Dies wurde zum einen durch die Moderation, zum anderen aber auch durch den offenen Diskussionsstil vieler jüngerer Teilnehmender gewährleistet. Die Organisationsgruppe hat zudem Ulrich Brand und Claudia von Braunmühl gebeten, die Inhalte und die Art und Weise der Auseinandersetzung während der Tagung kritisch Revue passieren zu lassen und zu kommentieren.
Wir freuen uns, dieses Dokument über Inhalte und Formen der Auseinandersetzung in Attac-Deutschland hier vorlegen zu können. Attac ist, so lautet die Formel der GründerInnen in Frankreich, eine "aktionsorientierte Bildungsbewegung" und zeichnet sich auch durch eine gemeinsame politische, in der Sache engagierte und reflektierte Suche nach lebensdienlichem Wirtschaften aus.
Adelheid Biesecker / Martin Büscher / Thomas Sauer / Eckhard Stratmann-Mertens
Inhalt:
Einführung der Herausgeber
Martin Büscher
Kontextuelle Ökonomie: Erweiterung von Kategorien des Wirtschaftens für eine andere Weltwirtschaft
Daniela Gottschlich
Wege für alternative Wirtschaftsordnungen weltweit: Erweiterung von Kategorien aus feministischer Perspektive
Eckhard Stratmann-Mertens
Entglobalisierung – Abschied vom Wachstum
Kritik der neo-keynesianischen Globalisierung
Thomas Sauer
Globaler Keynesianismus versus Deglobalisierung?
Makroökonomische und normative Grundlagen alternativer Weltwirtschaftsordnungen
Mohssen Massarrat
Chancengleichheit als Leitethik der Nachhaltigkeit und einer alternativen Weltwirtschaftsordnung
Attac-Positionspapier
Wege zu einer Alternativen Weltwirtschaftsordnung (AWWO)
(2. Entwurf vom März 2004, gekürzte Fassung; aktueller Entwurf: siehe www.attac.de/awwo)
Ulrich Brand
Alternativen und Ambivalenzen
Von der Gefahr, Alternativen zu sehr von oben zu denken
Claudia von Braunmühl
Wie werden alternative politische Ideen praktisch?
Brigitte Young
Können die internationalen Institutionen des Weltwirtschaftssystems reformiert werden?
Thomas Fritz
"Der König ist nackt!"
Perspektiven der globalisierungskritischen Bewegung
Oliver Schmidt
Nach Cancún: Reformdebatte für die WTO
Autorenreferenz
Adelheid Biesecker, Professorin für Ökonomie an der Universität Bremen, Mitdirektorin des Instituts für Institutionelle und Sozialökonomie (IISÖ) Ulrich Brand, Hochschulassistent am Politikwissenschaftlichen Seminar der Universität Kassel, Geschäftsführer des wissenschaftlichen Beirats von Attac-Deutschland Claudia von Braunmühl, Gastprofessorin für Soziologie, Universität Bielefeld Martin Büscher, Studienleiter im Institut für Kirche und Gesellschaft/Akademie der Ev. Kirche von Westfalen, Iserlohn; Privatdozent für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen Thomas Fritz, Mitarbeiter der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung, Berlin, Mitglied der AG "Welthandel und WTO" von Attac Daniela Gottschlich, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Politik und Wirtschaft im Fachbereich Sozialwissenschaften, Universität Osnabrück Mohssen Massarrat, Professor für Politik und Wirtschaft im Fachbereich Sozialwissenschaften, Universität Osnabrück Thomas Sauer, Professor für Volkswirtschaftslehre, Fachhochschule Jena Oliver Schmidt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geld- und Finanzpolitik der Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer Eckhard Stratmann-Mertens, Oberstudienrat, Bochum, Mitglied der AG "Welthandel und WTO" und der AG "Alternative Weltwirtschaftsordnung" (AWWO) von Attac; in den 1980er Jahren wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen. Brigitte Young, Professorin für Politikwissenschaft, Universität Münster