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Rudolf Hickel / Klaus Peter Kisker / Harald Mattfeldt / Axel Troost (Hrsg.)

Politik des Kapitals – heute

Festschrift zum 60. Geburtstag von Jörg Huffschmid

402 Seiten | 2002 | EUR 20.40 | sFr 36.00
ISBN 3-87975-777-1 1

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1969 erschien Jörg Huffschmids Buch »Die Politik des Kapitals«, in dem er eine empirische Analyse zu den Besitzverhältnissen und Herrschaftsstrukturen in der BRD vorlegte. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes nehmen den 60. Geburtstag von Jörg Huffschmid zum Anlass, an diese Untersuchung des Konkurrenzsystems anzuknüpfen und führen die Analyse weiter:

 

  Varianten und Perspektiven des Kapitalismus

  Politik und Kapitalentfaltung in der EU

  Staat und Kapital

  Ökologische Nachhaltigkeit des Wirtschaftens

  Theorie und Politik: Aktuelle Schwerpunkte

  Politik heute: Modernisierung wohin?

 

 

Leseprobe 1

Vorwort

»Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert;
es kommt darauf an, sie zu verändern!«
11. These über Feuerbach von Karl Marx Die durch Marx geprägte Charakterisierung der herrschenden Wirtschaftswissenschaft als die Ideologie der Herrschenden ist aktueller denn je. Die deutsche Lehrstuhlwissenschaft unterlässt keinen Versuch, die systemkritische Anatomie des real existierenden Kapitalismus ins Abseits der Lehre und Forschung zu drängen. So hat der seit 1963 gesetzlich etablierte »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR)« mit seinem glühenden Plädoyer zur allumgreifenden Funktionsfähigkeit des nur wohlstandstiftenden bundesdeutschen Kapitalismus – unter der lediglich rhetorisch gemeinten Frage »Krise der Marktwirtschaft?« – schon im Jahresgutachten 1975 die Neoklassik zur einzigen wirtschaftswissenschaftlichen Wahrheit postuliert. Seit diesem Jahresgutachten wiederholt sich phantasielos die Mehrheitsmeinung Jahr für Jahr. Abweichende Meinungen, auch die gelegentlichen Minderheitenvoten zur Mehrheitsmeinung der vier »Sachverständigen«, konnten den inszenierten Siegeszug der Neoklassik in der ökonomischen Lehre, aber auch Politik nicht aufhalten. Die mittlerweile oftmals unter Verzicht selbst eines Anscheins auf Analyse und empirische Absicherung angebotene Verheißung ist schlicht: Einzelwirtschaftliche Renditeoptimierung auf politisch deregulierten Märkten beschert eine krisenfreie Entwicklung. Selbst die Globalisierung der Wirtschaft über hochkonzentrierte und multi- bzw. transnational agierende Konzerne vermag die These der optimalen Stabilisierung sich selbst überlassener Wettbewerbsökonomien nicht zu erschüttern. Die selbsterzeugten Feinde der Marktwirtschaft durch die Konzentration der Unternehmenswirtschaft werden ignoriert. Spiegelbildlich zur ökonomischen Heilslehre werden Fehlentwicklungen wie anhaltende Massenarbeitslosigkeit und ökologische Krisen sog. außermarktmäßigen Schurken angerechnet: Das sind die Gewerkschaften mit ihrer tariflichen Mindestschutzpolitik sowie der Staat mit seinen Zielen für soziale Sicherung, ökologische Nachhaltigkeit und Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Zu dieser Ideologie vom marktwirtschaftlichen »Wohlstand für Alle« gehört selbstverständlich der Verzicht auf eine ausgleichende Politik zugunsten sozialer Gerechtigkeit, denn die aus der Marktdynamik resultierende Einkommens- und Vermögensverteilung wird als aus sich heraus genügend sozial gerecht (fehl-)interpretiert. Nur die Definition des individuellen Status über den Markt entscheidet. Wer sich zu kurz gekommen fühlt, der muss eben mehr an Leistung einbringen. Unter welchem Etikett diese »mainstream-economics« auch daherkommt – ob als Neoklassik, Monetarismus, Angebotslehre – Jörg Huffschmid gehört zu den wenigen Ökonomen, die die theoretischen Konfusionen, die empirische Leere und die Ahistorizität dieser Kapitalismusrechtfertigungen grundlegend kritisiert haben. Mit seiner breitflächigen wie tiefgreifenden Kritik dieser »bürgerlichen Ökonomie« geht es ihm um die Anatomie des sich entwickelnden Kapitalismus. Dabei steht die Betroffenheit derer im Vordergrund, die existentiell von Erwerbsarbeit und damit Beschäftigung abhängig sind und über beschränkte bzw. keine ökonomischen Freiheiten verfügen. Jörg Huffschmid vertritt – wie seine Lehrstuhlbeschreibung an der Universität lautet – im Unterschied zu vielfachem Etikettenschwindel die eigentliche Politische Ökonomie im Kontext des Marxismus und Keynesianismus. Drei Kriterien bestimmen sein erkenntnisleitendes Interesse: analytische Fundierung, umfassende empirische Begründung sowie ökonomieübergreifende historische Horizonterweiterung. Dabei geht es ihm aber nicht nur um die gut begründete Analyse der kapitalistischen Bewegungsgesetze. Die wissenschaftliche Arbeit dient letztlich dem Ziel, eine alternative Ökonomie aufzuzeigen und mit auf den Weg zu bringen. Seine Vision von einer Gesellschaft mit einer Wirtschaft, die Vollbeschäftigung, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und die Gleichstellung der Geschlechter gewährleistet, leitet seine Untersuchungen an. Was die gesellschaftspezifische Rolle seiner Arbeit betrifft, so will er nicht nur einer der durch Marx in seiner elften These zu Feuerbauch bedauerten »Philosophen« bleiben, die die Welt »nur verschieden interpretieren«, sondern dazu beitragen, an der Durchsetzung einer alternativen Wirtschaftspolitik mitzuwirken. Jörg Huffschmid hat sich bewusst für die Politische Ökonomie entschieden und diese konsequent weiterentwickelt. Davon zeugt nicht nur seine Tätigkeit am Institut für Konzentrationsforschung der Freien Universität Berlin. Er sah seine Aufgabe auch nicht nur darin, in einer umfangreichen Zahl von Publikationen dem gesellschaftlichen Auftrag kritischer Wirtschaftswissenschaft zu entsprechen. Er hat im Jahr 1975 die »Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik« maßgeblich mitbegründet und seitdem vorangetrieben, um die Kräfte für eine humane Wirtschaftsdemokratie zu stärken. Mit dem hoch entwickelten Gespür für neue Herausforderungen hat er dann im Zuge der ökonomischen Integration innerhalb der EU vor drei Jahren eine »Europäische Arbeitsgruppe für Alternative Wirtschaftspolitik« maßgeblich ins Leben gerufen. WirtschaftswissenschaftlerInnen aus nahezu allen Ländern in der EU sind unter dem Ziel vereint, Vorschläge zur Überwindung sozialer und ökologischer Defizite der europäischen Integration abzubauen, vor allem aber eine Politik der Vollbeschäftigung europaweit zu koordinieren. Alle, die Jörg Huffschmid kennen, wissen, dass es ihm unangenehm ist, als Person in den Mittelpunkt gerückt zu werden. Jedoch, zu seinem Sechzigsten muss er nun einmal die Ehrung durch diese Festschrift aushalten. WeggefährtInnen, KollegInnen aus der Wirtschaftswissenschaft, den Gewerkschaften sowie auch einige seiner »SchülerInnen« nutzen diese Festschrift, um seine Arbeit zu würdigen. Der Titel dieser Festschrift knüpft an sein erstes wichtiges Buch »Die Politik des Kapitals – Konzentration und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik« an. Dieser Band in der »Regenbogen-Reihe« von Suhrkamp erschien 1969. Seine Wirkung war epochal. Nicht nur die 68er-Studentenbewegung bekam damit eine Analyse bundesrepublikanischer Wirtschaft und Gesellschaft in die Hand, die die damals häufige Praxis, das »Kapital« von Marx auch unmittelbar zur Interpretation zu nutzen, produktiv überwand. Der Gliederung dieser Festschrift sind zugleich die wichtigsten Arbeitsgebiete von Jörg Huffschmid zu entnehmen: Entwicklungsvarianten und Perspektiven des Kapitalismus; Politik und Kapitalentfaltung in der EU; Staat und Kapital; ökologische Nachhaltigkeit des Wirtschaftens; Unternehmenskonzentration und ökonomische Folgen der Rüstung sowie Ansätze zur Rüstungskonversion. Die Festschrift orientiert sich an dem Ziel, durch das wissenschaftliche Werk den Beitrag Jörg Huffschmids zur Analyse der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft herauszufiltern. Dabei würdigt bedauerlicherweise kein Beitrag sein Engagement für die Lehre. Jörg Huffschmid trägt jedoch zur Humankapitalbildung nicht nur durch seine Veröffentlichungen produktiv bei, sondern gerade auch durch seine immer profund vorbereitete und durchgeführte Lehre. Wir hoffen, dass Jörg Huffschmid diese Festschrift trotz seiner Aversion gegen persönliche Ehrungen nicht nur inhaltlich annimmt. Ansporn für seine künftige Arbeit in der Lehre und Forschung, in der Politik und den Gewerkschaften braucht sie nicht zu sein, denn diese tut er auch ohne Festschrift in außerordentlich engagierter Weise. Zu wünschen bleibt, dass die hier versammelten Untersuchungen das Ziel von Jörg Huffschmid, der Stärkung alternativer Wirtschaftspolitik zu dienen, unterstützen. Rudolf Hickel / Pit Kisker / Harald Mattfeldt / Axel Troost

Inhalt:

Vorwort

I. Varianten und Perspektiven des Kapitalismus


Horst Schmitthenner / Hans-Jürgen Urban
Entwicklungsvarianten des Sozialstaats im Übergang zum 21. Jahrhundert
Frieder Otto Wolf
Was ist »Politik des Kapitals« hier und heute?
Begriffliche Vorklärungen
Herbert Schui
Staatsmonopolistische Komplexe als Gebrauchswertbereiche und die Trennung von Staat und Wirtschaft
Klaus Peter Kisker
Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse im Zeitalter der Globalisierung
Karl Georg Zinn
Der Kapitalismus der nächsten Generation Stagnation, Spekulation, Neofeudalismus

II. Politik und Kapitalentfaltung in der EU


Kurt W. Rothschild
EU, Maastricht und die soziale Frage
Susanne Schunter –Kleemann
Die Europäische Union als Wertegemeinschaft
Hildegard Kaluza
Keine Heilung der europäischen Krankheit in Sicht?
Europäische Strategien und Konzepte gegen die Arbeitslosigkeit
Gerhard Leithäuser
Hegemoniale Positionen der Bundesbank im EWS I und der Europäischen Zentralbank im EWS II?

III. Staat und Kapital


Heide Gerstenberger
»Disembedding« und »Re-Embedding«?
Oder: Wie aktuell ist Polanyis Analyse »The Great Transformation«?
Hans Jörg Sandkühler
Notwendigkeit und Legitimation des Staates
Jörg Goldberg
Globalisierung und Nationalstaat
Ingo Schmidt
Gewerkschaften, Keynesianismus und Wohlfahrtsstaat – Geschichte oder Zukunftsmodell?

IV. Ökologische Nachhaltigkeit des Wirtschaftens


Elmar Altvater
Wenn Ökonomen der Natur ein Schnippchen schlagen wollen ...
Klaus Steinitz
Wirtschaftswachstum und neue Herausforderungen
André Leisewitz
Trends und Variantenwechsel in der Umweltpolitik

V. Theorie und Politik: Aktuelle Schwerpunkte


Harald Mattfeldt
Arbeitsmarktperformance und Beschäftigungsranking
Zu Inhalt und Methodik der Fahndung nach dem neoklassischen Musterländle
Ulrich Dolata
Allianzen, Kooperationen, Netzwerke
Formen und Funktionsweisen industrieller Zusammenarbeit in Hochtechnologiesektoren
Hermann Bömer
Moderne regionale Strukturpolitik
Ohne alternative Wirtschaftspolitik ein stumpfes Schwert für Krisenregionen
Irene Gallinge
Unternehmensinsolvenzen in der Bundesrepublik
Eckhard Hein
Zur Politischen Ökonomie der Zentralbank-Politik
Heinz-J. Bontrup / Norbert Zdrowomyslaw
Friedensdividende – oder die Kontinuität der Rüstung als immer lohnendes Geschäft?
Rudolf Hickel
Die sozial-ökonomische Transformation Ostdeutschlands
Herausforderung auch an die kritische Wirtschaftswissenschaft

VI. Politik heute: Modernisierung wohin?
Anmerkungen von Detlef Hensche


Bibliographie der Schriften Jörg Huffschmids
Die Autorinnen und Autoren

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