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Frank Klobes

Produktionsstrategien und Organisationsmodi

Internationale Arbeitsteilung am Beispiel von zwei Standorten der Volkswagen AG

224 Seiten | 2005 | EUR 15.50 | sFr 27.80
ISBN 3-89965-123-5 1

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Kurztext: Anhand einer vergleichenden Studie der Volkswagen-Fertigungsstandorte Bratislava/Slowakei und Wolfsburg/Deutschland untersucht Frank Klobes Ausmaß und Qualität der neuen Produktionsstrategien.


Er beleuchtet die ihnen zugrundeliegenden Faktoren sowie die politisch-ökonomischen Inhalte und Motivationen der entsprechenden Integrationsmodi. In diesem Buch wird eine Entwicklung analysiert, die auch 2004 wieder Wellen geschlagen hat: Fusionen, Akquisitionen, globale Kooperationen sowie die Restrukturierung ganzer Branchenstrukturen.

Doch es würde ein falsches Bild entstehen, wollte man die Internationalisierungsbestrebungen der Unternehmen auf die 1990er Jahre beschränken. Die globale Expansion des Kapitals ist dem Kapitalismus immanent. Die Frage nach den Triebkräften und den Beschleunigungsfaktoren der Globalisierung ist demnach von zentraler Bedeutung. In diesem Kontext können die Globalisierungsbestrebungen als eine Krisenanpassungs- oder Krisenbewältigungsstrategie betrachtet werden, die Unternehmen zu neuen Rationalisierungsstrategien und zur Suche nach den besten Kapitalverwertungsbedingungen drängt. Entsprechend haben sie ihre Unternehmens- und Produktionsstrategien verändert.

Besondere Bedeutung erlangen diese Entwicklungen für die Automobilindustrie, deren Strukturen, insbesondere im Zuliefererbereich, drastische Veränderungen erfahren. Hierbei sind vor allem die Zusammenhänge von Produktionsstrategien und territorialen Konfigurationen, in denen die Fertigungsstandorte eingebettet sind, sowie die zwischenbetrieblichen Beziehungen und Lohnstrategien von Interesse.

Der Autor:

Frank Klobes, geb. 1965, war Doktorand beim Betriebsrat der Volkswagen AG, Werk Kassel; Promotion an der Universität Kassel.

Leseprobe 1

Vorbemerkung

Diese Arbeit ist das Ergebnis einer dreijährigen Doktorandentätigkeit beim Betriebsrat der Volkswagen AG im Werk Kassel. Sie untersucht an den Beispielen der Volkswagenstandorte Wolfsburg und Bratislava Produktionsstrategien und Organisationsweisen vor dem Hintergrund zunehmender globaler Arbeitsteilung. Der Erkenntnisgewinn der Arbeit geht aber über die standortspezifische Betrachtung hinaus. Dies gilt insbesondere für die handlungsstrategische Rolle der gewerkschaftlichen und betriebsrätlichen Arbeitnehmervertretungen, deren gelebte Mitbestimmung die Grenzen der gesetzlich gewährten Mitbestimmung überschreitet, was auf die langjährige Mitbestimmungskultur innerhalb des Volkswagenkonzerns zurückzuführen ist. Dass diese Mitbestimmungskultur sowie die deutsche Mitbestimmung an sich von bedeutenden Kräften in Politik und Wirtschaft in Frage gestellt wird, können wir tagtäglich in den Medien verfolgen. Wie flexibel und innovativ die IG Metall und der Volkswagen-Betriebsrat auf die Herausforderungen der Globalisierung agieren, wird nicht zuletzt in dieser Arbeit verdeutlicht. Das heißt nicht, dass alle Strategien und Handlungen unkritisch als positiv und zukunftsweisend gewertet werden. Vielmehr wird deutlich, wie rutschig, schmal und diskussionswürdig der Pfad ist, auf dem Gewerkschaft und Betriebsrat im Interesse der Beschäftigungssicherung und vor dem Hintergrund barbarischer Konkurrenz wandeln. Insofern ist dieses Buch vor allem auch für die gewerkschaftliche Debatte, Vertrauensleute und Betriebsräte interessant. Es sollte sich jedoch keiner von dem ausführlichen theoretischen Rahmen abschrecken lassen. Soweit es möglich war, habe ich versucht, die "graue" Theorie anschaulich und allgemeinverständlich darzustellen. Doch auch ohne das Theorie- und Methodenkapitel ist das Buch gewinnbringend zu lesen, insbesondere das umfangreiche Kapitel 7, das sich detailliert mit den Volkswagenstandorten Bratislava und Wolfsburg beschäftigt. Die vorliegende Schrift wurde im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel als Dissertation eingereicht. An dieser Stelle möchte ich dem Betriebsrat des Volkswagenwerkes Kassel großen Dank aussprechen, der es mir durch eine Doktorandenstelle ermöglicht hat, diese Arbeit anzufertigen und meinen Doktortitel zu erlangen. Insbesondere möchte ich dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden Gerhard Kakalick danken, der dieses Unterfangen jederzeit gefördert hat und mir die notwendige Unterstützung zukommen ließ. Besonders herzlich möchte ich Annette Lötzerich danken, die mir nicht nur in ihrer Funktion als Betriebsratssekretärin jegliche Unterstützung zukommen ließ, sondern darüber hinaus auch immer ein freundschaftliches, aufmunterndes Wort parat hatte. Dank geht auch an alle Interviewpartner im Volkswagen-Management, im Betriebsrat und in der Industriegewerkschaft Metall, die ihre oftmals spärlich verfügbare Zeit für mein Anliegen großzügig zur Verfügung gestellt haben. An der Universität Kassel gebührt mein Dank Christoph Scherrer, der meine Arbeit in einer freundschaftlichen und engagierten Weise betreut hat. Des Weiteren möchte ich Mathias Weis herzlich danken – nicht nur für seine aufwendige stilistische und grammatikalische Beratung, sondern auch für seine freundschaftliche moralische Unterstützung. Dank geht auch an Verena Weiss für ihre technische Hilfe. Für die finanzielle Unterstützung zur Veröffentlichung der Dissertation möchte ich den Betriebsräten der Werke Kassel und Wolfsburg danken, der IG Metall Verwaltungsstelle Nordhessen sowie meinen Eltern, denen ich darüber hinaus zu großem Dank verpflichtet bin und diese Arbeit widmen möchte. Kassel, 9.3.2005

Leseprobe 2

1. Einleitung

Die 1990er Jahre waren das Jahrzehnt der Restrukturierung und des Wandels industrieller Strukturen sowie der sprunghaften Anwendung digitaler Technologien. Dieser Wandel fand auf verschiedenen Ebenen statt und führte zur nachhaltigen Veränderung von Unternehmensarchitekturen, Produktions- und Arbeitsorganisation. Fusionen, Akquisitionen, globale Kooperation sowie die Restrukturierung und Rekonfiguration ganzer Branchenstrukturen veranschaulichen diesen Wandel. Die Internationalisierungsbestrebungen vieler Unternehmen, mehr und mehr auch mittelständischer, hat zu neuen, verzweigten und zergliederten Unternehmungen geführt. Unter dem Begriff der Netzwerkbildung und Dezentralisierung der Unternehmenstätigkeiten lassen sich viele dieser Entwicklungen auf unternehmensstruktureller Ebene fassen. Im Fokus stehen hierbei vor allem die Automobil-, Elektro- und Kommunikationsindustrie. Die verschärfte Konkurrenzsituation hat die Anforderungen an alle Unternehmensakteure erhöht. Ständige Kostensenkung durch Skaleneffekte ("Economies of Scale"), Bedienung neuer "Home Markets" durch Dezentralisierung und Verlagerung der Produktion sowie anderer Unternehmensfunktionen, die Erweiterung und Flexibilisierung der Produktpalette ("Economies of Scope") und beschleunigte Innovations- und Produktzyklen fordern die Mobilisierung aller Capital and Human Resources (Hirsch-Kreinsen 1998: 20). Doch es würde ein falsches Bild entstehen und zu Irrungen bei Analyse und Schlussfolgerungen führen, wollte man die Internationalisierungsbestrebungen der Unternehmen auf die 1990er Jahre beschränken. Die globale Expansion des Kapitals ist dem Kapitalismus immanent, gleichwohl sind der Globalisierung bei der Verwirklichung der stofflichen, sozialen Dimension Grenzen gesetzt, denn das Prinzip der Konkurrenz ist nicht materiell fassbar und die Konkurrenzfähigkeit kann nur "vor Ort", in den Unternehmen und deren Einheiten, hergestellt werden (Altvater/Mahnkopf 1996: 27). Die Frage nach den Triebkräften und den Beschleunigungsfaktoren der Globalisierung ist demnach von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang werden häufig die ökonomischen Krisentendenzen seit Ende der 1960er Jahre, verschärfter Konkurrenzdruck, stagnierende Märkte in den Industrieländern und die weltweit anwachsenden Überkapazitäten angeführt (Hirsch-Kreinsen 1999: 117). Vor allem Vertreter der Regulationstheorie, die später noch ausführlich dargestellt wird, sprechen in diesem Zusammenhang von einer Krise der Akkumulation – von einer Krise des Fordismus (Hübner 1990: 227-229, 246-260). Begünstigend wirkte sich der politisch initiierte, beschleunigte Abbau von internationalen Handelsbarrieren aus, was unter den Begriff der "Liberalisierung des Welthandels" subsumiert werden kann. In diesem Kontext können die Globalisierungsbestrebungen als eine Krisenanpassungs- oder -bewältigungsstrategie verstanden werden, die Unternehmen zu neuen Rationalisierungsstrategien drängt und zur Erschließung neuer Absatzmärkte veranlasst. Die Welt wird jedoch nicht nur als Absatzmarkt betrachtet, sondern auch als Angebotsmarkt für Produktionsstandorte und Arbeitskräfte. Die Unternehmen sind unter dem Druck verschärfter globaler Konkurrenz auf der Suche nach den besten Kapitalverwertungsbedingungen. Entsprechend haben sie ihre Unternehmens- und Produktionsstrategien verändert. Die Internationalisierung der Unternehmensaktivitäten durch Zukäufe, Kooperationen, Allianzbildung oder Neuaufbau von Unternehmensteilen sowie die Reduzierung der vertikalen Integration durch das Outsourcing strategisch unbedeutender Aktivitäten führt zu globalen Netzwerkunternehmungen und zielt auf einen hohen Grad strategischer Flexibilität (Renneke 1999: 20). Auch in der Produktionsorganisation gibt es große Umbrüche und neue Trends. Einige dieser Trends sind bereits seit geraumer Zeit sichtbar und werden weiter entwickelt, wie z.B. das Outsourcing. Andere beginnen sich gerade erst abzuzeichnen, hier sei das "Contract Manufacturing" (Auftragsfertigung) und "Turnkey Manufacturing" (schlüsselfertige Komplettproduktion eines Auftragfertigers) (Sturgeon 1997, 2000) als neue Form des Outsourcings erwähnt. Besondere Bedeutung erlangen diese Entwicklungen für die wohl wichtigste Industrie in Deutschland, die Automobilindustrie, deren Strukturen, insbesondere im Zuliefererbereich, drastische Veränderungen erfahren und auch künftig erfahren werden. Nicht nur das Verhältnis von Endherstellern, den so genannten Original Equipment Manufacturers (OEMs) zu ihren Zulieferern wird sich verändern, sondern auch die Struktur der Zulieferindustrie selbst. Dieser Wandel ist, bei verschärfter Konkurrenzsituation, sicherlich mit der fortschreitenden Internationalisierung von Produktion und Märkten begründet und wird dabei nicht zuletzt durch die Erschließung neuer Territorien für Produktion und Absatz nach der Transformation der so genannten sozialistischen Länder und der Öffnung Chinas beeinflusst. Inzwischen haben alle großen Automobilkonzerne der Welt in diesen Ländern neue Produktionsstätten errichtet beziehungsweise dort ansässige übernommen und auf den modernsten Stand der Technik gebracht. Im Laufe der 1990er Jahre wurden unter anderem durch diesen Produktionsaufbau große Überkapazitäten geschaffen, die auf bis zu 30% der gesamten Produktionskapazität geschätzt werden. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung betrug 1999 lediglich 69% im Vergleich zu 80% 1990 (PriceWaterhouseCoopers 2000: 3). Die Ausdehnung der Produktion der verschiedenen Automobilhersteller muss als Markt- und Produktionsstrategie verstanden werden und weniger als falsch prognostiziertes Marktwachstum. Denn einhergehend mit der Ausdehnung der Produktion haben die Automobilkonzerne auch ihre Produktions- und Marktstrategien verändert. Die Ausdehnung der Produktionskapazitäten, auch räumlicher Art, einerseits und die neuen Markt- und Produktionsstrategien andererseits, haben zu einer weiteren Vertiefung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung geführt. Standorte in neuen Ländern sind in die Netze der internationalen Arbeitsteilung der verschiedenen Konzerne einbezogen worden. Wachsende technische Komplexität und beschleunigte Innovationszyklen sowie die konkurrenz- und kapazitätsbedingte Verschlechterung der Wertschöpfungsbedingungen haben die Endhersteller gezwungen, verstärkt auf Zulieferprodukte zurückzugreifen und sich selbst auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Die fortwährende Zergliederung der Wertschöpfungskette und die Reorganisation im globalen Maßstab bringen eine neue Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung hervor, die zu ihrer Reproduktion einer neuen Form der Integration bedarf. Demnach ist die internationale Arbeitsteilung eine wichtige Komponente des Globalisierungsprozesses, obwohl er sich nicht widerspruchsfrei vollzieht. Der globalen Ausdehnung der sozioökonomischen Beziehungen, die lokale, räumliche und zeitlich gebundene Handlungssituationen erodieren lässt, folgt nicht zwangsläufig ihre Auflösung, sondern ihr neuer, veränderter Zuschnitt im Rahmen globaler Zusammenhänge. Dies bedeutet, dass die Globalisierung auch eine gegenläufige Tendenz zu neuen territorialen Bindungen befördert (Hirsch-Kreinsen 1999: 117). Verschiedene Autoren bringen diesen widersprüchlichen Prozess mit dem Begriff der Glokalisierung entsprechend zum Ausdruck. (Altvater/Mahnkopf 1996: 28, Hirsch-Kreinsen 1999: 117) Anthony Giddens bezeichnet diese Erscheinung als Disembedding and Reembedding, als das Herausheben gesellschaftlicher Beziehungen aus territorial gebundenen Zusammenhängen bzw. die Rückaneignung vormals entbetteter gesellschaftlicher Beziehungen in neue lokale, räumliche und zeitliche Gegebenheiten (Giddens 1990: 21, 79-80). Dieses Reembedding bedeutet unter anderem auch eine Integration neuer industrieller Strukturen in neuen territorialen Einheiten und wird von politischen, ökonomischen und sozialen Faktoren bestimmt. Es wird sozusagen ein neuer Integrationsmodus geschaffen (Sayer/Walker 1992: 119). Im Zentrum der Arbeit steht die Identifizierung der Veränderungsprozesse bezogen auf die Produktionsstrategien und deren Auswirkungen auf die Integrationsmodi unterschiedlicher Ebenen. Hierbei sind vor allem die Zusammenhänge von Produktionsstrategien und territorialen Konfigurationen, in denen die Fertigungsstandorte eingebettet sind, die zwischenbetrieblichen Beziehungen und Lohnstrategien von Interesse. Es werden die Fragen nach Ausmaß und Qualität neuer Produktionsstrategien und nach den treibenden Faktoren dieser Strategien gestellt sowie nach den politisch-ökonomischen Inhalten und Motivationen der einhergehenden Integrationsmodi. Die Untersuchung wird mittels einer vergleichenden Studie der Volkswagen-Fertigungsstandorte Bratislava/Slowakei und Wolfsburg/Deutschland durchgeführt.

Leseprobe 3

8. Gesamtresümee und Schlussfolgerungen

Die Theorie der gesellschaftlichen Arbeitsteilung von Andrew Sayer, Richard Walker und Michael Storper hat sich nicht nur als sehr erklärungskräftig, sondern auch als außerordentlich praktikabel erwiesen. Der Ansatz von Sayer und Walker (1992), nach dem das Problem der industriellen Entwicklung in der Produktionssphäre zu suchen ist und nicht in der Zirkulationssphäre (Austausch), wovon zum Beispiel die Transaktionskostentheorie von Williamson ausgeht, bestätigt sich in verschiedener Hinsicht. Die weitaus überwiegenden Anstrengungen der Akteure zielen auf die Effektivierung des Produktions- und Produktentwicklungsprozesses vor dem Hintergrund sich verändernder technologischer Anforderungen und intensivierter Konkurrenz. Dabei sind die Teilung und Reintegration der Arbeit und die dahinter stehenden Strategien die wesentlichen Charakteristika, die sich in einem Organisationsmodus beziehungsweise seinem Wandlungsprozess ausdrücken. Die ergänzende Hinzunahme des regulationstheoretischen Ansatzes hat sich vor allem zur Einordnung des Forschungsfeldes Automobilindustrie in die grundlegende ökonomische Entwicklung als fruchtbar erwiesen. Insbesondere die institutionelle Form des Lohnverhältnisses war für die Erkenntnisse der Lohnsystemstrategien von großem Wert. Denn was bei der Volkswagen AG in Bezug auf die Lohnsystemsegmentierung zu Tage gefördert wurde, signalisiert die langsame aber stetige Aushöhlung des fordistischen Lohnkompromisses, also das was seit geraumer Zeit besonders in wenig institutionell regulierten Branchen zu sehen ist. Obwohl Volkswagen auf Grund der Stärke von Gewerkschaft und Betriebsrat und der gelebten Mitbestimmungspraxis wohl zu den am stärksten regulierten Großkonzernen zählt, findet auch hier eine allmähliche Entkoppelung der Lohnsteigerungen von Produktivitätswachstum und Inflation statt, ganz zu schweigen von einer Umverteilungskomponente, die die IG Metall jahrzehntelang mit in ihre Forderungen aufnahm. Auch die relative Rigidität der Volkswagenlöhne nach unten wird durchlöchert, indem durch "internes Outsourcing" neue Gesellschaften mit niedrigeren Lohnstrukturen gegründet werden und Zeitarbeit zum, zumindest partiellen, betriebswirtschaftlichen Gestaltungsfaktor wird. Diese Prozesse, und das ist das Besondere, finden unter Mitgestaltung und "Kontrolle" der Gewerkschaft und des Betriebsrats statt. Hierin offenbart sich der enorme Druck auf Gewerkschaft und Betriebsrat, der durch den Aufbau einer konzerninternen Konkurrenzproduktion (Parallelproduktion) in Osteuropa seit Anfang der 1990er Jahre entstanden ist. Dadurch hat sich das Konkurrenzverhältnis innerhalb des Konzerns grundlegend verändert und in Folge dessen verschob sich auch das Kräfteverhältnis zwischen Volkswagen-Management und den Arbeitnehmervertretungen (Betriebsrat und Gewerkschaften) zuungunsten der Letzteren. Die Volkswagenstandorte Bratislava und Wolfsburg sind anschauliche Beispiele dafür, wie die Kräfte der Globalisierung ihre spezifische Wirkung im Kontext der internationalen Arbeitsteilung entfalten und unterschiedliche Formen der industriellen Entwicklung und des Organisationswandels hervorbringen. Eine zentrale Idee der Theorie der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, nach der die treibenden Momente der kapitalistischen Entwicklung Konkurrenz und die systematische Ausnutzung ungleicher Produktions- und Ausbeutungsbedingungen sind, wird hier in zweifacher Hinsicht bestätigt. Die expansive Entwicklung der Automobilproduktion am Standort Bratislava seit Mitte der 1990er Jahre fand auf der Basis der erweiterten internationalen Arbeitsteilung des Volkswagenkonzerns statt, motiviert und getrieben durch eben diese systematische Ausnutzung ungleicher Produktions- und Ausbeutungsbedingungen. Doch gleichzeitig hatte diese Entwicklung im Ausland einen konkurrenzvermittelten Rückkopplungseffekt auf die heimischen Volkswagenstandorte, insbesondere Wolfsburg, und löste dort einen Restrukturierungsprozess aus, dessen Kern die Verbesserung der Verwertungsbedingungen des Kapitals am Standort Wolfsburg ist. Dies wurde unter anderem durch eine Vertiefung der regionalen und zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung sowie durch die Segmentierung der Lohnsysteme erreicht. Die Akteure des Wandlungsprozesses haben dem Ergebnis zufolge die Produktions- und Ausbeutungsbedingungen am Standort Wolfsburg differenziert und somit eine gewisse Entwicklungsdynamik ausgelöst. Dabei haben sie ein Bündel von Integrationsstrategien und -leistungen entwickelt und angewandt und gleichzeitig die Kohäsion und Steuerung des Organisationsmoduswandels ermöglicht (vgl. Sayer/Walker 1992: 159-160). Die Veränderung der heimischen Organisationsmodi durch die lokalen Akteure als Folge der Rückkopplungseffekte internationaler Arbeitsteilung wird in der bisherigen Globalisierungsdiskussion nicht genügend beachtet und soll deshalb in diesem Gesamtresümee besonders hervorgehoben werden. Insbesondere die Rolle der Akteure auf Seiten der "Arbeit" bleibt unterbelichtet. Winfried Ruigrok und Rob van Tulder sehen zwar die Beeinflussung der heimischen Verhandlungsräume ("bargaining areas"), zum Beispiel bei den Löhnen als Motivation für die Osteuropastrategien der "Frontrunners" an, führen diesen Punkt aber nicht weiter aus und vernachlässigen ihn im Folgenden gänzlich (Ruigrok/Van Tulder 1998). Doch gerade an der Verlagerungschronologie der Poloproduktion, die beim Fallbeispiel Wolfsburg angesprochen wurde, sehen wir die unmittelbaren Rückkopplungseffekte zwischen den Standorten Wolfsburg, Bratislava und Pamplona. Trotz der unterschiedlichen standortspezifischen Ausgangsbedingungen haben die allgemeinen Rahmendingungen, wie globale Konkurrenz, internationalisierte Produktion und technologische Standards, zum Teil ähnliche Strategiemuster an den Standorten Wolfsburg und Bratislava herausgebildet. Die Grundzüge der Produktionsstrategien unterscheiden sich nur wenig und wurden daher nicht näher untersucht. Wesentlich für die heutige Produktionsorganisation sind die Modulstrategie und das Drehscheibenkonzept,[102] welche die Beherrschung von Produkt- und Produktionskomplexität einerseits und die Schaffung von Produktionsflexibilität andererseits ermöglichen sollen. Beide Standorte verfügen über gut und vielseitig ausgebildete Arbeitnehmer, die überwiegend in einem Gruppenarbeitssystem tätig sind. In Bezug auf die zentralen Themen dieser Arbeit, die Organisationsmodi "Territorium" und "Zwischenbetriebliche Beziehungen" sowie die Entlohnungssystemstrategien waren sowohl ähnliche Strategiemuster als auch grundlegende Unterschiede zu erkennen. Alle drei Untersuchungsbereiche unterliegen seit Ende der 1990er Jahre einem Wandel, der auf Grund veränderter Produktions- und Konkurrenzanforderungen notwendig wurde. Die Gestaltung von territorialen Konfigurationen, zwischenbetrieblichen Beziehungen und Lohnstrategien sind nicht nur Ergebnis einer Produktionsstrategie, sondern zugleich auch die Produktionsstrategie selbst bestimmende und beeinflussende Faktoren. Dies untermauert die Zusammenhänge von aktuellen Produktionsstrategien und dem Wandlungsprozess der Organisationsmodi. Arbeitsteilung und Differenzierung sind in allen Untersuchungsbereichen durchgängige und nachhaltige Erscheinungen. Ihre Gestaltung und Integration wird von den verschiedenen Akteuren mit unterschiedlichen Mitteln im Rahmen der jeweiligen politischen, ökonomischen und technischen Grenzsetzungen ausgeübt. Hier kommt ein Ansatz der jüngeren Regulationstheorie zum Tragen, der sich mit territorialer Regulation und Governance beschäftigt und der unter anderen von Gilly und Pecqueur (1995) vertreten wird. Er geht von einem Spannungsverhältnis zwischen globalen und lokalen Produktivsystemen aus, das die Triebkraft für die Entstehung industrieller und institutioneller Veränderungsdynamik hervorbringt und wo das Verhalten der Akteure ein wichtiges Moment für das erfolgreiche Funktionieren des Produktivsystems ist. In diesem Sinne befinden sich die Volkswagenstandorte Wolfsburg und Bratislava im Spannungsverhältnis zwischen globalen Bedingungen der Automobilproduktion und den zum Teil wenig kompatiblen Bedingungen regional eingebetteter und gebundener Ressourcen. Die Strategien zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses können besonders gut am Standort Wolfsburg beobachten werden. Dessen Krisenbewältigungs- beziehungsweise Anpassungsstrategien zielen wesentlich auf eine Rückbettung gelockerter territorialer Bindungen in ein sich veränderndes regionales Umfeld. Die treibenden Kräfte des Wandlungsprozesses sind zum einen technologischer Art in Form von beschleunigter Produktinnovation und dramatisch angestiegener Produkt- und Produktionskomplexität. Auch die neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung wären hier als Anschub zu nennen. Zum anderen sind es Kräfte ökonomischer Natur, die auf Grund von Globalisierung und gesättigter Märkte erst die Konkurrenzverhältnisse wandeln und schließlich zu verkürzten Produktzyklen und Kostendruck führen. Doch die treibenden Kräfte entfalten sich nur effektiv, wenn ihnen die Hauptakteure des bestehenden Governance-Kompromisses (Volkswagen-Management, inner- und außerbetriebliche Arbeitnehmervertretung) gemeinsam und zielstrebig zum Durchbruch verhelfen. Hier kommt nun der Einfluss des Betriebsrats und der Gewerkschaft (mit Abstrichen auch der Einfluss der Stadt Wolfsburg) zur Geltung, als dritte treibende Kraft, die von gesellschaftlicher Natur ist, hinzu. Um nun die Kapitalverwertungsbedingungen vor dem Hintergrund des Wandlungsprozesses zu verbessern, werden vor allem die territorialen Umfelder, in die die Werke eingebettet sind, die zwischenbetrieblichen Beziehungen und die jeweiligen Entlohnungssysteme mit Hilfe komplexer Strategiebündel von verschiedenen Akteuren mit Nachdruck verändert. Die Gestaltung der Strategien weist in den Bereichen territoriale Konfiguration und zwischenbetriebliche Produktions-beziehungen ähnliche Tendenzen an den jeweiligen Standorten auf, doch unterscheiden sie sich in Ausmaß und Intensität auf Grund der spezifischen Standortbedingungen. Unter diesen sind nicht zuletzt historisch gewachsene Strukturen zu verstehen, von denen sich die Akteure in ihrer Handlungsorientierung unter anderem leiten lassen. Dies untermauert die Sichtweise von bedeutenden Vertretern des GERPISA-Netzwerkes (Freyssenet u.a. 1998; Boyer/Freyssenet/Lung 1999; Frigant/Lung 2001; Boyer/Freyssenet 2003). Danach gibt es zwar konvergierende Elemente in den weltweiten Produktionsstrategien und -modellen und Produktionsstrategie und Organisationsweise können gemeinsame Trends, wie die Schaffung von räumlicher Nähe und relationaler Produktionsbeziehungen aufweisen, doch die konkrete Gestaltung der Globalisierungs- beziehungsweise Integrationsstrategien hängt weitgehend von standortspezifischen Voraussetzungen und unternehmenspfadimmanenten Entwicklungsstrategien ab. Gemeinsamer Gestaltungskern territorialer Integrationsmodi ist die Schaffung von räumlicher Nähe zu den wichtigsten Zulieferern beziehungsweise Kooperationspartnern. Das sind fast ausschließlich System- und Modullieferanten mit ihren Entwicklungsabteilungen. Eng damit zusammen hängt der allgemeine Trend zu relationalen Verbindungen in den zwischenbetrieblichen Produktionsbeziehungen an beiden Standorten. Dabei gilt jedoch, und hieraus resultieren die Unterschiede der angewandten Strategien, je komplexer und vielschichtiger die Aufgaben an den jeweiligen Produktionsstandorten, desto prägnanter sind die Merkmale der eingeschlagenen Strategien ausgebildet. Dieser Differenzierungsgrad kann an dem Ausmaß und der Intensität der eingeschlagenen Strategien und an der Qualität der Zusammenarbeit der involvierten Akteure deutlich abgelesen werden. Die Akteure versuchen in jedem Fall – am intensivsten und nachhaltigsten am Standort Wolfsburg – das "relationale Vermögen" der jeweiligen Region zu entwickeln, das bereits Storper (1997) als bedeutenden Standortfaktor betrachtete. Die wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit lassen sich demnach wie folgt zusammenfassen: 1. Die Hauptakteure Volkswagen-Management, Betriebsrat und Stadt Wolfsburg haben am Standort Wolfsburg gemeinsam und zielgerichtet einen Organisationsmoduswandel zu einem lokalen Produktivsystem eingeleitet und ausgestaltet. Dieses basiert auf einem territorialen Governancesystem. Die Kennzeichen des neuen Organisationsmodus sind die zunehmend relationalen Zulieferer-Endfertiger-Beziehungen, die Notwendigkeit der räumlichen und organisatorischen Nähe von Endfertiger und System-/Modullieferanten sowie die Differenzierung der (lokalen) Lohnsysteme. Mit dem neuen Organisationsmodus entstehen jedoch neue Widersprüche und Dilemmata für die Akteure. 2. Die betriebliche Arbeitnehmervertretung ist ein ganz wesentlicher Akteur des Wandels. Seine Initiative macht den Wandel erst möglich, indem er einen akzeptanzsichernden Kompromiss herbeiführt. Dabei wird die Mitbestimmung nicht nur über die üblichen gesetzlichen Regularien, sondern auch über die bereits erweiterte Mitbestimmungspraxis bei Volkswagen hinaus ausgedehnt. Doch gerade die Stärke des Betriebsrats als Integrationsmotor wird durch die von ihm miteingeleiteten und gestalteten Veränderungen unterminiert und führt ihn in eine Dilemmasituation. Die Entscheidungen der letzten Jahre bergen verdeckt beträchtliches soziales Konfliktpotenzial. 3. Die größten Unterschiede zwischen den Volkswagenstandorten Wolfsburg und Bratislava, die sich aus standortspezifischen Notwendigkeiten heraus erklären lassen, liegen in der Qualität und Intensität der Integrationsstrategien und in der Lohnsystemstrategie. Letztere spielt am Standort Bratislava grundsätzlich eine untergeordnete Rolle. Der qualitative Unterschied liegt vor allem in dem Umstand, dass am Standort Wolfsburg eine Integration unterschiedlicher Strategien in ein Gesamtkonzept vorliegt, das die Stadt, das Unternehmen und die Arbeitnehmervertretung nachdrücklich gestalten. Daraus ergibt sich auch die hohe Intensität und Effektivität. In Bratislava hingegen sehen wir eher einzelne Strategien, die wenig miteinander verzahnt sind. Neuer Organisationsmodus und neue Dilemmata Der Volkswagen-Standort Wolfsburg ist Produktions- und zugleich konzernweiter Forschungs- und Entwicklungsstandort. An ihm kumulieren alle oben beschriebenen Wandlungsprozesse und entsprechend müssen dort gleich mehrere adäquate Strategien entwickelt werden, die den globalen Herausforderungen Rechnung tragen sollen. Das übergeordnete Ziel ist bei all dem die Schaffung und die Erhaltung eines innovationsfähigen, multistrukturellen und sich selbst dynamisierenden industriellen Distrikts (Cluster). Es wird somit eine "territoriale Ökonomie" geschaffen, deren Schlüsselressourcen Arbeit und Technologie nach Storper (1997) nicht nur auf die Region zugeschnitten sind, sondern sich selbst in ihrer Entwicklung aus dem territorialen Potenzial speisen. Dazu konzentrieren sich die drei Hauptakteure, Volkswagen-Management, der Volkswagen-Gesamtbetriebsrat und die Stadt Wolfsburg, vornehmlich auf die Bereiche territoriale Integration, zwischenbetriebliche Produktionsbeziehungen und Entlohnungssysteme. Sie handeln, verändern und erneuern gemeinsam. Sie passen die lokalen Bedingungen an die Erfordernisse der globalen Konkurrenz und die technologischen Herausforderungen an. Den prägnantesten Ausdruck findet dieses Strategiebündel in der Entwicklung und der Funktionsweise des AutoVision-Konzeptes unter dem Dach der Wolfsburg AG und der AutoVision GmbH. Diese Unternehmen sind heute der Motor und die institutionelle Struktur für die Schaffung von Produktionsnetzwerken, lokaler Arbeitsmarktflexibilität, eines produktiven Innovationsmilieus und adäquater Kommunikationswege. Das zentrale und unabdingbare Integrationsprinzip ist die erwähnte "geografische Nähe". Hierin liegt aber auch ein spezifisches Dilemma für den Volkswagenkonzern: Einerseits will man die Lieferanten und Entwicklungszulieferer der globalen Konkurrenz aussetzen, um somit die Preissetzung zu kontrollieren und die Bedingungen der Zusammenarbeit bestimmen zu können, andererseits verlangen die veränderten globalen Konkurrenzbedingungen und die technologischen Anforderungen territoriale Nähe, Gebundenheit und relationale zwischenbetriebliche Beziehungen. Dies gilt insbesondere für die Entwicklungszusammenarbeit, die eine unternehmensübergreifende, spezifische Know-how-Durchlässigkeit erfordert. Diesen Widerspruch zwischen Kontrolle und Freizügigkeit, Dominanz und Partnerschaft aufzulösen, ist für ein Unternehmen keine geringe Aufgabe. Zwar bietet die durch die räumliche Nähe entstehende "Offenheit" der Struktur in den Endfertiger-Zulieferer-Beziehungen betrieblichen und überbetrieblichen Gestaltungsformen neue Integrationsmöglichkeiten, sie schafft aber zugleich stärkere Abhängigkeiten des Endfertigers. Im Ergebnis gibt der Volkswagenkonzern zugunsten der Herstellung von räumlicher Nähe und relationalen Produktionsbeziehungen zu seinen wichtigsten Zulieferern einen gewissen Teil von Unabhängigkeit, Macht- und Kontrollmitteln auf. Dies wirft die Frage nach der Veränderung des Machtverhältnisses innerhalb der Wertschöpfungskette und nach möglichen negativen Auswirkungen auf vorhandene Profitransfers auf. Doch Volkswagen verfügt nach wie vor dank seiner herausragenden ökonomischen Stellung und durch seine eingeschlagenen kontroll- und kompetenzsichernden Strategien (siehe 5.3.2.1) über eine herausragende Markt- und Organisationsmacht, die unter den veränderten Bedingungen lediglich differenzierter und hierarchisierter eingesetzt wird. Auch die institutionelle Grundstruktur am Standort Wolfsburg hat sich gewandelt, neue institutionelle Strukturen sind hinzugekommen, andere haben an Bedeutung verloren. Man kann von der Herausbildung eines lokalen Produktivsystems sprechen, einer intermediären Netzwerkstruktur, die durch den "Nähe-Effekt" gekennzeichnet ist. Er fördert kollektive Lernprozesse, beschleunigt die Diffusion von Wissen, begünstigt kooperative Beziehungen zwischen den Unternehmen und Akteuren und trägt somit erheblich zur Steigerung von Innovationsfähigkeit und Produktivitätsgewinnen bei. Dieses lokale Produktivsystem hat sein spezifisches territorial-basierendes Governancesystem herausgebildet, wodurch schließlich ein neuer Organisationsmodus entstanden ist. Arbeitnehmervertretung in einer systemischen Dilemmasituation Der neue Organisationsmodus wurde ganz wesentlich von den betriebsrätlichen Akteuren und Strukturen gestaltet. Ohne deren aktive Mitwirkung und Integrationsleistung auf allen Gebieten des Organisationswandels, insbesondere bei der Segmentierung der Entlohnungssysteme, wäre der Anpassungsprozess im notwendigen Ausmaß nicht gelungen. Die spezifische Ausgestaltung der industriellen Beziehungen bei Volkswagen und die sowohl starke als auch integrierende Stellung des Betriebsrates waren die Vorraussetzungen für seine aktive und einflussreiche Rolle bei der Schaffung eines akzeptanzsichernden Kompromisses. Doch dieser akzeptanzsichernde Kompromiss ist fragil. Es muss kritisch hinterfragt werden, ob nicht gerade der Einsatz der integrierenden Stärke des Betriebsrates für ein vermehrtes "internes Outsourcing" und eine zunehmende Segmentierung der Entlohnungssysteme die Bedingungen für seine zukünftige Schwächung geschaffen haben. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die zentrifugalen organisatorischen und sozialen Kräfte innerhalb des Unternehmensnetzwerkes durch die Lohnsystemsegmentierung wachsen und schwieriger zu integrieren sind. Auf Grund der zunehmend unterschiedlichen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen werden die Interessen der verschiedenen Beschäftigtengruppen heterogener. Sie könnten unter bestimmten Bedingungen sogar gegeneinander stehen. So hätten die Beschäftigten der Auto 5000 GmbH nicht nur drei Betriebsratsvertreter, sondern rund 13 Betriebsratsmitglieder, würde die Auto 5000 GmbH als eigenständiges Unternehmen betrachtet, was es rechtlich auch ist. Dieser möglichen Aufspaltung der Arbeitnehmervertretungen ist man mit dem Tarifvertrag "Gemeinsamer Betriebsrat" zwischen Volkswagen AG, IG Metall und Auto 5000 GmbH entgegen getreten, der eine gemeinsame Vertretung durch die gewählten Betriebsräte der Volkswagen AG festschreibt. Doch mit dem Fortschreiten des Auto-5000-Projektes erhöht sich das Konfliktpotenzial auf der Seite der Arbeitnehmer und ihrer Vertretung, könnten doch diejenigen Stimmen lauter werden, die einen eigenständigen und damit auch größeren Betriebsrat mit eigenen tarifpolitischen Vorstellungen für die Auto 5000 GmbH fordern. Solch ein interner Konflikt würde nicht nur die integrierende Wirkung des Volkswagen-Betriebsrates schwächen, sondern auch die traditionell gute Mitbestimmungspraxis im Volkswagenkonzern beeinträchtigen, was entsprechend belastende Folgen für das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Volkswagen-Management hätte. Des Weiteren könnte die zunehmende Aufweichung des gewerkschaftlichen Grundsatzes "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" auf Grund des verstärkten Einsatzes von Zeitarbeitnehmern der Wolfsburg AG oder der AutoVision GmbH zu sozialen innerbetrieblichen Spannungen und Leistungsrückgängen führen. Denn obwohl der Tarifvertrag mit der AutoVision GmbH eine lokale Trennung der jeweiligen Beschäftigtengruppen vorsieht, gibt es Berichte aus der Praxis, die erste Grenzaufhebungen signalisieren.[103] Dieser Konfliktpunkt muss allerdings seit den Tarifverhandlungen 2004 relativiert werden. Denn der jüngst vereinbarte Haustarif II manifestiert unterschiedliche Entlohnungssysteme für die gleiche Arbeitsleistung innerhalb der Werke und an denselben Maschine. Damit ist der traditionelle gewerkschaftliche Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" bei Volkswagen gebrochen. Es könnten noch weitere, ähnlich gelagerte Konfliktfelder aufgezeigt werden, die die zentrifugalen Kräfte einer fortschreitenden Lohnsystemsegmentierung und die daraus resultierenden Probleme beschreiben. Doch an dieser Stelle soll der zusammenfassende Hinweis genügen, dass die zunehmende Heterogenisierung der Beschäftigteninteressen die gewerkschaftliche und betriebsrätliche Stärke der Einheit unterhöhlt und somit die integrierende Kraft von Gewerkschaft und Betriebsrat in einen systemischen Konflikt gerät. Der Wandel des Organisationsmodus am Standort Wolfsburg wurde ganz wesentlich vom zielgerichteten Handeln des Betriebsrates gefördert und fußt auf seiner Erkenntnis, dass die Sicherung des Standortes einer erweiterten Mitgestaltung bedarf, die über die rein betrieblichen Aktivitäten hinausgehen muss. Konkrete soziale und beschäftigungspolitische Verantwortung in Zeiten globalisierter Arbeitsplatzkonkurrenz ist seiner Meinung nach nicht auf das Werk begrenzt, sondern muss auf regionale Kontexte ausgedehnt werden. Diese Erkenntnis kam zunächst in der Mitinitiierung und Mitgestaltung des AutoVision-Konzeptes zum Ausdruck und später im Projekt Auto 5000. Grundlage dieser Gestaltungsoption war eine vom Betriebsrat eingeforderte und von der Konzernspitze wohlwollend gewährte, faktische Erweiterung der Mitbestimmung, die im Fall der Auto 5000 GmbH sogar tarifvertraglich fixiert wurde. Integrationsstrategiequalität und Lohnsystemstrategie als prägnante Unterschiede Am Volkswagen-Standort Bratislava werden ebenfalls Strategien der territorialen Integration verfolgt, die auf die Nutzung des Nähe-Effektes setzen. Auch hier gibt es verschiedene, kooperierende Akteure, die diesem Ziel zuarbeiten. Doch nehmen in Bratislava Logistik- und Beschaffungskosten neben technologisch-organisatorischen Gesichtspunkten einen vergleichsweise höheren Stellenwert in der Strategiebegründung ein. Dies liegt an dem Umstand einer verhältnismäßig schwach entwickelten slowakischen Zulieferindustrie[104] und einer daraus resultierenden starken Einbindung des Werkes Bratislava in das überregionale volkswageninterne Produktionsnetzwerk – mit der Folge langer Zulieferwege. Diesen Umstand galt es abzubauen. Wie in Wolfsburg, richten sich auch in Bratislava die Aktivitäten auf die Zulieferer-Ansiedlung in neu errichteten, werksnahen Industrieparks. Das Instrument einer eigenständigen Gesellschaft als Betreiber des Industrieparks und Dienstleister bei Unternehmensansiedlungen offenbart ein ganz ähnliches Konzept, wie es in dem Bereich der Wolfsburg AG zu finden ist, der sich mit der Lieferantenansiedlung beschäftigt. Doch im Gegensatz zu dem geschlossenen Konzept in Wolfsburg, das mehrere Strategien in sich vereint (Schaffung geografischer Nähe, enge und längerfristige Produktionsbeziehungen, Lohnsegmentierungen), handelt es sich in Bratislava um eine einzelne Strategie, auf die der Volkswagenkonzern nur einen vermittelten Einfluss hat, da die Aktiengesellschaft AUTO Martin zu 98% dem staatlichen Nationalfond gehört und Volkswagen weder Eigentums- noch Organisationsverbindungen hat. Allerdings stellte Volkswagen das Grundstück, wählte den Investor aus und handelte mit ihm die Bedingungen für den Industrieparkaufbau aus. Die Hauptakteure, die eine strategische Kooperation betreiben, sind Volkswagen und der slowakische Staat mittels seines Nationalfonds. Durch seine große wirtschaftliche Bedeutung für das Land und dessen daraus resultierende Abhängigkeit, ist das Verhältnis des Volkswagenkonzerns zum slowakischen Staat ähnlich verknüpft (wirtschaftliche und monoindustrielle Abhängigkeit) wie das zur Stadt Wolfsburg. Daraus ergeben sich indirekte Einflussmöglichkeiten. Der Betriebsrat beziehungsweise die Gewerkschaft spielen bei der Durchsetzung der Strategie aber keine Rolle. Im Gegensatz zum strategischen Gesamtkonzept in Wolfsburg mit seiner engen, teils über Eigentumsverhältnisse manifestierten Zusammenarbeit zwischen den drei Hauptakteuren Volkswagen, Stadt Wolfsburg und Betriebsrat, gibt es in Bratislava keine Notwendigkeit für eine solche Akteurskonstellation und Kooperationsweise. Wichtige Erkenntnisse wurden in Bezug auf die Lohnsystemgestaltung gewonnen. Die vergleichende Analyse der jeweiligen Standorte stützt eine Annahme von Ludger Pries (2003), wonach der Faktor Arbeit, von dem die Entlohnungssysteme ein gewichtiger Teil sind, die am stärksten von lokalen Standorteinflüssen geprägte institutionelle Struktur mit nur wenigen standortübergreifenden Konvergenzen ist. Die Lohnsystemstrategien in Bratislava und Wolfsburg differieren dementsprechend vollständig. Im Kontext der internationalen Arbeitsteilung betrachtet, sind sie in hohem Maße an die regionalen Besonderheiten angepasst. In Wolfsburg wird eine gezielte Strategie der Lohnsystemsegmentierung verfolgt, die ihrerseits einen integralen Bestandteil des Wandels des Organisationsmodus darstellt und maßgeblich von der Arbeitnehmervertretung mitgestaltet wird. In dem Niedriglohnland Slowakei hingegen kommt der Lohnsystemstrategie nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Wenn man bei Volkswagen Slovakia überhaupt von einer Strategie sprechen kann, so beschränkt sie sich weitgehend darauf, den Lohnkostenvorteil in seinem bisherigen Ausmaß für den Standort zu bewahren. Das wichtigste Integrationsmittel für die Entlohnungssysteme, unabhängig von der jeweiligen Strategie, ist in beiden untersuchten Fällen die durch das Management vermittelte Konkurrenz des globalen Marktes. Doch sie alleine wäre nicht in der Lage, den nach wie vor vorhandenen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit auch im Sinne der Arbeitnehmer zu regulieren und darüber hinaus eine nachhaltige, soziale und ökonomische Integration zu gewährleisten. Dafür ist der engagierte Beitrag der Institutionen Betriebsrat und Gewerkschaften, die traditionellerweise die Seite der "Arbeit" vertreten, unerlässlich. Sich nicht durch die neuen Entwicklungen der Globalisierung in diesem Engagement beirren zu lassen, ist die Herausforderung, der sich Betriebsrat und Gewerkschaften in Zukunft noch stärker stellen müssen. Die zuvor dargelegten Ergebnisse betrachtend, soll abschließend noch festgestellt werden, dass das Volkswagen-Management die Fähigkeit entwickelt hat, mit Hilfe anderer Akteure, in wenigen Jahren und an unterschiedlichen Standorten, neue, den Bedürfnissen des Unternehmens angepasste Umfeldbedingungen selbst zu schaffen und bestehende dahingehend zu verändern, das heißt vor allem die Stärkung lokaler Bindungskräfte und lokaler Integration. Diese Erkenntnis wird in den regional-, industrie- und gewerkschaftspolitischen Debatten und Strategiebildungen nicht unberücksichtigt bleiben können.

[102] In Wolfsburg handelt es sich allerdings nur um ein begrenztes Drehscheiben-Konzept, da nur Modell-Variationen und keine unterschiedlichen Modelle gefertigt werden können (siehe Seite 77 und Fußnote 19).
[103] Im Werk Braunschweig zum Beispiel arbeiten VW-Mitarbeiter (Vormontage) und AutoVision-Mitarbeiter (Endmontage) an einer Achsen-Montagelinie (Homburg, Interview 11.07.2003).
[104] Ursache dieser Schwäche, die zum Teil auch die ausländische Zulieferindustrie betrifft, die erst verzögert in der Slowakei investierte, ist die junge marktwirtschaftliche Geschichte der Slowakei.

Inhalt:

Vorbemerkung (Leseprobe)
1. Einleitung (Leseprobe)
2. Forschungsgegenstand und Fragestellung
3. Theoretische Einbettung
3.1. Theorie der gesellschaftlichen Arbeitsteilung
3.1.1 Grundzüge der Theorie
3.1.2 Industrielle Organisation und Integration
3.1.3 Nähere Bestimmung der Organisationsmodi
3.2 Regulationstheoretischer Erklärungsansatz
3.2.1 Grundkategorien der Regulationstheorie
3.2.1.1 Das Lohnverhältnis als institutionelle Form
3.2.1.2 Fordismus, Krise und Wandel
3.2.1.3 Territoriale Regulation und Governance
3.3 Ergänzende Erklärungsansätze
3.3.1 Systemische Rationalisierung und Produktionsnetzwerke
3.3.2 Wintelismus – Produktionsorganisation im digitalen Zeitalter
3.4 Zusammenfassung und theoretisches Zwischenresümee
4. Methoden
5. Produktionsmodelle und Internationalisierungsstrategien
5.1 Makroökonomische Kontextbedingungen der Automobilindustrie
5.2 Produktionsmodelle im regulationstheoretischen Kontext
5.2.1 Produktionsmodell, Profitstrategie und Governance-Kompromiss
5.2.2 Das Produktionsmodell von Volkswagen
5.2.3 Volkswagen – ein Produktionsmodell im Wandel
5.2.4 Arbeitsbeziehungen – Aufweichung des Lohnkompromisses
5.3 Internationalisierung und Produktionsnetzwerke
5.3.1 Volkswagen – Osteuropa- und Internationalisierungsstrategie
5.3.2 Kooperation und Kontrolle in Zuliefernetzwerken
5.3.2.1 Kooperation und Kontrolle bei Volkswagen
6. Territoriale Bindungen und Produktionsbedingungen
6.1. Unternehmensorganisatorischer Wandel und territoriale Auswirkungen
6.1.1 Netzwerke und Transaktion
6.2 Technologischer Wandel und territoriale Auswirkungen
6.3 Akteurshandeln und regionale Entwicklung
6.4 Fazit
7. Fallbeispiele und vergleichende Analyse:
Wolfsburg und Bratislava

7.1 Volkswagen Slovakia
7.1.1 Slowakei – politischer und ökonomischer Rahmen
7.1.1.1 Die Automobilindustrie
7.1.2 Die Entwicklung und Stellung von Volkswagen Slovakia
7.1.2.1 Hintergründe der Entstehung
7.1.2.2 Entwicklung des VW Standortes Bratislava
7.1.2.3 Zulieferstruktur und Industrieparks
7.1.2.4 Aktiengesellschaft AUTO Martin
7.1.2.5 Volkswagen Slovakia: Werk Martin
7.1.2.6 Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaften
7.2 Volkswagenstandort Wolfsburg
7.2.1 Das Werk Wolfsburg von Mitte der 1970er Jahre bis zur Krise 1993
7.2.2 1993-2003: eine neue Phase der Entwicklung
7.2.3 Das Volkswagenwerk und die Stadt Wolfsburg
7.2.4 AutoVision
7.2.5 Auto 5000 GmbH – ein neues Produktionsmodell
7.3. Vergleichende Betrachtung
7.3.1 Unterschiedliche Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen
7.3.2 Territoriale Konfiguration und Integration
7.3.3 Strategien zwischenbetrieblicher Produktionsbeziehungen
7.3.4 Lohnkostenstrategien und Lohnverhältnis
7.4 Fazit
8. Gesamtresümee und Schlussfolgerungen (Leseprobe)
Literatur
Webseiten
Anhang

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