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Frank Lorenz / Günter Schneider (Hrsg.)

Wenn öffentliche Dienste privatisiert werden

Herausforderungen für Betriebs- und Personalräte

184 Seiten | 2004 | EUR 12.80 | sFr 23.20
ISBN 3-89965-047-6 1

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Kurztext: Welche Auswirkungen hat das Dienstleistungsabkommen GATS auf die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in Deutschland? WissenschaftlerInnen und ArbeitnehmervertreterInnen erläutern in diesem Band die Regelungen und Möglichkeiten gewerkschaftlichen und betrieblichen Handelns.


Seit 1995 verpflichten sich die Mitgliedsländer der WTO, nach und nach Dienstleistungssektoren zu privatisieren und für den internationalen Wettbewerb zu öffnen. Post und Telekommunikation, Energieversorgung, Banken und Versicherungen, medizinische und soziale Dienste, Handel und Bauwesen, Bildung und Kultur sollen "liberalisiert" werden. Untersuchungen zeigen bereits heute, dass die Liberalisierung auf Service-Einbußen bei den Kunden und auf mehr Arbeit für die Beschäftigten hinausläuft. Betroffen sind v.a. Post- und Kurierdienste, Schienenfernverkehr, Flughäfen und Seeverkehr. Zudem besteht die Gefahr einer erhöhten Krisenanfälligkeit des Finanzsystems, da mit GATS immer mehr staatliche Aufsichtsfunktionen privatisiert werden. Nicht zuletzt könnte das GATS problematische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Deutschland haben.

Die Diskussion um die Folgen insbesondere für die Beschäftigten ist innerhalb der Gewerkschaften bisher auf einen Expertenkreis beschränkt. Mit dem Dritten Düsseldorfer Arbeits- und Sozialrechtsforum hatten Arbeit und Leben und ver.di Nordrhein-Westfalen zu einer Debatte eingeladen, bei der neben einer theoretischen Analyse auch die direkten Auswirkungen auf die betriebliche Praxis in den von GATS betroffenen Branchen behandelt wurden.

Unter Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diskutieren in diesem Band Gewerkschafter und Betriebsräte über die Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens GATS auf die Beschäftigten der öffentlichen Dienste in Deutschland.

Leseprobe 1

Vorwort

Das Thema Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen beschäftigt Betriebsräte und Gewerkschaften schon länger. Insbesondere die Probleme und Auswirkungen der Privatisierung von Telekommunikations- und Postdienstleistungen Mitte der 1990er Jahre waren mit einer lebhaften Debatte verbunden. Aktualität gewinnt dieses Thema auch dadurch, dass zur Sicherung der öffentlichen Haushalte und zur Finanzierung der vorgezogenen Steuerreformen weitere öffentliche Unternehmen im großen Umfang privatisiert werden sollen. Hinter der Veräußerung von kommunalen Unternehmen und Beteiligungen steckt aber mehr als ein Beitrag zur Haushaltssanierung. Vielmehr ist die Liberalisierung ein Element neoliberaler Wirtschaftspolitik, die sich zunehmend durchsetzt. Informiert man sich zu dem Thema Privatisierung und Liberalisierung im Internet, dann stößt man bei Google unter dem Stichwort "Privatisierung" auf 148.000 Einträge und unter dem Stichwort "Liberalisierung" immerhin auf 132.000 Einträge. Das Thema scheint also an Aktualität nichts zu verlieren. Der Bereich der Dienstleistung gilt weiterhin als dynamisches Wachstumssegment. Der Anteil am Welthandel liegt bei ca. 20% – in den hochentwickelten kapitalistischen Gesellschaften jedoch deutlich höher. Dienstleistungen sollen deshalb verstärkt grenzüberschreitend gehandelt werden. Vor allem durch die Marktöffnung für die einst in öffentlicher Regie betriebenen öffentlichen Dienstleistungen oder öffentlichen Güter sollen – so die Protagonisten des Freihandels – die Qualität gesteigert und die Kosten gesenkt werden. Die EU-Kommission sieht ursprüngliche Befürchtungen, dass sich die Marktöffnung ungünstig auf die Beschäftigung oder die Erbringung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auswirken könnte, nicht bestätigt. Darüber hinaus seien durch die Liberalisierung der netzgebundenen Branchen im Zeitraum von 1996 bis 2002 fast eine Million neue Arbeitsplätze entstanden (siehe hierzu auch den Beitrag von Joachim Bischoff, den wir ergänzend zu den Tagungsbeiträgen aufgenommen haben). Wir werden der Frage nachgehen, ob diese Einschätzung Wunschdenken ist und ob die Realität doch weitaus nüchterner zu bewerten ist. In einigen Branchen, wie beispielsweise im Energiesektor, zeigen sich heute die Grenzen von Privatisierung und Liberalisierung. Hier wird durchaus über notwendige Korrekturen nachgedacht, da die gewünschten Effekte nicht eingetreten sind. Seit 1995 verpflichten sich die Mitgliedsländer der WTO, nach und nach Dienstleistungssektoren zu privatisieren und für den internationalen Wettbewerb zu öffnen. Der Regelungsumfang des GATS (General Agreement of Trade and Services) ist atemberaubend: Post und Telekommunikation, Energieversorgung, Banken und Versicherungen, medizinische und soziale Dienste, Handel und Bauwesen, Bildung und Kultur sollen "liberalisiert" werden. Untersuchungen zeigen bereits heute, dass die Liberalisierung auf Service-Einbußen bei den Kunden und auf mehr Arbeit für die Beschäftigten hinausläuft. Betroffen sind vor allem Post- und Kurierdienste, Schienenfernverkehr, Flughäfen und Seeverkehr. Zudem besteht die Gefahr einer erhöhten Krisenanfälligkeit des Finanzsystems, da mit GATS immer mehr staatliche Aufsichtsfunktionen privatisiert werden. Nicht zuletzt könnte das GATS problematische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Deutschland haben. Die Diskussion um die Auswirkungen ist innerhalb der Gewerkschaften bisher auf einen Expertenkreis beschränkt. Eine Auseinandersetzung, die auch in die breite Mitgliedschaft hineingeht, fehlt bisher. Mit dem Dritten Düsseldorfer Arbeits- und Sozialrechtsforum im Sommer 2003 hatten Arbeit und Leben und ver.di Nordrhein-Westfalen zu einer Debatte eingeladen, die über den bisherigen Rahmen hinausgeht. Neben einer theoretischen Analyse wurde auch auf die direkten Auswirkungen auf die betriebliche Praxis in den von GATS betroffenen Branchen eingegangen. Unter Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diskutierten Gewerkschafter und Betriebsräte über die Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens GATS auf die Beschäftigten der öffentlichen Dienste in Deutschland. Zu dem Thema "Privatisierung und Liberalisierung" gehört auch der Umgang mit den Gewerkschaften in der Bundesrepublik. Sicherlich haben die Gewerkschaften Fehler gemacht, und die öffentliche Selbstdarstellung war weniger gelungen. Aber andererseits ist es merkwürdig, dass kaum ein öffentlicher Redner ohne Gewerkschaftsschelte auskommen möchte. Von FDP und CDU waren wir das gewohnt, von einigen Medien in einem gewissen Umfang auch. Aber dass nun große Teile der Medien und Vertreter der Regierungskoalition dieses Thema entdeckt haben und die Gewerkschaften für Ergebnisse der Politik verantwortlich machen wollen, ist nicht hinzunehmen. Der Bezirksleiter des IG Metall-Bezirks Küste, Frank Teichmüller, hat darauf in der Frankfurter Rundschau vom 23. Juni 2003 einige bemerkenswerte Antworten gegeben: "Der Facharbeiter, der in Vorpommern für 4,30 Euro/Stunde Luxusjachten baut, kommt aus einer Region, in der im Winter 34% Arbeitslosigkeit herrscht. Der braucht nicht mehr Flexibilität und Freiheit des Arbeitsmarktes, der braucht Kolleginnen und Kollegen, die mit ihm die Angst überwinden und sich zusammenschließen. Der Angestellte, der bei IBM darüber klagt, dass das Prinzip ›Arbeit ohne Ende‹ Einzug gehalten hat, braucht nicht mehr Flexibilität, er braucht Gleichgesinnte, die mit ihm für gesundheitlichen Schutz eintreten. Der Arbeitnehmer, der von Massenentlassungen bedroht ist, der braucht Kolleginnen und Kollegen, die mit ihm versuchen, die Zahl der Entlassungen so gering, den Übergang so sozial wie möglich und die Sicherheit der Verbliebenen so hoch wie möglich zu gestalten." Auch wenn es inzwischen allgemein bekannt sein sollte: Die Probleme unseres Turbo-Kapitalismus – und mit ihnen die Folgen von Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen – brauchen nicht weniger, sondern mehr gewerkschaftliches Engagement. Abhängig Beschäftigte, auch starke Individuen, brauchen Interessenvertretungen, brauchen starke Gewerkschaften. In diesem Sinne hoffen wir, dass die Diskussionen und Beiträge des dritten Forums zum Arbeits- und Sozialrecht, die in diesem Buch dokumentiert werden, für die gewerkschaftliche Bildung und Praxis notwendige Anregungen geben. Wir bedanken uns bei den Beteiligten dafür, dass sie ihre Beiträge in zum Teil überarbeiteter Form für diese Dokumentation zur Verfügung gestellt haben. Wir möchten mit diesem Band Anstöße für die dringend notwendige Diskussion liefern. Düsseldorf, im Januar 2004
Günter Schneider, Frank Lorenz

Leseprobe 2

Monika Schwarz
Privatisierung und Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen ohne Alternative? Das dritte Düsseldorfer Forum zum Arbeits- und Sozialrecht hatte das Thema "Betriebs- und Personalräte im Spannungsfeld von Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen". Damit waren wir hochaktuell. Es vergeht kein Tag, an dem nicht jemand in den Medien oder auf den politischen Bühnen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen oder die Liberalisierung und Deregulierung dieser Märkte fordert. Verräterisch ist dabei, dass es sich um Wirtschaftsbereiche handelt, in denen es Gewinnerwartungen gibt – Gewinnerwartungen, die oft nur durch ein schlechteres Angebot, höhere Preise oder Lohndumping erreicht werden können. Die Frage der Daseinsvorsorge spielt bei diesen Überlegungen keine Rolle. Dabei ist kein Argument zu platt, um es in die Diskussion einzubringen. Grundsätzlich werden öffentliche Dienstleistungen zu teuer und zu unwirtschaftlich erbracht. Wenn im Vergleich – zum Beispiel bei Ausschreibungen – öffentliche Unternehmen günstigere Angebote abgeben, werden die Zahlen bezweifelt oder es wird Manipulation unterstellt. Die Gemeindeordnungen der Länder schränken die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Unternehmen nach unserer Meinung unzulässig ein. Warum darf z.B. ein Nahverkehrsunternehmen seine Buswerkstätten nicht außerhalb des eigenen Fuhrparks vermarkten, um so eine Verbesserung seiner Kostenstruktur zu erreichen? Warum darf ein Versorgungsunternehmen nicht Installationsarbeiten beim Hausbau anbieten? Die personellen Kapazitäten sind dort vorhanden. Auf der anderen Seite wird Versorgungssicherheit für die Bevölkerung gefordert. Ein gewinnorientiertes Privatunternehmen wird nicht für den Fall des Falles personelle und materielle Reserven vorhalten, um Störungen schnell zu beseitigen; es sei denn, es wird dafür bezahlt. Ein Privatunternehmen wird auch keine Filialen betreiben, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen (wie Post oder Sparkassen). Es gibt negative Beispiele genug, wie sich der Verkauf öffentlicher Dienstleistungen auswirkt. Wir brauchen nur an die verheerenden Stromausfälle in den USA, die Situation im Nahverkehr in Großbritannien oder die Versorgung der Bevölkerung mit Post- und Bankdienstleistungen ebenfalls in den USA zu denken. In den genannten Ländern, die in den vergangenen Jahren eine zügellose Privatisierung und Liberalisierung durchgeführt haben, beginnt man jetzt gegenzusteuern. Offensichtlich wollen in Deutschland einige die dort gemachten Fehler erst wiederholen, bevor sie umdenken. Betriebsräte, Personalräte und ihre Gewerkschaft ver.di, die auf die Gefahren dieser Entwicklung hinweisen, werden als Blockierer dargestellt. Was müssen wir also tun, um dieser Entwicklung im Interesse der Bevölkerung und unserer Mitglieder Einhalt zu gebieten? Einer Antwort sollten uns die Diskussionen auf diesem Forum näher bringen. Eines ist dabei klar: Eine Lösung ist nur durch eine europäische Zusammenarbeit der Betriebs- und Personalräte und ihrer Gewerkschaften möglich.

Leseprobe 3



Inhalt:

Vorwort (Leseprobe)
Monika Schwarz
Privatisierung und Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen ohne Alternative? (Leseprobe)
Jürgen Hoffmann
Deregulierung – nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch die falsche politische Antwort
Über unsinnigen und sinnvollen Umgang mit Globalisierung, Dezentralisierung und Flexibilisierung
Thomas Fritz
Daseinsvorsorge unter Globalisierungsdruck
Wie EU und GATS öffentliche Dienste dem Markt ausliefern
Joachim Bischoff
Privatisierung öffentlicher Güter
Frank Sauerland / Frank Lorenz / Wilbert GregorPrivatisierung und Liberalisierung am Beispiel der Deutschen Telekom AGKonsequenzen für Beschäftigte und Interessenvertretungen

Hermann Völlings
Die Privatisierung und Deregulierung des Postsektors
Sandor Kocsis
Die Folgen des STAR-Projekts der Deutschen Post World Net für die Unternehmensorganisation und die Beschäftigten
Thomas Koczelnik
Das ver.di-Projekt STAR als Antwort auf den Umbau von Deutsche Post World Net
Andreas Lude
Skizze des "öffentlichen Verkehrsmarktes"
Betriebliche und gewerkschaftliche Interessenvertretung tut not
Ralf Trümner
Beteiligungsrechte und Handlungsmöglichkeiten der Personalräte bei Privatisierungen
Gisbert Brinkmann
Soziale Grundrechte in Europa als Antwort auf Liberalisierung und Globalisierung
Otto Jacobi
Chancen gewerkschaftlichen Handelns durch Europäische Tarifverträge
Claude Quinquis
Möglichkeiten gewerkschaftlichen und betrieblichen Handelns
Erfahrungen aus Frankreich
Globalisierung und Liberalisierung als Herausforderung für Gewerkschaften und Betriebsräte
Diskussion
Anhang
Detailliertes Tagungsprogramm des Dritten Düsseldorfer Forum zum Arbeits- und Sozialrecht
Ankündigung des Vierten Düsseldorfer Forum zum Arbeits- und Sozialrecht zum Thema "Arbeiten ohne Grenzen?"

Autorenreferenz

Dr. Joachim Bischoff, Ökonom, Mitherausgeber der Zeitschrift Sozialismus, Hamburg Dr. Gisbert Brinkmann, Ministerialdirektor, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Berlin Carola Fischbach-Pyttel, Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), Brüssel Thomas Fritz, Attac, AG Welthandel und WTO, und Vorstandsmitglied der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21) Wilbert Gregor, ver.di-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, Abteilung Beamte Prof. Dr. Jürgen Hoffmann, Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) Dr. Otto Jacobi, Laboratorium Europa, Frankfurt/Main Dr. Norbert Kluge, Europäisches Gewerkschaftsinstitut, Brüssel Sandor Kocsis, ver.di-Bundesverwaltung, Projektleiter STAR Thomas Koczelnik, ver.di-Landesfachbereichsvorsitzender Fachbereich 10, Nordrhein-Westfalen Dr. Frank Lorenz, Rechtsanwalt in Düsseldorf Andreas Lude, Betriebsratsvorsitzender Rhein-Bus GmbH, Düsseldorf Claude Quinquis, Mitglied des Vorstands der Gewerkschaft CGT, Abteilung Sozialpolitik, Paris Frank Sauerland, ver.di-Landesfachbereich 9, Nordrhein-Westfalen Günter Schneider, Landesgeschäftsführer Arbeit und Leben DGB/VHS Nordrhein-Westfalen e.V. Monika Schwarz, ver.di-Landesbezirksleitung Nordrhein-Westfalen Ralf Trümner, Rechtsanwalt in Berlin Hermann Völlings, ver.di-Landesfachbereich 10, Nordrhein-Westfalen Margrit Wendt, Konzernbetriebsratsvorsitzende Deutsche Post World Net Gustav Wilden, ver.di Bezirksleiter Düsseldorf Meinhard Zumfelde, Professeur associé an der Universität Cergy-Pontoise, Paris

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