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Wolfgang Fritz Haug / Frigga Haug (Hrsg.)

Unterhaltungen über den Sozialismus nach seinem Verschwinden

Herausgegeben vom Berliner Institut für Kritische Theorie
Gemeinschaftsedition von Argument / BdWi / Berliner Debatte / Karl Dietz / Globus / PapyRossa / PRV / spw / VSA / Weiss / Widerspruch / YetiPress

256 Seiten | 2002 | EUR 8.00 | sFr 14.70
ISBN 3-89438-300-3 1

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Dieses Buch ist eine Gemeinschaftsedition der Verlage: Argument Verlag (Hamburg), BdWi-Verlag (Marburg), Berliner Debatte Wissenschaftsverlag (Berlin), Buch Weiss (Fellbach), Karl Dietz Verlag (Berlin), Globus (Wien), PapyRossa Verlag (Köln), Pahl-Rugenstein Verlag Nachfolger (Bonn), spw Verlag (Dortmund), VSA-Verlag (Hamburg), Widerspruch, Beiträge zur sozialistischen Politik (Zürich), YetiPress (Bremen)

Wie passen ernsthafte Unterhaltungen in eine Zeit, für die Unterhaltungsspaß fast alles ist? Drei Mal trafen sich Intellektuelle aus West- und Ostdeutschland, um die Fragen nach Perspektiven und Subjekten von Sozialismus neu aufzunehmen: Erhard Crome, Frank Deppe, Jutta Held, Wolfgang Küttler, Susanne Lettow, Peter von Oertzen, Lothar Peter, Jan Rehmann, Thomas Sablowski, Christoph Spehr, Jochen Steinhilber, Christoph Türcke und Frieder Otto Wolf.

Sie verständigen sich in diesem Buch über Bedingungen und Möglichkeiten linker Politik heute und in naher Zukunft.

 

 

Leseprobe 1

Wolfgang Fritz Haug
Vorwort I. Wie passen ernsthafte Unterhaltungen in eine Zeit, für die Unterhaltungsspaß fast alles ist und von der Neil Postman meinen konnte, sie werde sich noch »zu Tode amüsieren«? Nicht alle werden die folgenden Unterhaltungen, in die gelegentlich Bruchstücke aus Vorlesungen einzufließen scheinen, in jedem Moment unterhaltend finden. Manche, die gewohnt sind, dass ihnen schnelle Abwechslung und scharfe Reize oder, falls sie konkret-LeserInnen sind, eindeutige Feindbilder und verbale Prügeleien geboten werden, könnten ungeduldig werden. Hier herrscht selbstkritische Nachdenklichkeit. Hier fetzt man sich nicht, sondern zweifelt sich durch, versucht mit- und gegeneinander, auf dem Boden des Wirklichen das Wünschbare mit dem Möglichen zusammenzubringen. Da aber die in den Unterhaltungen durchgesprochenen Existenzfragen praktisch von den Jüngeren entschieden werden und deren Ungeduld unentbehrlich ist, sobald sie den langen Atem aufbringt, lassen wir vorab Bertolt Brecht für uns sprechen. Die kleine Geschichte, die von der nötigen Geduld derer handeln könnte, die heute mit großer Ungeduld auf soziale Ungerechtigkeit, Kriegspolitik und Umweltzerstörung blicken, ist überschrieben: »Tu will kämpfen lernen und lernt sitzen« (Ges. Werke, Bd. 12, 576): Tu kam zu Me-ti und sagte: Ich will am Kampf der Klassen teilnehmen. Lehre mich. Me-ti sagte: Setz dich. Tu setzte sich und fragte: Wie soll ich kämpfen? Me-ti lachte und sagte: Sitzt du gut? Ich weiß nicht, sagte Tu erstaunt, wie soll ich anders sitzen? Me-ti erklärte es ihm. Aber, sagte Tu ungeduldig, ich bin nicht gekommen, sitzen zu lernen. Ich weiß, du willst kämpfen lernen, sagte Me-ti geduldig, aber dazu musst du gut sitzen, da wir jetzt eben sitzen und sitzend lernen wollen. Tu sagte: Wenn man immer danach strebt, die bequemste Lage einzunehmen und aus dem Bestehenden das Beste herauszuholen, kurz, wenn man nach Genuss strebt, wie sollte man da kämpfen? Me-ti sagte: Wenn man nicht nach Genuss strebt, nicht das Beste aus dem Bestehenden herausholen will und nicht die beste Lage einnehmen will, warum sollte man da kämpfen? Beginnen wir damit, Geschichte und Sinn unseres Versuchs zu erzählen! II. Im Sommer des Jahres 2000, dann im Frühling des folgenden Jahres, zuletzt ein Jahr später, im Frühling des Jahres 2002, trafen sich einige linke Intellektuelle aus West- und Ostdeutschland, um – nach dem Scheitern des Staatssozialismus und angesichts der Umwälzung aller gesellschaftlichen Lebenssphären im neoliberalen und hochtechnologischen Weltkapitalismus – die Fragen nach Perspektiven und Subjekten von Sozialismus neu aufzunehmen. Eingeladen hatte das Berliner Institut für Kritische Theorie (InkriT). Gegründet wurde es 1996 als gemeinnützige Einrichtung mit dem Hauptziel, die Arbeit am Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus dauerhaft zu ermöglichen. Später kam die Betreuung der kritischen Gramsci-Ausgabe dazu. Zudem organisiert das InkriT jedes Jahr eine mehrtägige internationale Konferenz, bei der die historisch-kritische Arbeit an Themen des Wörterbuchs mit der Diskussion über aktuelle politisch-theoretische Probleme verbunden wird. – Einige der Teilnehmer der Sozialismusgespräche gehören zum Kuratorium des InkriT, andere zu den Autoren des Wörterbuchs. Den Anlass für die Einberufung der Gesprächsrunde bildete die PDS-Programmdebatte. In den zehn Jahren seit dem Fall der Mauer hatte sich herausgestellt, dass die PDS nicht, wie manche angenommen hatten, eine kurzlebige Übergangserscheinung war. Die Sozialdemokratie zielte auf eine »neue Mitte« und räumte linke Positionen, ein Vakuum zurücklassend, das die PDS allmählich auszufüllen begann. War es möglich, dass aus einer zunächst mehr oder weniger regionalpolitischen und »postkommunistischen« Kraft Ostdeutschlands längerfristig eine gesamtdeutsche linkssozialistische Partei werden könnte? Voraussetzung war eine glaubwürdige historisch-kritische Auseinandersetzung mit kommunistischer Politik im 20. Jahrhundert und ein Maßnehmen an den veränderten Bedingungen des sich in Krisen und Kriegen transnational reorganisierenden Kapitalismus. Neu auszufüllen war die Spannweite zwischen konkreter Politikfähigkeit und der Vision einer Gesellschaft, in der »die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die Entwicklung aller« wäre, wie es bei Marx heißt (MEW 4, 482). III.</> »Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme«, schrieb Karl Marx, um sodann zur sorgfältigen Kritik am Gothaer Programm zu schreiten. Während der knapp drei Jahre, auf die sich die drei Gesprächsrunden verteilen, hat sich die PDS-Programmdebatte in vielstimmigem Für und Wider und in mehreren »Generationen« von Entwürfen und Gegenentwürfen entfaltet, in die zuletzt auch einige Impulse aus den vorliegenden Gesprächen eingeflossen sind. Dies ist im Auge zu behalten, wenn in den Unterhaltungen immer wieder kritisch auf Entwürfe Bezug genommen wird. Tucholsky, der unter mehreren Pseudonymen schrieb, betitelte einen fingierten Leserbrief an eine seiner Masken mit dem sprichwörtlich gewordenen Ausspruch: »Wo bleibt das Positive, Herr Panther?« Ähnliches mögen die unmittelbaren Adressaten dieser Kritik empfinden, zumal diejenigen, die bereits viel Arbeit in die Programmdiskussion investiert haben. Daher sei vorausgeschickt, dass die an den Gesprächen Beteiligten, von denen niemand der PDS angehört, zumindest einige entscheidende Voraussetzungen und Grundzüge der Programmdiskussion befürworten. Anders hätten sie der Einladung des InkriT nicht Folge geleistet. Sprechen wir es also aus: Es scheint uns goldrichtig, die Spannung zwischen utopisch anmutender Vision und tatsächlicher Politikfähigkeit (d.h. auch Koalitionsfähigkeit) produktiv zu machen und auf keinen Fall den einen Pol dem anderen zu opfern. Wir finden es richtig, für die Gegenwart das zu aktualisieren, was Rosa Luxemburg einst »revolutionäre Realpolitik« genannt hat und was in der Sprache der westdeutschen Jungsozialisten »systemüberwindende Reformen« hieß – auch wenn die Worte heute andere sein mögen. Angesichts der Tatsache, dass der vom Kommunistischen Manifest vorauseilend beschriebenen Vollendung des kapitalistischen Weltmarkts heute unter dem Deckwort »Globalisierung« täglich mehr Realität zuwächst, halten wir es für geboten, keinen Moment die Augen davor zu verschließen, dass wir im Kapitalismus leben und dass ohne kritische Theorie des Kapitalismus noch nicht einmal liberale Demokratie, geschweige denn sozial-ökonomische und ökologische Reformpolitiken realitätstüchtig betrieben werden können. Dies ist ein Stolperstein für so manche Schönredner. Programme sind der verschönerte Schatten dessen, was die Parteien wirklich tun, wenn sie mitregieren. »Denn das Wort ist der Schatten des Werks«, heißt es schon bei Demokrit (Frg. 145). Nicht schöne Ziele und lockende Versprechen können darüber entscheiden, ob man einer Partei über den Weg traut. Von der Werbung lernend behandeln die meisten Parteien die Wähler wie unheilbar kranke Konsumenten, denen man die Wahrheit verschweigen muss, wie ungesund ihr Konsumismus für die Welt und sie selbst ist. Eine Partei, die sich als »Partei der gerechten Globalisierung« vorstellt und über den transnationalen Kapitalismus und seine imperialen Herrschafts- und Kräfteverhältnisse schweigt oder die erklärt, dem Krieg gegen Jugoslawien zugestimmt und dennoch am Ziel der Gewaltfreiheit festgehalten zu haben, kann nicht erwarten, dass man ihr glaubt. Wenn Worte sich derart über alle Taten hinwegsetzen können, deren Unähnlichkeit mit zuvor Gesagtem immer mit den Sachzwängen realer Politik begründet werden kann, ist es offenbar notwendig, die den verkündeten Zielen entgegenstehenden Interessen und Strukturen vorab in aller Klarheit zu analysieren. Wie radikal müsste eine Partei die heutige Welt verändern oder zumindest verändern wollen, um von sich sagen zu dürfen, sie sei die Partei der sozialen Globalisierung. Sinnvolle Ziele und Versprechungen müssen eingebettet sein in eine Abschätzung der zu erwartenden Konflikte und Zerreißproben. Wer den real existierenden Kapitalismus ausblendet, täuscht systemimmanente Lösungen vor, wo systemtranszendierende Schritte gefragt wären. Die Täuschungen von heute sind aber die Enttäuschungen von morgen. Richtig finden wir es im Gegenzug aber auch, den Antikapitalismus durch den Filter der Erfahrungen zu schicken, die im 20. Jahrhundert mit ihm gemacht worden sind. Wir anerkennen, dass mit dem Programm versucht wird, die Lehren aus der geschichtlichen Katastrophe zu ziehen, zu der die – unter dem Einfluss des Imperialismus und der Weltkriege zustande gekommene – historische Scheidung von Kommunismus und Demokratie geführt hat. Rosa Luxemburgs »Kein Sozialismus ohne Demokratie, keine Demokratie ohne Sozialismus« ist die geeignete Richtlinie hierfür. »Luxemburgismus« also ist angesagt, aber ohne den Mythos vom »Letzten Gefecht« und ohne ökonomistische Verkürzung. Auch uns scheint es richtig, rechtsstaatliche Verhältnisse parlamentarischer Demokratie mit der Achtung vor den Menschenrechten und dem Schutz von Minderheiten fundamental zu bejahen. Wir sehen aber auch die tiefen demokratischen Defizite dieser Verhältnisse in ihrer aktuellen Gestalt und halten es daher für notwendig, den Ausbau, die weitere Demokratisierung und demokratische Ergänzung dieser Errungenschaften der bürgerlichen Revolutionen ins Programm zu schreiben. Richtungsweisend scheint uns der kategorische Imperativ, die Veränderung aller Verhältnisse anzustreben, in denen Menschen aufgrund ihrer Klassenlage oder ›Rasse‹, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion (soweit diese nicht die Prinzipien der Rechtstaatlichkeit, der Gewaltfreiheit und der Demokratie negiert) benachteiligt oder verfolgt, unterdrückt und gedemütigt werden. Richtungsweisend ist schließlich das marxsche Postulat, dass keine Klasse, keine Nation, noch nicht einmal alle Nationen zusammen das Recht haben, sich als Eigentümer der Erde, der Lebensgrundlage der heutigen und künftigen Menschen aufzuführen; sie sind nur die vorübergehenden Besitzer, die die Pflicht haben, sie den kommenden Generationen verbessert zu hinterlassen. Anders als Marx dachte, ist die Einlösung all dieser Sätze heute in utopische Ferne gerückt. Angesichts der Verhältnisse scheint es wachsamen Beobachtern, dass die liberale Demokratie in ihren westlichen Stammländern noch nie so gefährdet war wie heute (Derrida) und dass insgesamt das Überleben der Menschheit selbst zur Utopie geworden sei (Biedenkopf). Die Programmtexte überzeugen uns dort am meisten, wo der Widerspruch zwischen den Potenzialen der technisch-zivilisatorischen Entwicklung im Kapitalismus und ihrer Fesselung, ja Umlenkung ins Destruktive analysiert wird. Erhellend ist die Erinnerung an das schon von Marx gesehene Paradox, dass der entfesselte Profitmechanismus jedes Ding mit seinem Gegenteil schwanger gehen lässt. Jede Erfindung, die Arbeit erleichtert oder einspart, vernichtet Arbeitsplätze, und jede Entdeckung, die Naturprozesse menschlichem Zugriff ausliefert, liefert Menschen und ihre Lebensbedingungen der Herrschaft anderer Menschen aus. Ein linkes Programm tut gut daran, die gesteigerten Gestalten dieses Paradoxes für die Gegenwart klar zu benennen und entsprechende Forderungen – etwa nach sozialer und ökologischer Bindung von Eigentum, Wissenschaft und Technik oder nach Schaffung der Bedingungen für lebenslanges Lernen tendenziell aller – klar in die Analyse einzubetten. Anders aber als in den bisherigen Entwürfen sollten solche Gesichtspunkte der Spannung und Widersprüchlichkeit strukturbildend genutzt, nicht nur beiläufig eingestreut werden. Dass die einzelnen Antworten auf Existenzfragen der Menschheit noch in keine überzeugende Reformalternative eingebunden sind, sollte ausgestellt und mit der durchgängigen Einbeziehung der Adressaten verknüpft werden. Versprechungen, die durch keine noch so revolutionäre Realpolitik eingelöst werden könnten, haben kein Recht. Illusionismus und spätere Abspaltungen sind die Folge, wenn man im politischen Nahbereich Forderungen aufstellt, bei denen die Rechnung völlig ohne die Weltwirtschaft gemacht (und zur Vorsicht auch gar nicht erst aufgemacht) wird. Im Gegensatz zu früheren Programmen der Arbeiterbewegung können wir im gegenwärtigen geschichtlichen Moment nicht mehr – bzw. noch nicht wieder, auf andere, heute noch ungekannte Weise – verkünden, wie ein sozialistischer Umbau des sozio-ökonomischen Systems im Ganzen aussehen und geschehen könnte. Die aus der Oktoberrevolution hervorgegangene und dem Stalinismus anheim gefallene Welt liegt in Trümmern, die stalinistische Erfahrung verlangt einen radikal neuen Ansatz. Die sozialdemokratische Linie, die in der Epoche des Fordismus und der Systemkonkurrenz nach dem Zweiten Weltkrieg im sozialen Wohlfahrtsstaat aufging und ihre marxistischen und sozialistischen Einsichten und Orientierungen preisgab, ist von der Krise des Fordismus getroffen worden und hat sich nach diesem »Ende des sozialdemokratischen Zeitalters« zu einer dem Neoliberalismus verpflichteten Politik der »neuen Mitte« gewendet. Die mit dieser Politik verbundenen Erfahrungen drohen nun aber Wähler in Massen zur populistischen Rechten hinzutreiben. Eine demokratisch erneuerte sozialistische Politik wird versuchen, die links von der SPD ohne politische Vertretung zurückgelassenen Wähler zu gewinnen. Eine radikale Überwindung der historischen Scheidung von Kommunismus und Demokratie auf der einen Seite, auf der anderen eine Rückgewinnung der Perspektive solidarischer Vergesellschaftung jenseits des Kapitalismus, die nicht auf konkrete Reformpolitik hier und jetzt verzichtet, bestimmen den Horizont einer neuen sozialistischen Programmatik an der Schwelle des 21. Jahrhunderts. Noch gibt es kein neues alternatives Modell sozialistischer Vergesellschaftung. Nicht Abschaffung des Kapitalismus steht in absehbarer Zeit auf der Tagesordnung, sondern der Kampf um die soziale und demokratische Regulierung des Kapitalismus und um die Verteidigung und Ausdehnung kapitalismusfreier Bereiche. Das heißt aber nicht, dass Theorie und Kritik des Kapitalismus ihre Bedeutung verlören. Im Gegenteil! Es kann sich herausstellen, dass die soziale und demokratische Regulierung des Kapitalismus angesichts der Kräfteverhältnisse fast so utopisch ist wie seine Abschaffung. Wer wähnt, den Tiger reiten zu können, sollte den Tiger zunächst studieren. Die Erfahrung lehrt auf jeden Fall, dass reformistischer Kampf zur perspektivlosen Anpassung verkommt, wenn er seinen utopischen Horizont aus dem Blick verliert. Nahziele brauchen Fernziele zur Orientierung. Und sie brauchen Handlungsformen, in denen etwas von der utopischen Ferne freier und solidarischer Vergesellschaftung lebenspraktisch bereits jetzt verwirklicht wird. Einen anderen als den demokratischen Sozialismus kann es nach der stalinistischen Erfahrung nicht mehr geben. Otto Bauers Forderung nach einem integralen Sozialismus, die unterm Stalinismus und in der Aufmarschordnung des Zweiten Weltkrieges keine Chance hatte, ist heute die einzig realistische. Dabei wissen demokratische Sozialisten, dass sie keinen Alleinvertretungsanspruch erheben können. Die Politik eines integralen Sozialismus und der Aufhebung der überkommenen Spaltungen kann sich heute einzig in pluraler Form entfalten. Nicht ein kommandierendes Zentrum, sondern ein Netzwerk, in das sich Initiativen einbringen können, bietet den angemessenen Praxisrahmen. Freilich muss eine Partei auch vereinheitlichen, um sich nicht selbst aufzugeben. Doch muss sie akzeptieren, dass sie nicht die einzige vereinheitlichende Kraft ist, sondern im gleichberechtigten Nebeneinander mit anderen diese Funktion immer neu durch Bündelung der widersprüchlichen Impulse zu erarbeiten hat. Für die Struktur der Programmatik besagt dies: Nicht eine standardisierte Massenlinie ist anzustreben, kein homogenes »Flächenkonzept« des Politischen, sondern eher ein Netzwerk, das der Pluralität sozialer und kultureller Bewegungen, die in emanzipatorischer Perspektive wirken, gerecht wird. Die große Ernüchterung, aus der sozialistische Erneuerung sich heute einzig erheben kann, ist eine historische Chance. Doch in der geschichtlichen Situation lauert zugleich die Gefahr, dass die berechtigte Forderung nach gegenwärtiger Politikfähigkeit alles, was darüber hinaustendiert, überwältigt. Der notwendige Pragmatismus im Dienste der Tagespolitik droht sich an die Stelle der Fernziele zu setzen. Damit verlöre eine demokratisch-sozialistische Partei ihr Existenzrecht. An Fernzielen festhalten und ihnen schon jetzt Stützpunkte in der Wirklichkeit zu schaffen ist deshalb »Realpolitik« auf der Ebene der Identitätsfindung, des Existenzerhalts und der weiteren Ausstrahlung einer sozialistischen Partei. Das wichtigste Fernziel, das Zusammenleben von Menschen betreffend, ist die Verknüpfung von Solidarität mit Freiheit, wie sie im Manifest formuliert ist. Das Ziel im Blick auf die gesellschaftlichen Naturverhältnisse aber ist es, den »Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde […] systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen« (Marx, MEW 23, 528). Beide Ziele überschreiten die Schranken kapitalistischer Vergesellschaftung. Der Kontext, dem diese Orientierungen entspringen, sind Verhältnisse, die ihren Mangel produzieren, Gewaltverhältnisse, Verhältnisse der Desolidarisierung, der Ausschließung, des zerstörerischen Ressourcenverbrauchs, des Wechselspiels von antiimperialem Terror und Staatsterrorismus, zuletzt des von den USA erklärten diffusen und zeitlich unbegrenzten »Weltkriegs gegen den Terror«. IV. Seit dem Zusammenbruch des europäischen Staatssozialismus sowjetischen Typs und der nationalen Befreiungs- und Entwicklungsregime herrscht in geschichtlich beispiellosem Grad weltweit der Kapitalismus. Die von den kapitalistischen Zentren ausgehende neoliberale Politik verfolgt rücksichtslos die Ziele der »Marktinteressenten«, das heißt der transnationalen Konzerne, die bei entgrenzter Konkurrenz überall die weniger entwickelten Ökonomien durchdringen und sich unterordnen. Die trinitarische Formel des Neoliberalismus lautet »Freihandel – Privatisierung – Deregulierung«. Das gesellschaftliche Leben tendiert in allen Bereichen dazu, mit der Unterordnung unter den Weltmarkt zur totalen Marktwelt zu werden. Dies ist der Sinn der neoliberal betriebenen Globalisierung von oben. Sie entfesselt die Konkurrenz der Menschen im Innern der Gesellschaften, die sie in Gewinner und Verlierer spaltet. Sie tut dies erst recht im Weltmaßstab. Sie bereichert die Reichen und verarmt die Armen. Ihre über den Weltmarkt wirkenden Mächte kennen keine demokratische Kontrolle, keine entsprechende soziale, politische und rechtliche Rahmung, keine Instanz, die die Kapitalakteure zur Verantwortung ziehen oder ihre Geschäftspolitiken in entwicklungspolitische und zivile Grenzen zwingen könnte. Sie hat den Krieg wieder normalisiert und die Durchsetzung nationaler und transnationaler Interessen remilitarisiert. Sie hat damit die klassischen marxschen und marxistischen Analysen der Verhältnisse, die im »sozialdemokratischen Zeitalter« von der Wirklichkeit überholt und veraltet schienen, in den Rang maßvoller Beschreibungen des realexistierenden Kapitalismus zurückversetzt. Den epochalen Umbrüchen in der »politischen Wolkenregion« der Staatenwelt und der internationalen Weltordnung am Ende des 20. Jahrhunderts liegt ein Umbruch der kapitalistischen Produktionsweise zu Grunde, der oft verschleiernd als »Übergang von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft« bezeichnet wird. Um den Computer als Universalinstrument gruppieren sich hochtechnologische Produktivkräfte. Fließbandarbeit und standardisierte Massenproduktion haben weithin der flexiblen Automatisierung Platz gemacht. Die »organische Zusammensetzung« des Gesamtarbeiters hat sich mehrfach verschoben: in seiner Verteilung auf dem Erdball; in der Positionierung der beiden Geschlechter zueinander; in der »Ethnisierung« von Klassenspaltungen; nicht zuletzt im Verhältnis von »körperlicher zu »geistiger« Arbeit. In den kapitalistischen Zentren dringen »wissensbasierte Arbeitsformen« und »Dienstleistungen« vor – zugleich breiten sich Niedriglohnverhältnisse und Massenarbeitslosigkeit aus. Unterdessen vollzieht sich in den »Schwellenländern« eine Proletarisierung, oft unter Bedingungen eines »wilden Kapitalismus« mit seinem Regime der »Sweatshops« oder »Maquiladoras«. Das ist wiederum eine widersprüchliche Entwicklung: In den patriarchalen Agrargesellschaften werden vor allem junge Frauen in industrielle Prozesse eingesaugt, was als »Feminisierung« der Arbeit bezeichnet worden ist. Bei allen negativen Aspekten ist die Proletarisierung der Frauen für diese zugleich ein erster Schritt aus patriarchaler Bevormundung in die eher »selbstbestimmte Entfremdung« der Lohnarbeit und womöglich gewerkschaftliche Zusammenschlüsse. Die männliche Bevölkerung aber verarmt weiter und wird, wo sie nicht von »Gewaltmärkten« absorbiert wird, in den Kreislauf der stets wachsenden Weltmigration hineingezogen. Da auch die transnationalen Kapitale der billigeren Arbeitskraft »entgegen-migrieren«, wirkt die Existenz von Drittweltländern verschärfend auf die Lage der Lohnabhängigen und Erwerbslosen in den Industrieländern und treibt sie in die Arme populistischer Demagogen. Neoliberale Globalisierungspolitik reproduziert wachsende »Drittweltsektoren« inmitten der Reichtumszentren. Heute zu neuen Formen der Solidarisierung der Arbeitenden der Welt aufzurufen klingt anachronistisch angesichts der Ideologien vom »Ende der Arbeitsgesellschaft« oder gar vom »definitiven Ende« der Arbeit als solcher (Kurz). Und doch ist die Rekonstituierung der Solidarität über alle Fraktionierungen der arbeitenden Klassen hinweg die einzig realistische Schlussfolgerung angesichts einer Globalisierung des Marktes, die tiefe Spaltungen unter ihnen hervorbringt – bis zur Entstehung eines neuen »Arbeitshelotentums«. V. Wir sind welthistorisch Ernüchterte. Unsere Hände sind leer, was eine realisierbare und mehrheitsfähige Systemalternative angeht. Eher rufen wir all diejenigen zu gemeinsamem Handeln, die wie wir mit Walter Benjamin einsehen: »Dass es so weitergeht, ist die Katastrophe.« Mit diesen Einschränkungen können wir sagen: Wir treten ein für eine demokratisch-soziale und ökologische Wende auf Grundlage der hochtechnologischen Möglichkeiten. Es kann aber nicht Sache einer externen Politikberatung sein, konkrete Politiken einer Partei zu entwerfen oder sich in Einzelheiten zu verlieren. Wohl hat sie die epochalen Veränderungen und neuen Bedingungen zu benennen, auf die ein Parteiprogramm zu Beginn des 21. Jahrhunderts antworten muss. Sie kann Kriterien vorschlagen und die Vor- und Nachteile bestimmter Herangehensweisen erörtern. Sie wird also einen stark methodologischen Akzent tragen und sich zugleich um Verständigung über die Determinanten der Gegenwart und die aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts überkommenen Erfahrungen bemühen. Sie wird abzuschätzen versuchen, welche Zerreißproben auf die Gesellschaft und auch auf die Linke selbst zukommen. Sie wird die progressiv-widerständigen Bewegungen der Gegenwart unter dem Gesichtspunkt mustern, zu welchen beispielhaften Protest-, Bewegungs- und Gegenöffentlichkeitsformen hin eine erneuerte sozialistische Programmatik anschlussfähig sein muss und welches ihre Akteure sein können. VI. Es ist uns bewusst, dass unabhängige Politikberatung immer riskiert, von den unmittelbaren Adressaten in den Wind geschlagen zu werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die weitere Entwicklung der PDS in Richtung »Regierungsfähigkeit« auf Kosten der notwendigen Radikalität der Analyse und der Zielsetzungen geht. Wenn wir hier die Sozialismusgespräche des InkriT der Öffentlichkeit übergeben, so deshalb, weil wir sie so angelegt haben, dass sie über Anlass und Moment, auch über die Landesgrenzen hinaus ein Dokument des Nachdenkens und der Orientierung darstellen. Sie versuchen etwas, das in einer epochalen Umbruchssituation ebenso notwendig wie schwierig ist. Die Mitwirkenden kommen aus verschiedenen Generationen und unterschiedlichen linken Traditionen. Sie verständigen sich über Bedingungen und Möglichkeiten linker Politik heute und in naher Zukunft. Alle Beteiligten begreifen den Spagat zwischen Fernzielen und jetziger Politikfähigkeit als entscheidende Identitätsressource linkssozialistischer Parteipolitik, sehen aber auch die zerreißenden Widersprüche, die darin enthalten sind. Vor allem wollen sie alle, dass die geschichtliche Chance wahrgenommen wird, in Deutschland langfristig eine sozialistische Linkspartei zu verankern. Sie sehen, dass sie diese Chance den Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern verdanken. Sie sehen aber auch, dass die Realisierung dieser Chance sich auf längere Frist in den westlichen Bundesländern entscheidet. Dort aber gibt es ein, wie die Zahlen zeigen, zögerndes Potenzial links von der SPD, das mit Elefantengedächtnis an den geschichtlichen Erfahrungen haftet. Wenn diese Menschen begründet darauf vertrauen können, dass eine linke Partei sich im Feld einer vielstimmig entfalteten Rationalität zu bewegen gelernt hat, werden sie den entscheidenden Schritt auf sie zutun. In der PDS ist oft davon die Rede, es komme darauf an, »in der Gesellschaft anzukommen«. Wenn überhaupt, dann findet dies in der Form statt, dass wachsende Teile der Gesellschaft sich selbst auf die PDS zubewegen. Die Form der Gespräche oder philosophischen Unterhaltungen, die seit der Antike immer wieder dazu genutzt worden ist, ein Problemfeld zu durchmessen oder Auffassungen argumentierend zu entwickeln, erwies sich als besonders geeignet, die Vielfalt der Aspekte und Positionen mit der nötigen Einheit des Argumentationszusammenhangs zu verbinden. Manchmal kommt die Fiktion der Realität näher als diese sich selbst. Bearbeitung und nachträgliche Einfügungen haben den Text der ersten beiden Runden verändert, und das dritte Gespräch ist gänzlich »virtuell«, übers Internet, geführt worden. Als sich die Idee herauskristallisierte, die Gespräche noch rechtzeitig vor den Bundestagswahlen vom September 2002 als Taschenbuch herauszubringen, war es für die verlegerischen Planungsfristen längst zu spät. Also musste improvisiert werden. Desto mehr ist den Verlagen zu danken, die sich gleichwohl bereitgefunden haben, der für die Verbreitung dieses Büchleins unterm Dach des InkriT gebildeten Verlagsgemeinschaft beizutreten. Zu danken ist auch Bernd Ihme für vielfältige technische und organisatorische Hilfe. Esslingen, 22. Mai 2002

Leseprobe 2

Peter von Oertzen
Nachwort Es grenzt an Anmaßung, die Ergebnisse und den kontroversen Gedankengang einer Diskussion, die »Unterhaltungen« zu nennen eine Untertreibung ist, vorstellen zu wollen, ohne daran teilgenommen zu haben. Im vorliegenden Fall wird eine solche Fülle an Gesichtspunkten und Argumenten entfaltet, dass eine aussagekräftige Zusammenfassung oder gar Bewertung so gut wie unmöglich ist. Andererseits wäre – gerade wegen dieses inhaltlichen Reichtums – ein bloß formaler, den Inhalt lediglich deklarierender Text unangemessen und im Grunde überflüssig. Aus diesem Dilemma scheint mir nur die Überlegung herauszuführen, dass ein solches Gespräch ein Neubeginn ist, der auf mögliche und wünschenswerte Fortsetzungen verweist. Das gilt natürlich nur, wenn ein solcher Beginn als so gelungen angesehen werden kann, dass ein Fortschreiten auf dem eingeschlagenen Wege sich aufdrängt. Das aber ist, wie mir scheint, hier der Fall. Der Hauptgrund dafür liegt in der Art und Weise, wie das Thema »Sozialismus nach seinem Verschwinden« zum Gegenstand der Erörterung gemacht wird. Es wäre auch eine Konferenz denkbar gewesen mit einem Dutzend Referaten (und Diskussion natürlich) oder ein Sammelband mit ausgearbeiteten Aufsätzen. Dergleichen hat es ja auch in jüngerer Zeit gegeben und solche Vorhaben sind sicherlich immer wieder nützlich. Ein Gespräch zwischen einer begrenzten Anzahl von kenntnisreichen, urteilsfähigen und geistig lebendigen, offenen Menschen ist jedoch etwas durchaus anderes als ein traditioneller Workshop oder eine Buchpublikation mit durchformulierten Texten. Konferenz oder Buch sind in der Regel kaum mehr als das Nacheinander ihrer Beiträge und sie erbringen zumeist nur das an Erkenntnisgewinn, was von vorneherein in ihren Beiträgen enthalten war. Ein wirkliches Gespräch – gut vorbereitet und klug geleitet wie dieses – ist in seinem Ergebnis hingegen weit mehr als die Summe der einzelnen Diskussionsbeiträge. Das Gespräch selbst beeinflusst seine Teilnehmer, erweitert ihre Problemsicht und bereichert ihre Argumentation; vor allem macht es in Rede und Gegenrede Lücken im allgemeinen Kenntnisstand und Einseitigkeiten überkommener Argumentationsmuster sichtbar, zumal jede/r im Gespräch Argumente korrigieren und anfechtbare Thesen zurücknehmen kann. So wird jeder einzelne Gesprächsteilnehmer klüger und zugleich werden es alle zusammen. Ein solches Gesprächsergebnis – und damit komme ich auf das eingangs Gesagte zurück – bezeichnet unvermeidlicherweise auch Lücken des Kenntnis- oder Diskussionsstandes, offene Fragen, die eine Fortsetzung des Gedankenaustauschs nahe legen. Auf einige solcher Lücken und Fragen möchte ich im Folgenden hinweisen. Das ist nicht als Kritik zu verstehen; eine quantitative Vermehrung und qualitative Ausdehnung der Gesprächsgegenstände hätte die Möglichkeiten des diskutierenden Kreises überfordert. Aber vielleicht können die folgenden Bemerkungen dazu ermutigen, weitere Gespräche dieser Art zu führen – womöglich in veränderter Zusammensetzung. Ich will jedenfalls versuchen, aus dem Gesprächstext einige (keineswegs alle denkbaren) Fragen und Problemstellungen herauszugreifen, die meines Erachtens nach weiterer Behandlung verlangen. Da diese Gespräche zustande gekommen sind, weil der Vorstand der PDS unabhängige Intellektuelle gebeten hat, aus ihrer Sicht einen Beitrag zur derzeitigen PDS-Programmdiskussion zu leisten, sind einige Partien ausdrücklich und speziell auf die PDS bezogen. Der überwiegende Teil hat jedoch die Probleme linkssozialistischer Politik (in Westeuropa) ganz allgemein zum Gegenstand. Auf diesen Teil beziehen sich meine Bemerkungen in erster Linie. Meine Auswahl ist natürlicherweise begrenzt und subjektiv. Dass viele der Sache nach nicht weniger wichtige Fragestellungen unberücksichtigt bleiben, ist unvermeidlich. Ausdrücklich – aber auch unausgesprochen – zieht sich durch das gesamte Gespräch die Frage, ob es im Prinzip überhaupt möglich, und wenn möglich, ob es sinnvoll und wünschenswert sei, der – an sich von allen Gesprächsteilnehmern in dieser oder jener Form bejahten – Vorstellung von »Sozialismus« eine inhaltlich bestimmte, fest umrissene Theorie zugrunde zu legen. Auch diejenigen, die sich in ihrer Argumentation auf Marx und die marxschen Traditionen beziehen, weisen jeden theoretischen »Alleinvertretungsanspruch« zurück. Die Spuren des zum Dogma verfestigten »wissenschaftlichen Sozialismus« der jüngeren Vergangenheit schrecken ganz offensichtlich. Freilich ist der berechtigte Hinweis darauf, dass Dogmatismus das Denken erstarren lässt und die Wahrnehmung der Wirklichkeit beeinträchtigt sowie dass die jeweiligen institutionalisierten Hüter des Dogmas ihre eben dadurch legitimierte Macht politisch zu missbrauchen pflegen, noch keine Lösung von Problemen, die in der Sache liegen. Jede Aussage, die nicht von vorneherein als bloßes subjektives Meinen daherkommt, sondern als ein Resultat kritisch argumentierenden Denkens, erhebt notwendig einen Wahrheitsanspruch. Dieser kann als unberechtigt zurückgewiesen oder als berechtigt anerkannt werden – im Medium vernünftiger Argumentation und auf keine andere Art und Weise. Dass auch Wissenschaftler irren und wissenschaftliche Theorien widerlegt werden können, ändert nichts an der geschilderten Lage. Gegen dogmatische Verfestigungen in Theorie und Praxis hilft nicht ein verallgemeinerter »Dogmatismusverdacht«, sondern die bewährte Praxis institutioneller Sicherungen der intellektuellen Meinungsfreiheit und der politischen Pluralität. Derzeit aber gibt es in der Tat, so scheint mir, gerade in den Reihen der Linken, als verständliche Reaktion auf Sektierertum und Dogmatismus und die dadurch mit verschuldeten schrecklichen politischen Niederlagen, eine gewisse Neigung, jede dezidierte theoretische Aussage (und natürlich jede darauf gegründete politische Praxis) von vorneherein als zumindest potenziell dogmatisch abzuweisen. Ein solches Verfahren ist jedoch genauso unkritisch wie der umstandslos erhobene Anspruch von Dogmatikern, ihre Auffassungen seien ein für allemal die unbestreitbare Wahrheit. Überdies – und das sei am Rande vermerkt – entwaffnet ein solcher dogmatischer »Antidogmatismus« die Linke gerade im gegenwärtigen »Sozialismus-Diskurs«, in dem Neoliberale und Postmodernisten in trautem Verein jede sozialistische Auffassung als »dogmatisch« in Misskredit zu bringen versuchen, mit dem Ziel, sich dadurch von vorneherein der Auseinandersetzung in der Sache zu entziehen. Diese Problematik ist den Teilnehmern sehr wohl bewusst. In Ergänzung zu dem anregenden Vorschlag, die Situation einer linken Programmdebatte angesichts der Vielfalt unbeantworteter Fragen als ein »offenes Laboratorium« zu verstehen (FD), beharrt CT auf einer »sozialistischen Grundorientierung«, und gerade FD verweist auf ein großes Maß an praktischer »Einheitlichkeit in den Punkten, wo wir Widerstand zu leisten und was wir theoretisch zu kritisieren haben«. Dass solchen Festlegungen ein theoretisches Vorverständnis zugrunde liegen muss, kann wohl kaum bezweifelt werden. Es gibt noch andere und durchaus beachtliche Einwendungen gegen die Annahme bestimmter fest umrissener (dem Anspruch nach sehr häufig theoretisch-wissenschaftlich begründeter) Voraussetzungen für Programm und Politik von Sozialisten, vor allem vorgetragen von FH und besonders radikal von CS. FH kritisiert den Anspruch, »Antworten geben zu können für andere, statt die Notwendigkeit, Kommunikationsprozesse … in Gang zu setzen, selber zur programmatischen Aufgabe zu machen«. Man müsse »die Adressaten einbeziehen in die Ungelöstheit der Fragen«. Und sie besteht darauf, dass »Bedürfnisdispositionen« sich anders ausbilden, »wenn Menschen einbezogen werden«, als wenn sie nur »Konsumenten sind«. »Kurz: die Anregung zur Partizipation müsse den Vorrang haben vor dem Abgeben fertiger Antworten.« Dies scheint mir sehr überzeugend zu sein und vor allem bedeutsam für jene Prozesse, in denen die konkreten Programmforderungen entstehen, weg von »einer Konstellation, in der es Leute gibt, die wissen, wo es langgeht, und die dann andere davon überzeugen, und zwar auf eine argumentativ-intellektuelle Weise« (LP). Diese Argumentation berührt eine grundlegende Problematik aller Sozialwissenschaften, die sich seriös mit den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen befassen. Ihre »Objekte« sind handelnde Menschen; und das bedeutet, dass diese Menschen wissenschaftliche Analysen und Prognosen, die ihre Lebensumstände und ihr Verhalten zum »Gegenstand« haben, durch ihr eigenes Verhalten bestätigen oder widerlegen können. Marx war dieser Umstand sehr klar; man nehme seine zweite Feuerbach-These: »In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens – das von der Praxis isoliert ist – ist eine rein scholastische Frage.« Bei näherem Zusehen bezieht sich die hier wiedergegebene Position allerdings nur auf einen Teil des geistigen Produktionsprozesses, in dem ein sozialistisches Programm entsteht, freilich auf einen zentralen: nämlich auf die Erarbeitung und Formulierung jener Forderungen, die die Lebenswelt und die Bedürfnisse der Adressaten des Programms unmittelbar betreffen. Und geschichtlich betrachtet richtet sich diese Auffassung gegen eine schlechte »leninistische« Tradition, in der eine politische Führung besser zu wissen glaubte (oder zu wissen vorgab), was »die Massen« fühlen, denken, wollen (oder besser: fühlen, denken, wollen sollten) als diese selbst. Wenn es aber um Grundprobleme der Gesellschaftskritik geht, die sich ihrer Komplexität wegen nur theoretisch-wissenschaftlich erfassen und formulieren lassen, etwa um die Frage, ob die marxsche Kritik der politischen Ökonomie Struktur und Funktion der kapitalistischen Produktionsweise zutreffend auf den Begriff bringt, dann reichen die hier dargelegten Denkfiguren einer dialektischen Vermittlung von Theorie und Praxis nicht mehr ohne weiteres aus, zumindest müssen sie erheblich verfeinert werden. Theorie und Praxis treten weit auseinander, und ihre wechselseitigen Beziehungen werden höchst komplex. In der Folge lässt sich die Differenz zwischen denen, »die wissen, wo es langgeht«, und denen, um deren Bedürfnisse es letztlich geht, nicht mehr so einfach »dialektisch« überbrücken. Der gegenwärtige Stand der gesellschaftlichen Arbeitsteilung – auch und gerade zwischen »Theoretikern« und »Praktikern« – lässt sich nicht durch willkürliche Setzung einfache revidieren. Erst »in einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft« kann jenes Problem gelöst werden, wie Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms schreibt, »nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit« (wohlgemerkt nicht die Arbeitsteilung selbst) und »damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist« (MEW 19, 15ff, 21). Diese ernüchternde Erkenntnis mag CS, so scheint es, nicht akzeptieren, wenn er sagt, dass es ihn »schon mal misstrauisch« mache, wenn ein Parteiprogramm »mit der Analyse der Welt« anfange, und dass es ihm gefalle, wenn die Mitglieder dieser Partei »nicht beanspruchen, sie wüssten, was für andere gut ist«. Sein Ansatz, ein solches Programm solle »mit den Subjekten« anfangen und den »Sozialismus« nicht als »abstraktes Modell« sehen, »sondern als Gradmesser der Verwirklichung emanzipativer Forderungen, die wiederum aus realen sozialen Bewegungen und den Interessen konkreter Gruppen entstehen«, ist durchaus überzeugend, bezeichnet aber nur eine grundlegende notwendige Bedingung von so etwas wie »Sozialismus«, nicht aber den zureichenden Grund, d.h. alle erforderlichen Voraussetzungen. In jeder sozialen oder politischen Bewegung muss es unter den gegebenen Bedingungen Menschen geben, die von bestimmten Problemen – z.B. von den übergreifenden ökonomischen, sozialen und politischen Zusammenhängen – mehr verstehen als andere und insofern (freilich auch nur insofern) tatsächlich besser wissen, was für alle – also auch die »anderen« – gut ist. Die Aufgabe, die zu lösen ist, besteht nicht darin, die Bewegungspraktiker gegen die abgehobenen Modell-Theoretiker auszuspielen, sondern Formen einer »freien Kooperation« (so der Zentralbegriff in CS’ Preisschrift für die Luxemburg-Stiftung, 2001) zu entwickeln, in denen die notwendige Arbeitsteilung nicht zur Entmündigung der einen durch die anderen führt. CS’ theoretisches Hauptwerk (Die Aliens sind unter uns. Herrschaft und Befreiung im demokratischen Zeitalter, Berlin-München 1999) ist übrigens genauso wie seine Preisschrift überhaupt nur zu verstehen als Versuch eines scharfsichtigen und scharfsinnigen Menschen, andere in deren Interesse von der Richtigkeit seiner eigenen Auffassungen zu überzeugen. Warum schriebe er sonst? Dass er nicht indoktrinieren will, sondern überzeugen – u.a. durch das Erinnern an konkrete Lebenserfahrungen –, macht sein Buch produktiver als viele andere, ändert aber nichts an dem grundlegenden Sachverhalt, dass hier einer besser zu wissen meint, was für seine Leser gut ist, als diese selbst. Die praktische Bedeutung von grundlegenden – und unvermeidlich abstrakten – »Analysen der Welt« lässt sich an einem klassischen Beispiel verdeutlichen. In der Deutschen Ideologie sprechen Marx und Engels von der »sozialen Macht«, »die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht«. »Dieses Sichfestsetzen der sozialen Tätigkeit zu einer sachlichen Gewalt über uns … ist eines der Hauptmomente in der bisherigen geschichtlichen Entwicklung …« Die Verfasser nennen das mit einer ironischen Reverenz vor ihren junghegelianischen Zeitgenossen »Entfremdung« (MEW 3, 34f). Nun gibt es in bestimmten Strömungen des überlieferten »Marxismus«, vor allem bei Louis Althusser, die Neigung, diese Analysen, die mir die Grundgedanken der so genannten »materialistischen« Geschichtsauffassung zu sein scheinen, als überwundene Frühform marxschen Denkens zu betrachten. Ich halte diese Interpretation für falsch. Ganz abgesehen davon, dass Engels in einem seiner bekannten späten Briefe (1890 an J. Bloch, MEW 37, 462ff) eine in der Sache völlig übereinstimmende Auffassung vertritt, hat Marx selbst im 3. Band des Kapital eine prägnante Kurzanalyse der Bewegung des Kapitals und ihrer immanenten Gesetzlichkeit gegeben, die den Gedanken der »Entfremdung« der ökonomischen Verhältnisse von der »Gesellschaft der Produzenten« in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringt. Hier und an vielen anderen Stellen betont Marx, dass der Prozess der Akkumulation und Verwertung des Kapitals ein »Selbstzweck« sei und seine Bewegung daher »maßlos« (so z.B. MEW 25, 260ff; MEW 23, 167, 788). Dies scheint mir – in einer einzigen, zugegeben winzig kleinen Nussschale – der theoretische Grundgedanke der marxschen Kritik der Politischen Ökonomie zu sein. Diesen Grundgedanken festzuhalten gibt uns, so meine ich, den Schlüssel zur Lösung nicht weniger Probleme der sozialistischen Gesellschaftskritik an die Hand. Wenn der selbstzweckhafte Charakter des kapitalistischen Akkumulations- und Verwertungsprozesses der systemische Kern der historischen Leistung des Kapitalismus ist, nämlich die Produktivität ebenso wie die Destruktivität der menschlichen Arbeit auf bis dahin unerhörte Weise zu entwickeln, dann gibt uns diese Einsicht ein Kriterium an die Hand, nach dem wir beurteilen können, ob eine bestimmte konkrete Politik geeignet ist oder nicht, die destruktiven Folgen der kapitalistischen Produktionsweise abzuwenden und ihre produktiven Möglichkeiten im Interesse und zum Wohle aller Menschen zu nutzen. Das Kriterium ist, ob überhaupt und in welchem Grade die in ausbeutungs- und herrschaftsfreier Kooperation assoziierten Menschen in der Lage sind, den Produktions- und Verteilungsprozess seiner Selbstzweckhaftigkeit zu entkleiden und unter ihre bewusste Kontrolle zu nehmen. Nun mögen viele diese Ansicht für falsch halten. Darüber sollten wir offen und ohne vorgefasste Urteile diskutieren. Sollte sie aber zutreffen, dann bietet sie Maßstäbe für die Lösung vieler alter Probleme der sozialistischen Bewegung, z.B. für die in diesem Gespräch an vielen Stellen aufgenommene Frage nach dem Verhältnis von »Revolution« und »Reform« oder nach dem Unterschied sozialistischer und sozialdemokratischer Politik, ferner für die Frage nach der Rolle des »Tagesgeschäfts« in der Politik (EC), für die Frage nach dem Charakter einer nicht mehr kapitalistischen »neuen Regulationsweise« oder sogar für die Bewältigung des Dilemmas, unter Umständen »im Hochimperialismus regieren« zu müssen (FOW). Diese Überlegungen verweisen auf einen schon ziemlich alten und weitgehend vergessenen Traditionsbestand linkssozialistischer und (nicht orthodoxer) kommunistischer Programmdiskussion: das so genannte »Übergangsprogramm«: Auch das »Tagesgeschäft« kann nämlich durchaus »revolutionär« sein, wenn es den selbstzweckhaften Mechanismus der Kapitalbewegungen und die ihm entsprechenden Herrschaftsformen und -praktiken durch demokratische Intervention der Betroffenen infrage stellt, sei es mit der Parole der Globalisierungskritiker »Eine andere Welt ist möglich«, sei es aufgrund der Einsicht, die WFH an den Schluss der Gespräche gestellt hat: »Der Markt richtet nicht alles. Liefert man ihm die Welt aus, richtet der Markt alles zugrunde.« Zum Abschluss einige Bemerkungen, die teilweise über den Inhalt dieser Sozialismus-Gespräche hinausreichen. 1. Zweifel an den überkommenen Parteiformen – vor allem der sozialdemokratischen und kommunistischen – ziehen sich durch die gesamte Diskussion. Dabei ist Konsens, dass die sozialistische Linke von einem »gesamtgesellschaftlichen revolutionären Subjekt Arbeiterklasse« (WK) nicht mehr ausgehen könne. Es sei darauf hingewiesen, dass die italienische Partei der kommunistischen Neugründung (PRC) auf ihrem Parteitag kürzlich mit großer Mehrheit trotz mancherlei Widerspruchs Thesen verabschiedet hat, die von einem solchen Subjekt nicht mehr ausgehen und eine »Vorherrschaft« der Partei in den sozialen Bewegungen nicht mehr beanspruchen. 2. Trotz vielfältigen Nachdenkens über die traditionelle »Parteiform« wird das überkommene, am Modell der »westlichen« repräsentativen Demokratie orientierte Parteiensystem als solches nicht in Frage gestellt. Es ist übrigens in der Geschichte vieler sozialistischer Strömungen (mit Ausnahme der Anarchisten, Syndikalisten, Rätesozialisten und Selbstverwaltungssozialisten) eine eigenständige Kritik an den Grundlagen politischer Herrschaft als solcher nur selten geübt worden. Mir scheint aber, dass von der Entwicklung der Produktivkräfte im letzten Jahrhundert nicht nur Wirkungen ausgehen, die die ökonomischen Produktionsverhältnisse (Klassenverhältnisse) infrage stellen, sondern auch solche, die sich gegen die überkommenen politischen Herrschaftsformen richten. Wieso sollte angesichts dramatischer Veränderungen der Bildungs- und Berufsstruktur, angesichts tief greifender Ausdehnung des sozialen Horizonts für eine Vielzahl von Menschen und angesichts der geradezu revolutionären Entwicklung neuer Kommunikationsformen der elitäre Alleinvertretungsanspruch der »politischen Klasse« weiterhin widerspruchslos hingenommen werden? 3. Im Übrigen müsste im Rahmen einer erneuerten Imperialismuskritik auch nach den jeweiligen innergesellschaftlichen Strukturveränderungen gefragt werden – insbesondere in den USA. Könnte nicht die fortschreitende Exklusion der Unterschichten und unteren Mittelschichten aus dem überlieferten politischen Prozess der »Demokratie« etwas mit der zunehmenden Virulenz imperialistischer Aggressivität zu tun haben? 4. Gerade der hohe und wertvolle Ertrag dieser Gespräche sollte zum Nachdenken über mögliche Fortentwicklungen der Gesprächsformen anregen. Ich könnte mir z.B. einen Kreis denken, in dem Intellektuelle mit einer gleichen Zahl von Betriebsräten und Gewerkschaftsfunktionären diskutieren. Noch dringlicher erscheinen mir neue Formen für eine Erörterung der Geschlechterfrage. Der Stoßseufzer von Frigga Haug: »Es gelingt mir nicht wirklich, euch für Geschlechterverhältnisse zu interessieren, außer als Formel; aber nicht als inhaltliche Politik«, hat mich persönlich sehr getroffen, denn ich muss ihr auch für mich selbst Recht geben. Wie wäre es also mit einem Kreis von Frauen, zu denen nur eine Minderheit von männlichen Diskussionspartnern hinzugezogen wird, um den »männlichen Blick« auf die Probleme des Sozialismus zu repräsentieren?

Leseprobe 3



Inhalt:

Vorwort von Wolfgang Fritz Haug
Vorstellung der Gesprächsteilnehmer
Erste Unterhaltung
Vorverständigung
Erster Teil: Fragen der Methodik
Zweiter Teil: Der »Moderne«-Komplex
Zweite Unterhaltung
Vorverständigung
Erster Teil: Konfliktlinien
Zweiter Teil: Subjekte
Dritte Unterhaltung
Erster Teil: Nach dem 11. September
Zweiter Teil: Weltpolitische Perspektiven
Nachwort von Peter von Oertzen

Autorenreferenz

Erhard Crome (EC), Jg. 1951, Dr.rer.pol.habil.; 1971–76 politikwissenschaftliches Studium / Außenpolitik am Institut für Internationale Beziehungen der DDR in Potsdam-Babelsberg, 1980 Promotion, 1987 Habilitation; 1990–2000 Universität Potsdam, Fachbereich Politikwissenschaft; – Redaktionsmitglied der Zeitschrift Berliner Debatte Initial. Zeitschrift für sozialwissenschaftlichen Diskurs und Mitglied des Beirates von WeltTrends. Zeitschrift für internationale Politik und vergleichende Studien; – Forschungsgebiete: internationale Entwicklungen, Frieden und Sicherheit, Systemwechsel in Osteuropa, Geschichte der DDR; – Veröffentlichungen: In tempore belli (WeltTrends 23 und 33), Die Linke und ihr Verhältnis zu Nation und Nationalstaat (Rosa-Luxemburg-Stiftung 2001, Manuskripte 28), Mitarbeit beim Ostberliner Nachfolger der Weltbühne Das Blättchen sowie im Freitag Frank Deppe (FD), Jg. 1941, Dr.rer.pol.; Prof. für Politikwissenschaft an der Universität Marburg, seit 1972 »Nachfolger« von Abendroth. Politisches Engagement: SDS, Mitglied im Bundesvorstand; Zusammenarbeit mit dem Argument seit Mitte der 60er Jahre, mit dem Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) in Frankfurt/Main seit 1969; Mitglied von BdWi, GEW, ver.di; Leiter der Forschungsgruppe Europäische Gemeinschaften am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Marburg; Mitherausgeber der Zeitschrift »Sozialismus«; Beteiligung an der Initiative »Gewerkschaftslinke«; seit Anfang 2002 Mitglied des Vorstandes des Vereins »WISSENTransfer – WISSENschaftliche Vereinigung für Kapitalismusanalyse und Gesellschaftskritik«, Aufgabe dieses Vereins wird es u.a. sein, linke Positionen in den Gewerkschaften (aber auch allgemeiner: in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung, im Prozess der Rekonstruktion einer europäischen und globalen Linken) mit wissenschaftlich fundierten Argumenten und Analysen zu stärken. – Arbeitsgebiete: politische Theorie/Marxismus (Studien zu Blanqui und Macchiavelli); Geschichte und Politik der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften; Europäische Integration; wichtigste neuere Veröffentlichungen: Arbeitslosigkeit und Wohlfahrtsstaat in Westeuropa (1997); Politisches Denken im 20. Jahrhundert. Die Anfänge (1999), Band 2 in Vorbereitung; Ein neuer Kapitalismus? (Hg. mit Mario Candeias) u.a.; – Mitglied des InkriT-Kuratoriums Frigga Haug (FH), Jg. 1937, Dr.phil.habil.; bis 2001 Prof. für Soziologie an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Gastprofessuren in Kopenhagen, Innsbruck, Klagenfurt, Sydney, Toronto, Durham (USA). – Politisches Engagement: Antiatombewegung, SDS, Frauenbewegung; Erwachsenenbildung bei Gewerkschaften und Kirche. Wissenschaftlich: Leiterin des Projektes Automation und Qualifikation über 15 Jahre (Veröffentlichung von 9 Büchern zur Automationsforschung); wiss. Assistentin am Institut für Kritische Psychologie; Entwicklung von Erinnerungsarbeit als kritische Überschreitung von Selbsterfahrungsgruppen, eine Methode, die international bekannt wurde; in diesem Kontext 11 Buchveröffentlichungen – zuletzt Vorlesungen zur Einführung in die Erinnerungsarbeit, The Duke-Lectures, 1999. – Mitbegründerin der Berliner Volksuni; Redakteurin, Mitherausgeberin des Argument und Geschäftsführerin des Argument Verlags. Mitglied bei einer Reihe Initiativen und Zeitschriften: u.a. Sozialistischer Frauenbund Westberlin; Europäisches Forum linker Feministinnen; Bund demokratischer Wissenschaftler; Leibniz-Sozietät. ZS: u.a. Kritische Medizin in den 1970er Jahren; ab 1977 Forum Kritische Psychologie. – Arbeitsgebiete: Arbeit und Automation, Frauen-Vergesellschaftung und -politik; sozialwissenschaftliche Methoden; Lernen; – HKWM-Redakteurin und Vorsitzende des InkriT Wolfgang Fritz Haug (WFH), Jg. 1936, Dr.phil.habil.; Praktika in Feinmechanik (Kodak), bei einer Pariser Textilfirma und der Oper in Hagen; Studium in Tübingen, Montpellier (Französisch und Malerei), Perugia und vor allem an der Freien Universität Berlin; Gastprofessuren u.a. in Marburg, Zürich, Roskilde und Mitarbeit an der Fernuniversität Hagen und der Universität der Vereinten Nationen (Tokio); Dozenturen an den Kunsthochschulen Berlin u. Hamburg; 1979–2001 Prof. für Philosophie an der FU Berlin; – politische Engagements in der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Antiatombewegung, dem Ostermarsch und dem SDS, 1959–64 Mitglied der SPD; Gründungsvorstandsmitglied des BdWi; Initiator der Berliner Volksuniversität (1980); 1959 Gründung der Zeitschrift Das Argument; – Veröffentlichungen: Kritik der Warenästhetik (1971), Vorlesungen zur Einführung ins »Kapital« (1974), Pluraler Marxismus (1985/87), Die Faschisierung des bürgerlichen Subjekts (1986), Elemente einer Theorie des Ideologischen (1993), Philosophieren mit Brecht und Gramsci (1996); Politisch richtig oder richtig politisch – Linke Politik im transnationalen High-Tech-Kapitalismus (1999); Dreizehn Versuche marxistisches Denken zu erneuern (2001); – Mitherausgeber und -übersetzer der deutschen Ausgabe von Antonio Gramscis Gefängnisheften; Herausgeber des auf 15 Bände geplanten Historisch-Kritischen Wörterbuchs des Marxismus (1994ff); Gründungsvorsitzender des InkriT Jutta Held (JH), Jg. 1934, Dr.phil.; 1974–1999 Prof. für Kunstgeschichte an der Universität Osnabrück, 1982/83 Art Council Chair am Department of Art History, University of California, Los Angeles; – Mitinitiatorin des Ulmer Vereins für Kunst- und Kulturwissenschaft; engagierte sich in der Frauenbewegung und der Friedensbewegung; – Forschungsgebiete: französische und spanische Kunst des 18. Jahrhunderts, Realismustheorie und antifaschistische Kunst des 20. Jahrhunderts; – Veröffentlichungen: Kultur zwischen Bürgertum und Volk (Hg., 1983), Der spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste (Hg., 1989), Monument und Volk. Vorrevolutionäre Wahrnehmung in Bildern des ausgehenden Régimes (1990), Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (zus. m. Norbert Schneider, 1993); seit 1978 Mitarbeit an der Zeitschrift Das Argument; – Mitglied des InkriT-Kuratoriums Wolfgang Küttler (WK), Jg. 1936, Prof. Dr.; bis 2001 wiss. Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin, davor 1974–91 Bereichsleiter am Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin; – 1989 korresp. Mitglied der AdW der DDR und Mitglied der Academia Europaea, seit 1993 Mitglied der Leibniz-Sozietät; – Forschungsgebiete: Geschichtsmethodologie, Geschichtsphilosophie, Wissenschafts- und Historiographiegeschichte, Max-Weber-Forschung; – Veröffentlichungen: Formationstheorie und Geschichte (zus. mit Ernst Engelberg, 1978), Das geschichtswissenschaftliche Erbe von Karl Marx (1983, Hg. und Mitautor), Gesellschaftstheorie und geschichtswissenschaftliche Erklärung (1985, Hg. und Mitautor), Max Weber und die Geschichtswissenschaft (1989), Geschichtsdiskurs, 5 Bände 1993–1999 (Hrsg. u. Mitautor, zus. mit Jörn Rüsen und Ernst Schulin); – HKWM-Redakteur und -Autor, stellvertr. Vorsitzender und Kurator des InkriT Susanne Lettow (SL), Jg. 1965, Dr.phil.; Lehrbeauftragte am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin, z.Zt. Post-doc-Stipendiatin an der Univ. Frankfurt/Main im Graduiertenkolleg »Öffentlichkeiten und Geschlechterverhältnisse«; Forschungsgebiete: Philosophiekritik, feministische Theorie, Sozialphilosophie; – Veröffentlichungen: Die Macht der Sorge. Die philosophische Artikulation von Geschlechterverhältnissen in Heideggers »Sein und Zeit« (2001); Eingreifendes Denken. Wolfgang Fritz Haug zum 65. Geburtstag (Hg. zus. m. Ch. Kniest und T. Orozco, 2001); – Mitglied des BdWi; HKWM-Autorin und InkriT-Fellow Peter v. Oertzen, Jg. 1924, Dr.phil.habil.; bis 1982 Prof. für Politikwissenschaft an der Universität Hannover; – politische Engagements: seit 1955 mit Unterbrechungen bis 1982 Mitglied des niedersächsischen Landtags, 1970–74 niedersächsischer Kultusminister, 1973–93 Vorstandsmitglied der SPD; – Forschungsgebiete: Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, politische Soziologie; – Veröffentlichungen: Betriebsräte in der Novemberrevolution (1963), Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel (zusammen mit Michael Vester u.a., 1993); – HKWM-Autor und Kurator des InkriT Lothar Peter (LP), Jg. 1942, Dr.phil.habil.; Prof. für Soziologie an der Universität Bremen; – Forschungsgebiete: Soziologische Theorie und Geschichte der Soziologie, Arbeits- und Industriesoziologie, Sozialwissenschaften in Frankreich; – Veröffentlichungen: Zwischen Reformpolitik und Krise – Gewerkschaften in Frankreich 1980–85 (1985), Dogma oder Wissenschaft? Marxistisch-leninistische Soziologie und staatssozialistisches System in der DDR (1991), Élan vital, Mehr-Leben, Mehr-als-Leben. Lebensphilosophische Aspekte bei Henri Bergson und Georg Simmel (1996); – Mitglied des BdWi und der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Jan Rehmann (JR), Jg. 1953, Dr. phil.; unterrichtet Gesellschaftstheorien und Sprache am Union Theological Seminary in New York; – politisches Engagement: langjähriger Organisator der Berliner Volksuni, Berater der Socialist Scolar Conference in New York; – Forschungsgebiete: Ideologie-Theorie, Religionsphilosophie, christlich-marxistischer Dialog, Nietzsche und die Postmoderne; – Veröffentlichungen: Theorien über Ideologie (Mitverf., 1979), Die Kirchen im NS-Staat (1986), Max Weber: Modernisierung als passive Revolution (1998); – Argument- und HKWM-Redakteur; Gründungsmitglied des InkriT Thomas Sablowski (TS), Jg. 1964, Dr.phil.; zur Zeit wiss. Mitarbeiter im Forschungsprojekt »Zukünfte der Governance im Übergang zur New Economy« am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB); – Forschungsgebiete: neuere Ansätze der Kapitalismusanalyse, gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung der Finanzmärkte, Veränderungen der »Corporate Governance«, industrieller Strukturwandel; – Veröffentlichungen: Hegemonie und Staat. Kapitalistische Regulation als Projekt und Prozess (hg. zus. mit Alex Demirovic und Hans-Peter Krebs, 1992); Jenseits der Nationalökonomie? Weltwirtschaft und Nationalstaat zwischen Globalisierung und Regionalisierung (hg. zus. mit Steffen Becker und Wilhelm Schumm, 1997); Italien nach dem Fordismus. Regulation und organische Krise einer kapitalistischen Gesellschaftsformation (1998); Shareholder Value gegen Belegschaftsinteressen. Der Weg der Hoechst AG zum Life-Sciences-Konzern (zus. mit Wolfgang Menz und Steffen Becker, 1999); – HKWM-Autor und InkriT-Fellow Christoph Spehr (CS), Jg. 1963, Dr.rer.silv.; Kleinstverleger (YetiPress); – organisiert in Bremen 2002 zum zweiten Mal den Kongress »Out of this world! Science-Fiction, Politik, Utopie«; Arbeitsgebiete: Internationalismus, politische Theorie, Science- Fiction/Popkultur; arbeitet für die Zeitschrift alaska, die zur BUKO (Bundeskoordination Internationalismus) gehört, dem Dachverband von Internationalismus- und Solidaritätsgruppen in der BRD; – Veröffentlichungen: Die Aliens sind unter uns! Herrschaft und Befreiung im demokratischen Zeitalter (1999), Rosa-Luxemburg-Preisträger 2001 für seine Schrift Gleicher als Andere – Eine Grundlegung der freien Kooperation (erscheint 2002 bei Dietz); – HKWM-Autor und InkriT-Fellow Jochen Steinhilber (JS), Jg. 1970, Dipl.pol.; Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung, Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin; Forschungsschwerpunkte: europäische Integration, Wirtschafts- und Sozialpolitik in Frankreich, deutsch-französische Beziehungen; Veröffentlichungen: Die »Grande Nation« und das »Haus Europa«. Frankreichs widersprüchlicher Entwicklungsweg (2000), Die Konfiguration Europas. Dimensionen einer kritischen Integrationstheorie (Hg. zus. mit H.J. Bieling 2000); Mitglied der IG Metall Christoph Türcke (CT), Jg. 1948, Dr.phil.; fühlt sich »der filigranen Fraktion der Kritischen Theorie« zugehörig; seit 1993 Prof. für Philosophie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig; 1991–93 Gastprof. in Porto Alegre (Brasilien); – Veröffentlichungen: Der tolle Mensch. Nietzsche und der Wahnsinn der Vernunft (1989); Sexus und Geist. Philosophie im Geschlechterkampf (1991); Religionswende. Die erweiterte ZEIT-Serie (1995); Rückblick aufs Kommende. Altlasten der neuen Weltordnung (1998); Erregte Gesellschaft. Philosophie der Sensation (Herbst 2002); – schreibt für DIE ZEIT, Merkur, Neue Rundschau, Frankfurter Rundschau, WDR; – HKWM-Autor Frieder Otto Wolf (FOW), Jg. 1943, Dr.phil.habil.; Philosoph und Politiker; parteipolitische Engagements: 1964–1971 in der SPD; seit 1982 bei den Grünen: 1983–99 Europapolitiker, 1994–99 MdEP; Mitinitiator des Linken Forums und des Babelsberger Kreises; Forschungen zu politischer Philosophie, Kritik der Gesellschaftswissenschaften und der politischen Ökologie, Auseinandersetzung mit der Krise des Marxismus; – Übersetzungen vor allem aus der französischen philosophisch-politischen Debatte; – Veröffentlichungen: Umwege (mit Antunes u.a., 1983), Eine grüne Alternative für Europa (mit Martens u. Peter, Hg., 1990) Zwischen Selbstbestimmung und Selbstausbeutung. Gesellschaftlicher Umbruch und neue Arbeit (2001); Radikale Philosophie (Münster 2002); – HKWM-Autor, Vorstandsmitglied und Kurator des InkriT

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