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Bernd Gehrke / Gerd-Rainer Horn (Hrsg.)

1968 und die Arbeiter

Studien zum "proletarischen Mai" in Europa (siehe Neuauflage 2018)

336 Seiten | 2007 | EUR 19.80 | sFr 35.10
ISBN 978-3-89965-165-2 1

Titel nicht lieferbar!

 

Kurztext: Dieses Buch ist der erste Versuch seit den 1970er Jahren, für Europa die Rolle der Arbeiterschaft in den Ereignissen um 1968 durch eine Reihe von Einzelstudien zu Länder­themen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Inhalt & Leseprobe:

VSA_Gehrke_Horn_1968_Arbeiter.pdf149 K

Am Ende der 60er Jahre und namentlich 1968 vollzogen sich Revolten rund um den Globus, die das Bewusstsein der politischen Aktivisten in den folgenden Jahren und Jahrzehnten prägten. Dabei gilt »1968« weithin als Studentenrevolte, als Jugendprotest. Doch das eigentliche Subjekt der Bewegung sollten im Verständnis damaliger Akteure die Arbeiter sein. Sie allein hatten gemäß der Klassentheorie die Macht, den Kapitalismus zum Einsturz zu bringen. Aber die real existierenden Lohnarbeiter konnten oft weder mit dem unkonven­tionellen Erscheinungsbild der Studenten noch mit deren Radikalkritik etwas anfangen.

Dennoch gab es ein Wechselverhältnis von Arbeiter- und Studentenbewegung, dem die Autorinnen und Autoren dieses Bandes nachgehen. Denn die Gegebenheiten der Jahre um 1968 sind keineswegs ohne Relevanz für die Aktualitäten der sozialen Kämpfe und namentlich jener – der seither erheblich modernisierten und pluralisierten – lohnabhängigen Klassen 40 Jahre später, und dies nicht nur in Europa.

Inhaltsübersicht (Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und Leseproben in der pdf-Datei)

Gerd-Rainer Horn / Bernd Gehrke
Leerstellen und Herausforderungen – zur Problematik dieser Anthologie

Europa

Gerd-Rainer Horn
Arbeiter und "1968" in Europa: Ein Überblick

Die beiden deutschen Staaten

Peter Birke
Der Eigen-Sinn der Arbeitskämpfe

Karl Lauschke
Der Wandel in der betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung nach den westdeutschen Septemberstreiks

Michael Hofmann
"Solidarität mit Prag"

Bernd Gehrke
1968 – das unscheinbare Schlüsseljahr der DDR

Mittel- und Osteuropa

Peter Heumos
Betriebsräte, Betriebsausschüsse der Einheitsgewerkschaft und Werktätigenräte

Lenka Kalinová
Das Verhalten der tschechischen Arbeiterschaft im Jahre 1968

Andrea Genest
Zwischen Anteilnahme und Ablehnung – die Rollen der Arbeiter in den Märzereignissen 1968 in Polen

Marcin Zaremba
Am Rande der Rebellion

Westeuropa

Rik Hemmerijckx
Mai ’68 und die Welt der Arbeiter in Belgien

Frank Georgi
Selbstverwaltung: Aufstieg und Niedergang einer politischen Utopie in Frankreich von den 1968er bis zu den 80er Jahren

Reiner Tosstorff
Spanien: 1968 und die Arbeiter – eine andere Bewegung?

Marica Tolomelli
Studenten und Arbeiter 1968 in Italien

Vittorio Rieser
Studenten, Arbeiter und Gewerkschaften in Italien zwischen 1968 und den 1970er Jahren

Autorinnen und Autoren

Rezensionen

Der Beitrag der Arbeiter
1968: ein Versuch zur Verhinderung einer Geschichtsfälschung. Geht es um das Kalenderjahr 1968, dann werden in der Regel Bilder von der Erschießung Benno Ohnesorgs, von gegen den Axel-Springer-Verlag demonstrierenden Studenten und von den entblößten Hinterteilen der Kommune 1 abgerufen. Das ist eine sehr verengte Sicht auf jene Zeit und die Entwicklungen, die sich um das Jahr 1968 bewegen. Es ist zu befürchten, dass im Jubiläumsjahr 2008 der Versuch weitergehen wird, die 68er-Bewegung zu entpolitisieren. Da will dieses Buch gegensteuern. Ohne die Rolle der Studenten schmälern zu wollen, unternehmen die Autoren den Versuch, die Breite und den Tiefgang dieser Bewegung zu umreißen. Das gelingt und sei es teilweise auch nur dadurch, dass eine große Zahl "weißer Flecken" aufgezeigt wird. Es erstaunt zu sehen, welche Ereignisse bisher wissenschaftlich nicht aufgearbeitet sind. Vielleicht ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass auch Wissenschaft nicht immer interessenfrei arbeitet. In einem Querschnitt durch Europa zeigt die Anthologie auf, welche politischen und sozialen Bewegungen zusammenflossen und vor allem, dass die abhängig Beschäftigten einen wesentlichen Anteil beigetragen haben, so dass man begründet nicht unbedingt von einer Weltrevolution, aber doch von einer weltweiten Bewegung sprechen kann. Die Dimension von "68" erscheint gar erst in ihrer vollen Form, wenn anerkannt wird, dass es vielen Akteuren um die Überwindung des bestehenden Systems und eben gerade nicht um dessen Verbesserung ging. Das Buch liefert Anhaltspunkte dafür, dass selbst eine isolierte Betrachtung der 68er Bewegung ihrer Bedeutung nicht gerecht wird. Sie ist eine Perle auf der Schnur der Arbeiterbewegung Europas. Ihre Wurzeln gründen schon ein Jahrzehnt früher, und ihre Triebe reichten weit darüber hinaus. Schon vor 1968 hatte es in den Gewerkschaften einen Generationenwechsel mit einem Aufstieg "der Basis" gegeben. Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen" war nicht ein Startzeichen, sondern die Anerkennung einer Entwicklung, die schon Jahre auf dem Weg war. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse zeigen zudem, wie richtig die Politik des Wandels durch Annäherung und wie falsch das zu lange Zögern der Gewerkschaften beim Knüpfen der "Ostkontakte" war. Bei einer Bewertung von 1968 kann es nicht um einen Betrauern der guten alten Zeit, auch nicht um das schnittbogenhafte Übertragen auf heutige Zeiten gehen. Das Auswerten der Erfahrungen kann allerdings durchaus hilfreich sein. Die Probleme, die heute anstehen, sind nicht minder gravierend als damals. Wir haben zwar keine Denkverbote, und auch der Muff unter den Talaren muss nicht nochmals vertrieben werden, aber wir haben eine Dominanz neoliberaler Handlungsmuster und Netzwerke, die nahezu jede kritische gesellschaftspolitische Diskussion unterdrücken. Heute geht es um die Befreiung der Politik aus den neoliberalen Denkschablonen und vom Einfluss weltweit agierender Konzerne. Die 68er Erfahrungen sind für die aktuellen Gegebenheiten von erheblicher Relevanz. Sie machen Mut. Das Buch könnte als Initialzündung wirken. Hermann Zoller (in ver.di-News 13 vom 18.8.2007)

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