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Miren Etxezarreta / John Grahl / Jörg Huffschmid / Jacques Mazier u.a.

EuroMemo 2004

Hrsg. von der Europäischen Memorandum-Gruppe

96 Seiten | 2005 | EUR 9.80 | sFr 17.90
ISBN 3-89965-130-8 1

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Kurztext: Die "Arbeitsgruppe europäischer WirtschaftswissenschaftlerInnen für eine alternative Wirtschaftspolitik in Europa" tritt im "EuroMemo 2004", das von fast 300 europäischen ÖkonomInnen unterstützt wird, für Vollbeschäftigung, einen starken öffentlichen Sektor und eine Korrektur des europäischen Verfassungsentwurfs ein.


Der kurze wirtschaftliche Aufschwung in der Europäischen Union war von Beginn an schwach ausgeprägt geblieben und hat den Teufelskreis aus Wachstumsschwäche, Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Ungleichheit niemals durchbrochen. Der Mangel an Binnennachfrage belastet die europäische Wirtschaft weiterhin. Die Osterweiterung, an sich ein begrüßenswerter historischer Beitrag zum Frieden in Europa, hat die regionalen Ungleichgewichte verstärkt.

Die Lissabon-Strategie, die im März 2000 mit dem Ziel verkündet wurde, die EU bis zum Jahre 2010 zur "wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion der Welt" zu machen. ist offensichtlich gescheitert. Der Fehlschlag ist auf den falschen politischen Ansatz zurückzuführen. Um die EU auf den Weg einer ausgeglichenen Entwicklung zu bringen, muss die Wirtschafts- und Sozialpolitik grundlegend reformiert werden. Ziel dieser Reform sollte ein spezifisches europäisches Gesellschaftsmodell als Alternative zum US-Modell sein, das auf den Kernelementen Vollbeschäftigung, soziale Wohlfahrt, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, ausgeglichene internationale Wirtschaftsbeziehungen und wirksame Entwicklungshilfe aufbaut.

Leseprobe 1

Zusammenfassung

1. Der kurze wirtschaftliche Aufschwung in der EU ist vorbei. Er war von Beginn an schwach und hatte den Teufelskreis aus Wachstumsschwäche, Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Ungleichheit niemals durchbrochen. Der Mangel an Binnennachfrage macht die europäische Wirtschaft sehr anfällig. Die Osterweiterung, an sich ein begrüßenswerter Beitrag zum Frieden in Europa, hat die regionalen Ungleichgewichte verstärkt. Beides, anhaltende Arbeitslosigkeit und steigende Ungleichheiten, verlangen energisches Gegensteuern. Davon ist die EU weit entfernt. 2. Die Lissabon-Strategie ist gescheitert. Sie war im März 2000 mit dem Ziel verkündet worden, die EU bis zum Jahre 2010 zur "wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion der Welt" zu machen. Der Fehlschlag ist nicht auf die Mängel der Umsetzung zurückzuführen, sondern auf den falschen politischen Ansatz, nämlich:   den engen makroökonomischen Rahmen, der Wachstum und Beschäftigung behindert,   die Tendenz zur weiteren Liberalisierung und Deregulierung der Märkte, die, ebenso wie die Welle von Privatisierungen, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der EU beschädigt, und   den Mangel an Transparenz und breite demokratische Diskussions- und Beteiligungsmöglichkeiten; dies hat viele Menschen den Strukturen und der Politik der EU weiter entfremdet. 3. Um die EU auf den Weg einer ausgeglichenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu bringen, schlagen wir folgende Maßnahmen vor:   Ein koordiniertes öffentliches Investitionsprogramm in der Größenordnung von 1% des Sozialprodukts der EU, d.h. ungefähr 90 Mrd. Euro Die Mittel sollten für die Infrastruktur und den ökologischen Umbau verwendet werden, einschließlich der Restrukturierung der Energieversorgung. Der größte Teil dieses Programms sollte über Anleihen bei der Europäischen Investitionsbank finanziert werden, die nicht auf die öffentlichen Defizite angerechnet werden.   Die Geldpolitik sollte weiter gelockert und der Eckzins auf 1,5% gesenkt werden.   Der Haushalt der EU sollte schrittweise auf eine Höhe von 5% des EU–Sozialprodukts gesteigert werden, um der EU zu ermöglichen, ihrer gewachsenen Verantwortung gerecht zu werden.   Die EU sollte die aktuelle sehr schädliche Konkurrenz bei den Unternehmenssteuern beenden und zu diesem Zweck die Bemessungsgrundlage vereinheitlichen und einen einheitlichen Mindeststeuersatz von 40% festsetzen (30% für Länder mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 75% des EU-Durchschnitts).   Angesichts der offensichtlichen Probleme privater kapitalgedeckter Rentensysteme sollte die EU neue Anstrengungen unternehmen, um die wirtschaftliche und soziale Lage älterer Menschen zu verbessern. Das geschieht am besten durch die Stärkung der öffentlichen umlagefinanzierten Systeme und die Einführung von garantierten Mindestrenten. Zur Finanzierung sollten alle Arten von Einkommen herangezogen werden, nicht nur Löhne und Gehälter.   Um den Kampf gegen Armut und Ausgrenzung effizienter zu machen, sollte die EU einen Teil des größeren EU-Haushalts zu direkten Zahlungen an besonders betroffene Personen verwenden.   Die EU sollte den Deregulierungswettlauf stoppen und den Kommissionsvorschlag für die Vollendung des Binnenmarkts im Dienstleistungssektor zurückziehen und den Mitgliedsstaaten empfehlen, ein Moratorium für weitere Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen bis zu dem Zeitpunkt zu erlassen, an dem eine unabhängige Überprüfung – in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht – früherer Runden von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierungen vorliegt und öffentlich diskutiert worden ist.   Um eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu verhindern, sollte die EU ihren Vorschlag für eine neue Arbeitszeitrichtlinie zurückziehen, die längere Arbeitszeiten ermöglichen würde. Stattdessen sollte sie die Möglichkeiten für Arbeitszeitverkürzungen ausloten. 4. Eine Reform der Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU mit dem Ziel, ein europäisches Gesellschaftsmodell als Alternative zum US-Modell zu entwickeln, sollte auf folgenden Kernelementen aufbauen, über die eine breite politische Diskussion stattfinden sollte:   Vollbeschäftigung bei guten Arbeitsbedingungen und mit Löhnen und Gehältern, die ein selbständiges Leben ermöglichen,   soziale Wohlfahrt als Garantie dafür, dass niemand Armut und Hilflosigkeit ausgeliefert ist,   soziale Gerechtigkeit als Zustand ohne Diskriminierungen und ohne übermäßige Ungleichheit bei Einkommen, Vermögen oder dem Zugang zu öffentlichen Gütern und Diensten,   ökologische Nachhaltigkeit zur Erhaltung der natürlichen Grundlagen für jedes individuelle und gesellschaftliche Leben,   ausgeglichene internationale Wirtschaftsbeziehungen und wirksame Entwicklungshilfe als langfristige Bedingungen für Frieden und politische Stabilität. 5. Die EU-Verfassung, die Ende Oktober 2004 unterzeichnet worden ist und jetzt den Prozess der Ratifizierung durchläuft, stellt keine Unterstützung für das Europäische Gesellschaftsmodell dar und steht seiner Verwirklichung in vielfacher Hinsicht sogar entgegen. Vor allem ist das viel kritisierte demokratische Defizit der Europäischen Verträge in keinem zentralen Aspekt angegangen worden. Das Europäische Parlament hat immer noch nicht das Recht, Gesetzgebungsakte auf den Weg zu bringen, und Zentralbereiche wie Steuern und Arbeitnehmerrechte bleiben außerhalb seiner Einwirkungsmöglichkeiten. Die Bestimmungen der Verfassung zur Wirtschafts- und Sozialpolitik machen die engen und kontraproduktiven Regeln der bestehenden Verträge zu Verfassungsgeboten, die einer Veränderung auch dann nicht zugänglich sind, wenn es neue Erkenntnisse und neue politische Mehrheiten gibt. Teil III der Verfassung stellt vielmehr den Versuch dar, die sehr umstrittenen neoliberalen Konzeptionen dadurch gegen theoretische Kritik und politische Opposition abzuschirmen, dass man ihnen Verfassungsrang verleiht. Die Haltung hinter diesem Versuch ist nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern auch zutiefst antidemokratisch. Unser Hauptkritikpunkt ist, dass der alles andere verdrängende Rahmen für die Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Verfassung offene Märkte und Konkurrenz sind. Die Verfassung lässt keinen Platz für einen demokratisch kontrollierten öffentlichen Sektor, obgleich ein solcher lebenswichtig für das Funktionieren der Wirtschaft und für den sozialen Zusammenhalt ist. Der absolute Vorrang, den die Verfassung der Konkurrenz einräumt, ist der Wegbereiter für weitere ruinöse Konkurrenz und soziales Dumping. Der makroökonomische Rahmen der Verfassung ist so eng, dass er einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und Vollbeschäftigung im Weg steht. Die Verfassung lässt der EU keine Kompetenz, die Wohlfahrt, die Arbeitnehmerrechte oder den sozialen Zusammenhalt in der EU zu stärken, während die Rechte der Arbeitgeber ständig weiter ausgebaut werden.

Inhalt:

Jenseits von Lissabon.
Wirtschafts- und sozialpolitische Leitlinien und Eckpunkte einer Verfassung für das europäische Gesellschaftsmodell
EuroMemo 2004 – Kurzfassung


Zusammenfassung (Leseprobe)
Einleitung
1. Teufelskreise und wachsende Ungleichheiten
2. Nach dem Scheitern von Lissabon:
Die Notwendigkeit einer neuen Entwicklungsstrategie
3. Vorschläge für eine andere Politik
4. Kernelemente des europäischen Gesellschaftsmodells
5. Die Verfassung:
Keine Unterstützung für das europäische Gesellschaftsmodell
Liste der UnterzeichnerInnen des EuroMemo 2004
Klaus Dräger
Jedem eine zweite Chance? Lieber nicht
Die Lissabon-Strategie der Europäischen Union und ihr "Neubeginn"
1. Enttäuschende Halbzeitbilanz
2. Der Neubeginn: Weniger, aber besser?
3. Die "alte" Lissabon-Strategie
4. 2001–2004: Die soziale Kostümierung wird abgestreift
5. Fabeln und Legenden zur "alten" Lissabon-Strategie
6. Der Brüsseler Frühjahrsgipfel 2005: Ein "Neubeginn"?
7. Fazit: "Wettbewerbsfähigkeit" über alles?
Literatur
Andreas Wehr
Neoliberale Wirtschaftsordnung als Verfassungstext
1. Neue Werte und Ziele
2. Die Koordinierung von Beschäftigungs- und Sozialpolitik
3. Die Unterordnung der Beschäftigungspolitik unter die Wirtschaftspolitik
4. Soziale Grundrechte?
5. Fazit
Literatur
Thomas Fritz
Auf dem Weg zur Sonderwirtschaftszone
Die Dienstleistungsrichtlinie der EU
1. Mit der Abrissbirne durch Europa
2. Geltungsbereich der Richtlinie
3. Niederlassungsfreiheit
4. Dienstleistungsfreiheit
5. Nach EU-Gipfel keine Entwarnung
Literatur

Autorenreferenz

Kontakt
Prof. Miren Etxezarreta, Universitàt Autónoma de Barcelona, Miren.Etxezarreta@uab.es
Prof. John Grahl, University of North London Business School, J.Grahl@londonmet.ac.uk
Prof. Jörg Huffschmid, Universität Bremen, Huffschmid@ewig.uni-bremen.de
Prof. Jacques Mazier, Université de Paris Nord, Mazier@seg.univ-paris13.fr Klaus Dräger ist Mitarbeiter der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke im Europäischen Parlament und im Beirat der EU-AG von Attac Deutschland. Thomas Fritz ist Mitarbeiter der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21), Kontakt: Thomas.Fritz@blue21.de. Andreas Wehr ist Mitarbeiter der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke im Europäischen Parlament.

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