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Werner Rätz / Dagmar Paternoga / Werner Steinbach

Grundeinkommen: bedingungslos

AttacBasisTexte 17

96 Seiten | 2005 | EUR 7.00 | sFr 10.50
ISBN 3-89965-141-3 1

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Kurztext: Unter Linken besteht zwar ein breiter Konsens für ein Grundrecht auf umfassende soziale Sicherung und Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum, doch die Vorstellungen über seine Ausgestaltung gehen weit auseinander. In diesem AttacBasisText wird die Position für ein bedingungsloses, bedarfsunabhängiges Grundeinkommen dargestellt.

"Die globalisierungskritische Bewegung und Attac vertreten den Slogan 'Eine andere Welt ist möglich'. Diese andere Welt muss ein gutes Leben aller ermöglichen. Deshalb umfasst Globalisierungskritik immer auch die Suche nach gemeinsamen Antworten auf die individuellen Unsicherheiten des Lebens. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle könnte eine solche sein."

Die AutorInnen
Werner Rätz (Koordinierungskreis von Attac für die Informationsstelle Lateinamerika), Dagmar Paternoga und Werner Steinbach arbeiten in der Attac-Kampagne "Genug für alle".

Leseprobe 1

Einleitung

Oft wird gesagt, der Begriff der Globalisierung sei wie ein Container: Man kann wahllos hineinstecken, was immer man will. Wenn das so wäre, dann könnte man von einer globalisierungskritischen Bewegung erwarten, dass sie ihrerseits einen Bauchladen an zufälligen Forderungen vertritt. Kommt es daher, dass Attac sich mit Sozialpolitik im weitesten Sinne und jetzt auch noch mit etwas so Exotischem wie einem bedingungslosen Grundeinkommen befasst? Weil halt alles irgendwie mit allem zusammenhängt? Tatsächlich scheint es manchmal durchaus willkürlich, wie der Begriff der Globalisierung verwendet wird. Und doch gibt es bei jeder Definition einen gemeinsamen Kern, die überragende Stellung des Marktes. Nicht nur soll der Markt alle Verteilungsprobleme besser lösen können als menschliche Planung, auch alle anderen Fragen des menschlichen Zusammenlebens sollen auf dem Markt am besten aufgehoben sein. Markt bedeutet in diesem Verständnis Freiheit und totaler Markt bedeutet totale Freiheit. Leider, das räumen selbst (Neo-)Liberale ein, gibt es auf dem Markt Gewinnerinnen und Verliererinnen. Fallen letztere zu tief, so lehnen auch Liberale es nicht grundsätzlich ab Hilfen anzubieten, aber auch die sollten marktkonform sein. Das heißt, dass den Menschen geholfen werden kann auf dem Markt zu überleben, aber nie, dass sie solidarische, gesellschaftliche Formen sozialer Sicherung für angemessen halten. Mit dem Satz "There is no such thing as a society" –so etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht – brachte die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher diese Haltung auf den Punkt. Die globalisierungskritische Bewegung und Attac haben dem mit dem Slogan "Eine andere Welt ist möglich" zentral widersprochen. Diese andere Welt muss ein gutes Leben aller ermöglichen. Deshalb umfasst Globalisierungskritik immer auch die Suche nach gemeinsamen Antworten auf die individuellen Unsicherheiten des Lebens. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle könnte eine solche sein. Aber nicht nur die Suche nach einer umfassenden Alternative führt zu der Frage, wie soziale Sicherheit in Zukunft möglich bleibt. Auch konkrete Abläufe innerhalb der Globalisierung zwingen zu neuen Überlegungen. Kostensenkung und Börsenorientierung der Unternehmen erlauben keine unprofitablen Ausgaben. Staaten unterwerfen sich umfassend der Standortkonkurrenz. Landwirtschaft für den Eigenbedarf, natürliche Ressourcen, Umwelt, alles verwandelt sich in Waren, muss gekauft werden. Die Armen weltweit können das nicht. Immer größere Summen an Kapital suchen profitable Anlage und verstärken so den Druck auf schnelle Privatisierungen der Sozialsysteme – wenn es solche noch gibt und sie nicht längst der Profitlogik unterworfen wurden. Unter dem Druck der Massenerwerbslosigkeit zerbricht deren herkömmliche Finanzierungsbasis auch in den Industrieländern. Wenn Erwerbsarbeit keine soziale Sicherheit mehr herstellt, was ist dann die Alternative? Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle wäre vielleicht ein Versuch, der über einzelne Reparaturmaßnahmen am Sozialstaat hinausgeht. Das wird in Attac zwar von vielen, aber durchaus nicht von allen so gesehen. Uns Autorinnen geht es in dem vorliegenden Buch nicht um ein konkretes Modell, sondern um die Entfaltung der Idee: Wo kommt sie her, wie könnte sie wirken, was könnte sie verändern? Auf die damit angesprochenen Widersprüche in Attac gehen wir im Kapitel 5 ein. Anmerkung: Wenn ausschließlich von Männern geredet wird, benutzen wir im Text die männliche Form, ebenso in direkten Zitaten. Ansonsten stehen im folgenden Text aus rein praktischen Gründen bei Personen immer die weiblichen Formen, die Männer sind aber regelmäßig mit gemeint.

Leseprobe 2

Wie steht Attac Deutschland zum Grundeinkommen?

Attac Deutschland hat von Gründung an zu Fragen der sozialen Sicherung gearbeitet. Seit einigen Jahren wurden diese Aktivitäten im Schwerpunkt "Es ist genug für alle da" gebündelt. Der Titel ist Programm: Die Schwerpunkt AG und mit ihr die Ratschläge, die das beschlossen haben, ist der Meinung, dass "jeder Mensch ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum (hat); das muss sich niemand verdienen, das ist Teil des Menschseins, ist Menschenrecht". Daraus ergibt sich der Konsens, dass niemand im Fall von Bedürftigkeit alleine gelassen werden darf. "Von Arbeit muss man leben können – und ohne Arbeit auch." Eine Absicherung, die ein Leben auf einem menschenwürdigen Niveau ermöglicht, muss allen zur Verfügung stehen. Unterschiedliche Vorstellungen gibt es darüber, wie das gewährleistet werden kann. Innerhalb der Arbeitsgruppe des Schwerpunkts herrscht sehr weitgehend Übereinstimmung darüber, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen notwendig ist. Dabei stehen zwei Argumentationsstränge im Vordergrund, die auch in diesem Buch entfaltet wurden: Wenn Erwerbsarbeit keine soziale Sicherheit mehr herstellt, dann müssen wir uns neue Instrumente überlegen. Und die müssen auf gleichen Rechten für alle und der Möglichkeit gleicher Freiheit aufgebaut sein. Die AG selbst formuliert ihren Konsens wie folgt: "Es geht uns um die Durchsetzung sozialer Rechte im globalen Maßstab. Das ist unsere Antwort auf die ebenfalls global sich ausbreitende Unsicherheit aller Lebensverhältnisse (Prekarität). Wir wollen eine Gesellschaft weltbürgerlicher Solidarität statt die Individuen zum Überleben auf den Markt zu verweisen und dort untergehen zu lassen. Um da hin zu kommen ist es als erster Schritt unerlässlich, dass alle Menschen über ein gesichertes Einkommen verfügen. Das muss unabhängig davon sein, ob sie Arbeit haben oder nicht und in jedem Fall die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sicherstellen. Die Forderung nach einem solchen bedingungslosen Grundeinkommen (Existenzgeld) dient uns ganz wesentlich dazu, die ideologische Auseinandersetzung mit der neoliberalen Marktlogik aufzunehmen. Selbstverständlich gehören dazu aber auch Überlegungen, wie man Schritte dahin auch praktisch erkämpfen kann." Zum Konsens der AG gehört auch die Ablehnung von Niedriglöhnen und die Forderung nach einem Mindestlohn. Die Darstellungen und Positionierungen in diesem Buch beziehen sich zwar auf die Debatte in der Schwerpunkt-AG, aber stellen nicht deren abgesprochenen Konsens dar. Wir verantworten sie als Autorinnen allein. Dieser Diskussionsstand innerhalb des Schwerpunktes genugfüralle findet in Attac D überwiegend Zustimmung, löst aber auch Fragen und Kritiken aus. Diese sind, was die Tagespolitik angeht, widersprüchlich. Da wird zum einen gesagt eine bloße Forderung nach einem Grundeinkommen helfe den unmittelbar von Armut und Ausgrenzung Betroffenen nicht, die brauchten aber jetzt eine Lösung. Das stimmt, dafür müssen andere Vorschläge her. Es gibt sie (Steuerregeln, Bürgerversicherung, keine Privatisierung, weg mit Hartz und Agenda 2010), sie sind aber nicht Gegenstand dieses Buches. Umgekehrt heißt es, nur ganz konkrete, realpolitisch durchgerechnete Modelle seien glaubwürdig zu vermitteln. In der AG genugfüralle wird diese Sicht überwiegend nicht geteilt, aber wer mag, kann solche Modelle entwerfen und einige tun es. Sehr ernst zu nehmen ist der Hinweis, dass ein Grundeinkommen als weltweites Projekt gesehen werden muss. Auch im Schwerpunkt wird das betont. Leider sind aber Außenwahrnehmung und die eigene Beschlusslage nicht immer gleich. Gerade in den Medien wird die Auseinandersetzung von Attac mit sozialer Sicherung oft auf "Innenpolitik" reduziert. Die Befürworterinnen eines bedingungslosen Grundeinkommens müssen sich verstärkt bemühen den internationalen Charakter ihres Anliegens herauszuarbeiten. Das Gleiche gilt für die ökologische Dimension: Kapitalistische Reichtumsproduktion beruht auf einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur. Vorstellungen eines rein quantitativen Wachstums blenden das ebenso aus wie die Ungerechtigkeiten zwischen Nord und Süd. Dagegen muss Attac sich abgrenzen und deutlich machen, dass genug für alle nur da sein kann, wenn das erstens alle im Sinne globaler sozialer Rechte meint und wenn es zweitens auch morgen noch der Fall ist. Ein gutes Leben auf Kosten der Armen oder der Umwelt kann nicht unser Anliegen sein. Das ist eine moralische Frage, aber auch eine politische: Das Armutsproblem ist Teil einer kapitalistischen Globalisierung, die jeden national beschränkten Rahmen längst gesprengt hat. Deshalb ist seine Lösung ein Thema für Attac. Auf die meisten Anfragen zur Bedingungslosigkeit der Forderung sind wir eingegangen. Wie soll der gesellschaftliche Reichtum nicht nur verbraucht, sondern auch wieder hergestellt werden? Indem ein schrittweises Vorgehen stattfindet und die Menschen sich das Grundeinkommen langsam selbst erkämpfen. Sollen einige produktiv tätig sein müssen und andere nicht? Es wird Anreize zur Erwerbsarbeit nach wie vor geben, weil sie ein höheres Einkommen bringt und produktive Auseinandersetzung mit der Welt um eine herum ermöglicht. Warum sollen auch die Reichen ein Grundeinkommen erhalten? Weil es ein Menschenrecht ist, nur so der Kontrollapparat überflüssig wird und nur so alle Bedürftigen wirklich erreicht werden. Warum soll soziale Sicherheit aus Steuern bezahlt werden und die Unternehmen sparen reichlich Lohnkosten? Dem würde etwa mit der zusätzlichen Festlegung eines Mindestlohnes entgegengewirkt. Warum fordert ihr keine Arbeitszeitverkürzung? Die fordern wir auch, aber hier wird ein doppelter Problemzusammenhang sichtbar. Erstens geht es auch hier wieder um Realpolitik. Das Argument heißt, ein Grundeinkommen, gar ein bedingungsloses, lässt sich doch gar nicht durchsetzen. Für heute mag das stimmen, obwohl man nie weiß, wie schnell sich politische Verhältnisse verändern können, wenn es nicht mehr anders geht. Aber nehmen wir an, es sei tagespolitisch nicht durchsetzbar. Das gleiche Urteil trifft auch auf eine umfassende Arbeitszeitverkürzung zu. Sie müsste, um wirklich Arbeit für alle zu schaffen, sehr weit gehen und würde dennoch mit dem Forschritt der Produktivität kaum Schritt halten können. Das wissen meist auch ihre Fürsprecherinnen und das führt zum zweiten Aspekt des Problems. Die Forderung nach Arbeit für alle ist manchmal sehr grundsätzlich begründet. Da wird Arbeit als das entscheidende Merkmal menschlicher Gesellschaft verstanden. Nur wer an der einen teilnimmt, gehört auch zur anderen. Wir haben einer solchen Sicht in diesem Buch deutlich widersprochen. Unser Anliegen ist nicht eine Befreiung "der Arbeit", sondern "von der Arbeit", damit menschliche Tätigkeit endgültig aufhört, Teil des Kapitalverhältnisses zu sein. Dieser Widerspruch muss eine gemeinsame Arbeit in Attac nicht behindern. Auch die Tradition der klassischen Arbeiterbewegung kennt eine Idee der Rechte und unbedingten Ansprüche. Im Konzept der globalen sozialen Rechte könnten sich diese beiden – und andere – Positionen innerhalb von Attac wieder finden. Solche sozialen Rechte müssten individuelle Absicherungen für jede garantieren, sie müssten eine gesellschaftliche Infrastruktur zur Verfügung stellen und sie müssten die demokratische Kontrolle gewährleisten. Rechte – und dazu mag auch das Recht auf einen Arbeitsplatz gehören, wenn es keine Pflicht einschließt, diesen auch anzunehmen – hätten für alle dort zu gelten, wo sie sich aufhalten, und sie müssten jedem einzelnen Individuum jederzeit die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Dabei wäre in einem gemeinsamen Diskussionsprozess im Einzelnen zu bestimmen, wie wir "volle Teilhabe" verstehen. Was gehört genau dazu? Wie kann man darum kämpfen? Welche Elemente können Gegenstand von selbstbestimmter Aneignung sein? Was kann Attac dazu tun? Ein solcher Prozess wäre selbst ein kleiner Beitrag zu einer Gesellschaft aus freier Vereinbarung und selbstbewusstem Wollen. Schließlich wird angemerkt, dass die Forderung nach einem Grundeinkommen manchmal so erscheine, als wolle sie alle Probleme der kapitalistischen Gesellschaft lösen. Das könne sie aber keinesfalls. Und tatsächlich würde ja auch ein bedingungsloses Grundeinkommen die Menschen zum Überleben auf den Markt verweisen. Eine ausreichende Höhe könnte zwar dafür sorgen, dass dies kein materielles Problem wäre. Konkurrenzmechanismen, die Konzentration von Macht und Kapital in wenigen Händen und die Tendenz zur Verwandlung von allen menschlichen Bedürfnissen in Waren aber würden mit der bloßen Umverteilung von Geld keineswegs gebrochen. Die Warenförmigkeit von Bedürfnissen würde sogar eher gefördert. Das ist für manche sicher nicht unerwünscht, könnte man doch argumentieren, dass in einer Marktgesellschaft – und in einer solchen leben wir ja zweifellos – die ungehinderte Teilnahme am Marktgeschehen ein Ausdruck von Integration und Freiheit ist. Erst als Markteilnehmerin, als Konsumentin, so diese Sicht der Dinge, verfügt der moderne Mensch über die Souveränität, selbst zu entscheiden, welche Produkte und Dienstleistungen sie für sich in Anspruch nehmen will. An dieser Stelle haftet der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen tatsächlich ein marktliberaler Zug an und es wird deutlich, was ein Grundeinkommen leisten kann: Es schafft eine Möglichkeit über die bestehende Gesellschaft hinaus zu denken. Ob und wie sie wahrgenommen wird, ist damit nicht entschieden.

Leseprobe 3



Inhalt:

Einleitung (Leseprobe)
1. Grundeinkommen: Definition, Entstehung, Entwicklung
Was ist ein Grundeinkommen?
Woher kommt die Idee eines Grundeinkommens?
In wessen Interesse liegt ein Grundeinkommen?
2. Bedingungen und Voraussetzungen
Wie und wann kann ein Grundeinkommen umgesetzt werden?
Ist Grundeinkommen ein Menschenrecht?
3. In welchem Kontext wird das Grundeinkommen diskutiert?
Was ist eigentlich Arbeit?
Ist Vollbeschäftigung noch möglich?
Was leistet der Sozialstaat?
4. Theorie, Praxis, Perspektiven
Was herrscht: Mangel oder Fülle?
Welche Praxis, welche Kämpfe?
Was könnte ein Grundeinkommen verändern?
Gibt es andere Begründungen für ein Grundeinkommen?
5. Kontroverse Positionen der Befürworter
Ist zum Grundeinkommen ein "neuer Mensch" nötig?
Wer befürwortet ein Grundeinkommen?
Wie steht Attac Deutschland zum Grundeinkommen? (Leseprobe)
6. Wie ist ein Grundeinkommen zu finanzieren?
Internet-Tipps
Zum Weiterlesen

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